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Kölner WeitspringerinDie wirren Corona-Theorien der Alexandra Wester

Lesezeit 3 Minuten
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Weitspringerin Alexandra Wester

Köln – Der Deutsche Leichtathletik-Verband legt viel Wert auf mündige Athleten, ist nun aber durch verwirrende Aussagen und krude Theorien der Weitspringerin Alexandra Wester in Bedrängnis geraten. In einem fast 54 000 Mal aufgerufenen, auf Instagram veröffentlichten Video beklagt sie, durch die Corona-Maßnahmen ihrer Freiheit beraubt zu werden. Sie spricht von einem Impfzwang für die Bevölkerung oder von Ärzten und Anwälte, die die Menschenrechte verteidigen und dafür in Gefängnispsychiatrien eingesperrt würden.

„Freie Meinungsäußerung bei den Athleten ist dem DLV wichtig, aber es müssen Grenzen eingehalten werden vor allem dann, wenn es um Thesen geht, die nicht belegbar sind“, erklärte Chefbundestrainerin Annett Stein auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Das Video auf Instagram sei eine „private Meinung“ der Olympia-Teilnehmerin von 2016, die sich nicht mit der Meinung des Verbandes decke.

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Der DLV hatte zunächst nicht auf das am 28. April veröffentlichte Video reagiert, um erst das Gespräch mit der 26-jährigen Kölnerin, die auch Chancen auf einen Olympia-Start 2021 in Tokio hat, zu suchen. „Ich habe gegenüber Alexandra Wester klar gemacht, dass jeder DLV-Athlet eine Vorbildfunktion hat, wenn es um politisch motivierte Äußerungen zu umstrittenen Themen geht“, sagte Stein.

Noch deutlicher bezog der DLV Stellung zu einem anderen Eintrag, in dem Wester behauptet, dass der „Großteil der Welt“ von „einer Horrordroge“ (Adrenochrom) und von „Perversionen des Verstandes“ bestimmt werde: „Der Deutsche Leichtathletik-Verband distanziert sich klar von Verschwörungsmythen wie Pizzagate und Adrenochrom.“

Pizzagate ist eine kolportierte Geschichte, nach der in einer Pizzeria in Washington Kinder als Sklaven gehalten werden. Bankiers, Politiker und Hollywood-Stars hätten dabei ihre Finger im Spiel. Adrenochrom wird von Verschwörungstheoretikern als Verjüngungsserum angesehen, das den Behauptungen zufolge von in Höhlen gefangenen Kindern abgezapft werde.

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Basketballer Joshiko Saibou

Alexandra Wester ist keineswegs die einzige im Sport, die mit ihren Ansichten polarisiert. Auch ihr Freund Joshiko Saibou vertritt eine seltsame Meinung. Der Nationalspieler vom Basketball-Bundesligisten Telekom Baskets Bonn hat unter dem Hashtag #AppellandenVerstand ein Video auf Instagram gestellt, in dem er seine Follower mit Bezug auf die Corona-Beschränkungen provoziert. Beide Sportler waren für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

„Du gibst das wieder, was Fernsehen, Zeitungen und Politiker Dir sagen. Hinterfrage nichts“, sagte er und fügt an: „Selbst, wenn Menschen niedergeschlagen und verhaftet werden. Das ist zum Wohl aller.“ All dies unterstreicht er mit erhobenen Zeigefinger und am Ende des Videos mit dem Anlegen einer Schutzmaske und dem Satz: „Also. Blatt vor dem Mund.“

Kein Verständnis, keine Strafe

Der Präsident der Telekom Baskets hat wenig Verständnis für die Ansichten seines Spielers. „Kein Klub der Welt kann so etwas gebrauchen, aber es ist von der Meinungsfreiheit gedeckt“, sagte Wolfgang Wiedlich der dpa. „Insofern kann man sich nur wundern.“

Das Instagram-Video hat für Saibou auch keine Konsequenzen für seine internationale Karriere. „Josh ist unser Nationalspieler und das soll er auch bleiben“, sagte Ingo Weiss, Präsident des Deutschen Basketball-Bundes, der dpa. Er habe mit ihm telefoniert und über die Dinge gesprochen. „Josh hat seine private Meinung gesagt, die natürlich nicht die Meinung des Verbandes ist“, betonte er. Saibou hätte mit seinen Äußerungen zur Diskussion anregen wollen. „Ob das nun in Form und Art das Richtige war, darüber kann man sicher streiten. Das habe ich ihm auch gesagt“, meinte Weiss.

Verschwörungstheorien treffen auf fruchtbaren Boden

Selbstverständlich gelte das Recht auf Meinungsfreiheit für Spitzensportler, betonte auch die Sportausschussvorsitzende des Bundestages. „Allerdings sollten sich Menschen, denen aus unterschiedlichsten Gründen eine Vorbildwirkung zugeschrieben wird, ihrer besonderen Verantwortung bewusst sein“, sagte Dagmar Freitag.

Gerade Topsportler hätten durch die professionelle Nutzung sozialer Netzwerke und Medien eine ungeheure Reichweite und nicht wenige würden ja als sogenannte Influencer gelten. „Insofern sehe ich schon mit einer gewissen Sorge, dass Verschwörungstheorien offenbar auch bei Spitzensportler auf fruchtbaren Boden fallen“, sagte die SPD-Politikerin. (dpa)