Wettkampf und HomestoryWeltklasse-Stabhochsprung im Garten
Köln – Christine Adams hatte auf 25 getippt. Und schon diese Zahl hätte die Teamleiterin-Stabhochsprung des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) beeindruckt. Doch es wurden 36 Sprünge über 5,00 Meter innerhalb von 30 Minuten. Am Samstagabend vollbracht von Renaud Lavillenie und Armand, genannt Mondo, Duplantis in einem nie dagewesenen digitalen Fernvergleich. „Das ist wirklich irre“, befand Adams.
Der Versuch des Leichtathletik-Weltverbandes, ein wenig Spitzensport in die Welt und ihren Corona-Lockdown zu bringen, darf durchaus als geglückt bezeichnet werden. Hunderttausende hätten den als „Ultimate Garden Clash“ vermarkteten Wettbewerb über die verschiedenen Kanäle im sozialen Netz verfolgt, teilte World Athletics mit.
Das könnte Sie auch interessieren:
Die Szenerie war so eigentümlich wie unterhaltsam. Drei Kameras gewährten Einblick in die Gärten dreier Ausnahmeathleten, die alle über eine private Stabhochsprunganlage verfügen. Renaud Lavillenie, 33 Jahre alter Olympiasieger von 2012 und ehemaliger Weltrekordhalter (6,16 m), trat in Clermont-Ferrand in Frankreich an, neben der Anlaufbahn schaukelte seine kleine Tochter.
Mondo Duplantis, der für Schweden startet, die Heimat seiner Mutter, aber in den USA geboren und aufgewachsen ist, war aus dem Garten seiner Eltern in Lafayette, Louisiana, zugeschaltet. Der 20-Jährige hat den Weltrekord Anfang des Jahres in der Halle auf 6,18 Meter geschraubt. Er gilt als kommender Superstar der Disziplin, wenn nicht der Leichtathletik.
Außerdem war Sam Kendricks dabei, 27 Jahre alter Weltmeister aus den USA, seine Bestleistung steht bei 6,06 Metern und seine private Sprunganlage ist im Garten der Familie in Oxford, Mississippi, aufgebaut – direkt neben einer Koppel mit neugierigem Pferd. Sein Helfer trug standesgemäß einen Cowboyhut.
Ein bisschen Homestory gegen die Langeweile in Zeiten ohne Meetings und Meisterschaften? Weit gefehlt. Der Modus war ungewöhnlich, doch der Sport hochkarätig. „Fünf Meter sind keine Spielerei“, betonte Duplantis. Christine Adams, die in Leverkusen die deutschen Olympia-Kandidaten Torben Blech und Bo Kanda Litha Baehre trainiert, bestätigt das: „So viele gültige Sprünge in so kurzer Zeit, man kann sich kaum vorstellen, wie anstrengend das ist.“
Sam Kendricks konnte es sich wohl vorstellen. Verglichen mit seinen Kollegen ging er die Sache gemächlich an. Er flog weit höher als fünf Meter, nahm sich nach jedem Sprung aber auch einige Zeit zur Erholung. In der fünfminütigen Pause zwischen den zwei 15-Minuten-Blöcken lag er mit 13 Sprüngen bereits deutlich hinter Duplantis (18) und Lavillenie (17) zurück. Am Ende kam er auf 26 und sagte: „Hätte die Latte auf 5,40 Meter gelegen, hätte das Ergebnis vielleicht anders ausgesehen.“
Lavillenie produzierte in den ersten 15 Minuten einen Fehlversuch, anschließend jagte er dem einen Sprung vor ihm liegenden Duplantis hinterher. Der Schwede blieb fehlerfrei – bis etwa zwei Minuten vor Schluss. Dann war plötzlich alles offen. Und wahnsinnig spannend. Noch 30 Sekunden, da flog der Franzose zum 36. Mal in diesem Vergleich über 5,00 Meter, zwei Sekunden später gelang das auch Duplantis.
Und nun? Geteiltes Gold? Oder ein Stechen über drei Minuten? Duplantis kämpfte in Louisiana mit der Technik. Während er noch die Kamera richtete, teilte Lavillenie mit: „Ich bin völlig erledigt, ich will kein Risiko eingehen“ – und zog sich die Schuhe aus. Als ihn diese Nachricht erreichte, ärgerte sich Duplantis. Der Jungspund hatte noch Energie übrig, er absolvierte einen weiteren Sprung, hielt eine Tafel mit der Zahl 37 in die Kamera, ließ keinen Zweifel an seinem Siegeswillen.
Weitere Garden-Clashes möglich
World Athletics denkt nun über weitere Garden-Clashes nach. Etwa im Kugelstoßen, Weit- oder Hochsprung. Und auch der DLV arbeitet an Möglichkeiten des digitalen Leistungsvergleichs. Für den Stabhochsprung gebe es einige Ideen, sagt Adams. Etwa Sprünge aus sechs Schritten Anlauf oder mit dem falschen Arm oben und dem falschen Bein als Sprungbein. Olympisch sind derart veränderte Disziplinen nicht. Aber, so sagte es Lavillenie: „Es ist verrückt, bei dieser Sache in meinem Garten hatte ich das gleiche Gefühl wie bei einer großen Meisterschaft. Es war wirklich sehr aufregend.“