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Radlegende Eddy Merckx wird 75Das Kraftwerk mit der phänomenalen Leistung

Lesezeit 5 Minuten

Schneller als alle Motorräder: Eddy Merckx bei einem Zeitfahren bei der Tour de France 1970.

  1. Radsportler Eddy Merckx wird am 17. Juni 2020 75 Jahre alt.
  2. Merckx gilt als der bisher erfolgreichste Radsportler.
  3. Ein Blick auf die bewegte Karriere – und was ihn aktuell umtreibt.

Köln – Es war am 13. Oktober 2019 die Nachricht des Tages in Belgien, und sie erschreckte das ganze Land. Eddy Merckx, so der Inhalt, ist bei einer seiner sonntäglichen Ausfahrten schwer auf den Kopf gestürzt. Das belgische Fernsehen hatte sich vor dem Sankt-Blasius-Krankenhaus in Dendermonde postiert, in der Nähe von Merckx’ Wohnort Meise bei Brüssel gelegen, um immer wieder live den neuesten Stand der Dinge zu senden. Denn es stand ernst: Merckx wurde wegen einer schweren Gehirnerschütterung ein paar Stunden intensivmedizinisch behandelt, ehe er auf eine normale Station verlegt wurde, auf der er noch fünf Tage bleiben musste.

Nun aber, acht Monate später, pünktlich zu seinem 75. Geburtstag, den er an diesem Mittwoch feiert, ist alles überstanden, sagt Eddy Merckx, der erfolgreichste Radsportler, den es je gab, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Mir geht es gut. Ich kann mich nicht beschweren. Im Augenblick muss sich niemand um mich Sorgen machen.“ Und auf dem Rennrad sitzt er auch schon längst wieder, um gemächliche Touren mit Freunden zu absolvieren. Drei Mal pro Woche, so um die 70 Kilometer.

In den Adelsstand erhoben

Diese Sturz-Episode zeigt, welchen Stellenwert der vom belgischen König Albert II. 1996 in den Adelsstand erhobene Édouard Louis Joseph Baron Merckx in seiner Heimat besitzt. Er ist dort nach wie vor ein Held, beliebt und geschätzt. Das wurde im Juli 2019 sehr deutlich, als die Tour de France in Brüssel begann, zu Ehren von Eddy Merckx, der 50 Jahre zuvor seinen ersten Sieg bei dem wichtigsten Radrennen des Jahres einfuhr, und zwar hochüberlegen. Merckx wurde bei der Teampräsentation zwei Tage vor dem Tourstart auf der Bühne auf dem überfüllten Großen Platz in Brüssel mit lautstarkem Jubel und minutenlangem Beifall empfangen.

Umjubelter Gast beim Tour-Start 2019 in Brüssel.

Eddy Merckx ist der gekürte Jahrhundertsportler des Landes, als Sportler war er ein faszinierendes Phänomen, dessen Körper ein Kraftwerk war. Und das hatte Eddy Merckx von 1965 bis 1978 auf maximale Produktion eingestellt, so lange war er als Berufsfahrer aktiv. Der Ertrag ist reichlich und dürfte in dieser Menge nie mehr erreicht werden: 445 Siege als Profi, zuvor 80 als Amateur, also 525 Erfolge auf der Straße, plus 98 auf der Bahn und ein Stundenweltrekord.

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Doch das ganze Lob, die Superlative, die Denkmäler, die es von ihm gibt, die U-Bahn-Station der Linie 5 mit seinem Namen in Brüssel, die Briefmarken mit seinem Kopf – für Merckx ist das „nicht so wichtig. Das Wichtigste ist, dass ich der Beste meiner Generation war. Und das war ich ja wohl.“ Ergänzen lässt sich höchstens, dass Merckx der Beste aller Generationen war.

Denn das, was sich im Album seiner sportlichen Erfolge sammelt, ist unerreicht: 34 Etappensiege bei der Tour de France; 97 Tage im Gelben Trikot der Frankreich-Rundfahrt; 19 Triumphe bei den fünf großen Eintages-Klassikern, allein sieben bei Mailand-Sanremo; elf Titel bei großen Landesrundfahrten – alles Bestmarken. Seine fünf Tour-Siege sind ebenfalls ein Rekord, den er sich allerdings mit den Franzosen Jacques Anquetil und Bernard Hinault sowie dem Spanier Miguel Indurain teilt. Die meisten Triumphe beim Giro d'Italia – fünf – hat auch Merckx gesammelt, zusammen mit den beiden Italienern Alfredo Binda und Fausto Coppi.

Ein martialischer Spitzname

Wie das alles nur möglich war? Merckx fuhr stets auf Angriff, Siege waren seine Motivation, Körper, Lungenvolumen und Beinhebel – alles passte ideal zusammen. Hinzu kommt das, was Philippe Miserez feststellte, einer der Tour-Ärzte der Merckx-Ära: „Merckx war der Fahrer, der den Schmerz am längsten und am besten ertragen konnte.“ Das Sieg-Phänomen Eddy Merckx und dessen Unersättlichkeit beschrieb dessen französischer Kollege Christian Raymond seiner Tochter einmal sehr martialisch: „Dieser Belgier lässt dir nicht mal Krümel übrig. Er ist ein Kannibale.“ Damit war Merckx’ Branchenname geboren.

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1969 bekam die Fachwelt eine Ahnung davon, was für eine Zeit dem Radsport bevorstand. Merckx, damals 24 Jahre alt, gewann bei seinem Tour-Debüt alles: Die Gesamtwertung, das Grüne Trikot, die Berg- und die Teamwertung. Das hatte es weder vorher noch nachher gegeben. Hinzu kommen sechs Etappenerfolge, darunter einer, der zur Legende wurde: 140 Kilometer Solofahrt im Gelben Trikot über vier Pyrenäen-Riesen, Tageserfolg mit fast acht Minuten Vorsprung.

Der Unfall ist überstanden

Merckx wohnt in Meise bei Brüssel in einem umgebauten Bauernhof, großes, helles Wohnzimmer, einladende Couchgarnitur. Er spricht mit tiefer Stimme, lächelt viel, wenn er erzählt, wirkt insgesamt aber zurückhaltend. Kaum zu glauben, dass er auf dem Rad so viel wilder und entschlossener war. Der Unfall vom Oktober ist überstanden, der Rücken schmerzt hin und wieder noch. Auch sein Herz, das von einem Schrittmacher unterstützt wird, bereitet ihm derzeit keine Probleme.

Mit großem Blumenstrauß nach dem Tour-Sieg 1972.

Feiern wird Merckx seinen Geburtstag im Kreis seiner Familie in seinem Anwesen, in dem auch mal seine Radfabrik untergebracht war. Eddy-Merckx-Rahmen haben einen besonderen Klang in der Welt des Radsports, auch heute noch, selbst wenn Merckx seine letzten Anteile an der Marke 2008 verkauft hat. Seine Frau Claudine wird bei der kleinen Feier dabei sein, seine Tochter Sabrina, Enkelkinder, ein Freund und seine Schwester. „Wir werden was Schönes zusammen essen“, sagt Merckx. Fehlen wird Eddys Sohn Axel Merckx, der einst selbst auch ein Radprofi war, allerdings mit mäßigem Erfolg.

Apropos Enkelkinder. Eines davon, Luca Masso, der Sohn des ehemaligen argentinischen Tennisprofis Eduardo Masso und von Sabrina Merckx, wurde 2016 in Rio mit Argentinien Olympiasieger im Hockey. Im Finale gegen Belgien. Die nächste Merckx-Generation ist also auch schon da.