Der DFB befindet sich laut Andreas Rettig „in einer Krise“. Am Montag wurde er offiziell als neuer Geschäftsführer vorgestellt. Auf seine Kritiker möchte er zugehen, seine Haltung werde er aber nicht verändern.
Neuer DFB-Geschäftsführer vorgestelltZustand des DFB laut Rettig „wirtschaftlich herausfordernd und sportlich schwierig“
Die neue Reizfigur irrte erst einmal suchend umher. „Heute Morgen habe ich mich verlaufen hier im Haus“, gestand Andreas Rettig am Montag gleich zu Beginn seiner Vorstellung als neuer Geschäftsführer des Deutschen Fußball-Bundes auf dem DFB-Campus ein: „Ich hoffe, schnell die Orientierung zu bekommen.“
Dass die prominenten wie lautstarken Nörgler um Karl-Heinz Rummenigge und Oliver Mintzlaff den alten „Chefkritiker“ auf dem neuen Posten grundsätzlich als Verirrten betrachten, sieht Rettig gelassen. Nach dem Wirbel um seinen Amtsantritt will der 60-Jährige, der einen Vertrag bis Ende 2026 unterschrieben hat, auf seine Gegner aus der Bundesliga zugehen.
„Wir werden den FC Bayern und die Liga in ihrer Gesamtheit brauchen. Es geht darum, dass sich alle unterhaken. Daran dürfen Animositäten gegen die Person Rettig nichts ändern. Wir dürfen keine Protagonisten verlieren“, sagte Rettig, der sich im legeren Poloshirt präsentierte: „Ich kann mit Kritik umgehen. Ich habe kein Glaskinn und teile ja auch gerne aus.“
DFB-Präsident Neuendorf: Rettig „überzeugt mit Leidenschaft“
Am Sonntag hatten Rettig und der DFB erst einmal einstecken müssen. Rummenigge (Bayern München) und Mintzlaff (RB Leipzig) traten aus der DFB-Taskforce zurück – und begründeten ihren aufsehenerregenden Schritt zumindest teilweise mit der Verpflichtung Rettigs. Die Taskforce hat damit keinen Bestand mehr, das bestätigte DFB-Präsident Bernd Neuendorf.
„Ich habe sehr lange mit beiden telefoniert. Wir haben hier sicher eine Differenz, aus der wir aber keine Fronten entstehen lassen sollten“, äußerte Neuendorf, der Rummenigge und Mintzlaff in die Schranken wies: „Die Taskforce war immer nur ein beratendes Gremium und hatte nie Entscheidungskompetenzen.“
Um Rettig zu stützen, verbreitete der DFB umgehend wohlwollende Stellungnahmen von Nationalmannschafts-Sportchef Rudi Völler und Vize Hans-Joachim Watzke. Darin begrüßen beide trotz zurückliegender Differenzen die Berufung Rettigs ausdrücklich.
„Von uns wird immer Mut und Courage erwartet. Andreas überzeugt mit Leidenschaft. Er steht für mich für einen Perspektivwechsel, der gewollt ist“, sagte Neuendorf über Rettig – obwohl er den Nachfolger des im vergangenen Jahr zurückgetretenen Oliver Bierhoff „nicht von Beginn an auf dem Zettel“ hatte. Vor dem Engagement Rettigs stand die Absage der früheren Nationalspielerin Nadine Keßler.
Rettig will mit DFB „nicht nur die Portemonnaies erreichen, sondern auch die Herzen“
Rettig gilt als streitbare Persönlichkeit. Aufgrund seiner Ansichten ist er in der Vergangenheit in der Branche immer wieder angeeckt. Die ausufernde Kommerzialisierung ist Rettig ein Dorn im Auge.
Mit seiner Kritik schonte er in den vergangenen Jahren weder Verbände noch Klubs, Profis oder Funktionäre. Vor allem mit den Bossen von Rekordmeister Bayern München um Rummenigge und Uli Hoeneß lag Rettig oftmals im Clinch.
Am Montag machte Rettig deutlich, sich auch im neuen Amt nicht verbiegen zu wollen. „Natürlich ist das ein Spagat. Aber meine Haltungsfragen werden sich nicht verändern“, sagte Rettig, der seit fast 40 Jahren in verschiedenen Positionen im Fußball tätig ist: „Wir müssen sehen, dass wir nicht nur die Portemonnaies erreichen, sondern auch die Herzen.“
Mit Blick auf seine Aufgaben gab Rettig zu Protokoll, dass „wir uns in einer Krise“ befinden: „Der Zustand ist wirtschaftlich herausfordernd und sportlich schwierig. Ich werde keine Langeweile bekommen.“
Bei der Suche eines Bundestrainers als Nachfolger des entlassenen Hansi Flick wird Rettig das Feld allerdings Völler überlassen. Der neue Mann soll bis zur USA-Reise der DFB-Auswahl (9. bis 18. Oktober) benannt sein. Die Direktorenstelle für die Frauen soll dagegen Rettig suchen – wenn er sich orientiert hat. (SID)