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Olympiasieger Röhler„Speerwerfen im Garten funktioniert nicht“

Lesezeit 6 Minuten
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Thomas Röhler

  1. Thomas Röhler ist amtierender Olympiasieger und Europameister im Speerwerfen.
  2. Im Interview spricht er über die Corona-Zwangspause, Olympia in Tokio und die Rolle des Fußballs.

KölnHerr Röhler, es ist Mai, die Sonne scheint, und statt mit dem Speer auf grünem Stadionrasen sieht man Sie bei Instagram in Ihrem Wohnzimmer Liegestütze machen. Wie geht es Ihnen damit?

Ich habe die Situation gut angenommen. Ich versuche wirklich, das Gute zu sehen. Man hat mehr Zeit für Familie, für Dinge, die in so einer normalen, turbulenten Sportlerkarriere sonst zu kurz kommen. Gleichzeitig bin ich natürlich Vollprofi und halte mich so gut es geht fit. Zum Glück ergeben sich immer mehr Lockerungen, so dass wir immer mehr auch wieder in professioneller Weise unseren Sport betreiben können.

Dinge, die sonst zu kurz kommen – Sie haben gerade ein Haus gebaut.

Ja, genau. Und aktuell stand der Gartenbau an. Ich hatte Zeit, anzukommen und alles schön zu machen. So ist ein Rückzugsort entstanden, der sich dann auch sportlich positiv auswirken kann.

Sie posten viel auf Instagram. Ist die digitale Verbindung zuletzt stärker geworden?

Die Leute waren schon immer sehr begeistert von dem, was wir tun. Die wollen das verfolgen und ich bin jemand, der die Menschen gern teilhaben lässt. Ich finde, wenn man andere motivieren kann, dann ist das etwas richtig Schönes. Im Moment können wir nicht über Wettkämpfe begeistern und über Leistungen motivieren, wir kommen nur schwer an die Jugend heran, die zu Hause sitzt. Deshalb bemühe ich mich, ganz normale Einblicke zu geben. Ich denke mir nicht jeden Tag ein neues Home-Workout aus, ich schreibe den Leuten auch gern: Hey, genießt die Zeit, geht raus, macht etwas Sinnvolles. Mit anderen Athleten habe ich direkten Kontakt. Aber Social Media ist wichtig, so halte ich mein Sport-Netzwerk beisammen.

Zur Person

Thomas Röhler, geboren am 30. September 1991 in Jena, Speerwerfer beim LC Jena, amtierender Olympiasieger und Europameister. Mit 93,90 Metern Dritter der ewigen Weltbestenliste hinter dem tschechischen Weltrekordhalter Jan Zelezny (98,48 m) und dem deutschen Rekordhalter Johannes Vetter (94,44 m). Röhler ist Athletensprecher des Leichtathletik-Weltverbandes, lebt mit seiner schwangeren Verlobten, der ehemaligen Leichtathletin Lucia Schauerhammer, in der Nähe von Jena und hat einen Bachelor in Sport und Wirtschaft. (sro)

Hilft es, die verpassten Auftritte im Stadion ein wenig zu kompensieren?

Jeder Athlet will natürlich seine Reichweite behalten, will sie vielleicht sogar noch ausbauen. Wir leben von unserem Sport, und Reichweite ist mittlerweile sehr, sehr wichtig. Das ist heute fast entkoppelt vom sportlichen Erfolg. Und wer Social Media vielleicht bislang ein wenig vernachlässigt hat, der findet jetzt die Zeit, sich darum zu kümmern. Wir müssen uns irgendwie finanzieren und es ist kein Geheimnis, dass wir über Social Media und Internet-Auftritte Einnahmen generieren können.

Die Stabhochspringer Renaud Lavillenie, Mondo Duplantis und Sam Kendricks haben sich zuletzt in einem digitalen Fernvergleich gemessen. Haben Sie das verfolgt?

Eine sehr spannende Geschichte, eine klasse Idee. Ich war bei der Entstehung ein Stück weit dabei, eine Riesen-Sache. Ich kenne aber auch den Aufwand dahinter. Ich glaube, die Jungs hätten einen viel, viel einfacheren Tag gehabt, wenn sie einfach zu einem Wettkampf gefahren wären und ihren Sport gemacht hätten. So hatten sie wirklich viel Arbeit. Beginnend bei der Wetterkoordination verschiedener Länder bis hin zu dem ganzen technischen Setup. Ich fand das wirklich cool. Jetzt wird natürlich dazu aufgerufen, das doch bitte nachzuahmen.

Denkbar im Speerwerfen?

Nein. Nicht, so lange die Einschränkungen so sind wie sie sind. Sie sind ja noch dazu in verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich. Wir haben das weltweit gecheckt. Ich gehöre zu denen, die bis vor einer Woche nicht auf den Platz durften. Das war selbst in Deutschland nicht einheitlich geregelt. Und Speerwerfen im Garten funktioniert nicht, das ist zu gefährlich.

Sie sind Athletensprecher des Weltverbandes. Ist das gerade eine arbeitsreiche Zeit für Sie?

Ja, da hatte und habe ich richtig viel zu tun. Es ging los mit der Meinungsfindung in Richtung Olympiaverschiebung. Das Ergebnis war sehr, sehr einfach und auch sehr, sehr klar...

... es waren alle dafür, dass verschoben wird?

Ja, auch diejenigen Sportler, die zu Beginn noch gar nicht von Corona betroffen waren, haben gesagt: Wir wollen einen fairen Wettbewerb mit den besten Athleten. Aktuell ist es nicht viel ruhiger geworden. Es geht um die Planung der Late Season, die es in der Leichtathletik ab August geben soll. Und es geht um einen finanziellen Ausgleich. Dazu muss erst einmal herausgefunden werden, wie es weltweit überhaupt für den einzelnen Topathleten finanziell aussieht. Da gibt es trotz der Professionalisierung wenige Daten, das ist eigentlich verwunderlich.

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Erreichen Sie die Stimmen von Athleten, deren Existenz jetzt ernsthaft bedroht ist?

Es scheint diese Fälle zu geben, aber persönlich hat sich noch keiner bei mir gemeldet. Ich bin da aber auch nicht die richtige Anlaufstelle. Ich denke, sobald es die Möglichkeit gibt, entsprechende Anträge zu stellen, wird es den Sportlern leichter fallen, zu sagen: Ich bin existenziell bedroht. Wir müssen dabei aber auch realistisch bleiben: In der Leichtathletik sind viele Sportler Studenten. Sie gehören zur Weltspitze, nehmen aber gar nicht richtig wahr, dass sie über den Sport ihre Existenz aufbauen können. Deshalb nehmen sie auch den Verlust gar nicht wahr. Andere, die vielleicht mit dem gleichen Budget planen wie diese Studenten, das aber professionell tun, werden den Antrag sofort stellen. Ich denke, da wird man einige Sportler an die Hand nehmen müssen. Weltweit sollen rund 500 000 Dollar zur Verfügung stehen. Das ist nicht viel Geld, das wird schnell weg sein.

Und die Fußball-Bundesliga spielt wieder. Ist das fair?

Fair oder unfair ist mit Betracht auf die emotionale und größenbezogene Entfernung des Fußballs zum Breiten- und Leistungssport schwer zu beurteilen. Gesellschaftliches Verständnis für den Restart nehme ich in meinem Umfeld jedenfalls wenig wahr.

Wie steht es um Ihre eigene finanzielle Existenz?

Toi, toi, toi. Man muss natürlich haushalten. Aber ich habe solide gearbeitet, und dank meiner Reichweite, da schließt sich der Kreis zum Beginn unseres Gesprächs, ist die Lage bei mir recht stabil. Für uns alle ist die Situation gleich, auch die Sponsoren, Partner, Förderer haben jetzt eine schwere Zeit. Wir müssen da alle gemeinsam durch.

Immerhin sind Sie jetzt für mindestens fünf Jahre Olympiasieger und für mehr als zwei Jahre Europameister.

Das ist korrekt. Die EM sollte Ende August in Paris stattfinden, mal sehen, ob die noch irgendwann nachgeholt wird. Ja, und Olympiasieger für fünf Jahre, das ist definitiv etwas, das in die Geschichte eingehen wird. Aber ich hoffe, dass das nicht so oft vorkommt. Ich wünsche das nicht so vielen Sportlergenerationen nach mir.