- SPD-Politiker und ehemaliges Beiratsmitglied des 1. FC Köln, Martin Schulz, spricht im Interview über die Bundesliga.
- Als Fußballfan freut er sich zwar auf die Zeit, in der der Ball wieder rollt.
- Doch er äußert viele Sorgen zum Fußball in der Corona-Krise. Seine Botschaft: „Das Ganze kann auch gewaltig schiefgehen“.
Herr Schulz, wie blicken Sie dem Bundesliga-Neustart am Wochenende entgegen?Schulz: Mit gemischten Gefühlen. Ich bin ein großer Fußball-Fan. Als solcher freue ich mich, wenn endlich wieder der Ball rollt. Natürlich habe auch ich den Fußball zuletzt vermisst. Mein letztes Spiel habe ich im Dezember live im Stadion gesehen, leider war es kein erfolgreiches: Der 1. FC Köln, mein Verein, verlor bei Union Berlin mit 0:2. Im Sommer gibt es auch immer eine mehrwöchige Pause, doch dann werden zumindest Freundschaftsspiele und später wieder erste internationale Spiele ausgetragen. Doch in den vergangenen zwei Monaten ruhte fast weltweit der Ball.
Ich sehe natürlich auch die wirtschaftliche Komponente im Profifußball, für einige Vereine geht es schlicht um die Existenz. Doch auf der anderen Seite muss ich auch die verschiedenen Risiken betrachten. Und die medizinischen gibt es definitiv. Das Ganze kann auch gewaltig schiefgehen. Bei vielen Menschen könnte es zudem so rüberkommen, dass die Bundesliga privilegiert ist, während der überwiegende Teil der Gesellschaft derzeit auf vieles verzichten und so viel schultern muss. Am Ende ist das alles ein schwieriger Abwägungsprozess.
Wie bewerten Sie das Hygienekonzept der Deutschen Fußball-Liga?
In der Theorie ist das Konzept nicht schlecht. Dennoch beinhaltet es ein großes Risiko. Es muss der Bundesliga gelingen, nach möglichen Infektionen mit den Quarantäne-Vorschriften klarzukommen. Wenn das nicht funktioniert, dann hätte das weitreichende Auswirkungen. Denn der Fußball ist ein Sport, bei dem es einen ganz engen Körperkontakt gibt, er lässt sich nicht mit einer 1,50-Meter-Abstandsregel spielen. Was machen wir, wenn nach den Spielen feststeht, dass sich ein, zwei oder drei Spieler doch infiziert haben? Müssen dann direkt alle Kontaktpersonen mitisoliert werden? Eigentlich schon. Das besagen ja auch die gültigen Quarantäne-Regeln, und auch die neue Kontakt-Tracing-App wird diesen folgen.
Nach zwei Corona-Fällen musste jetzt die komplette Mannschaft von Dynamo Dresden in Quarantäne. Zeigt das die Problematik?
Dresden wird deshalb bei zwei Spielen erst einmal nicht antreten können. Da sehen Sie, welch dünnes Eis man da betritt. Aber das ist auch DFL-Chef Christian Seifert bewusst. Wenn sich solche Fälle aber bei sieben, acht Klubs ereignen, dann kann man die Saison abhaken.
Dabei wird die Bundesliga mit ihrem Konzept international als Vorreiter gesehen. Zu Recht?
Viele Ligen in Europa haben ihre Spielzeiten bereits vorzeitig abgebrochen, andere wie die in England oder Spanien wollen erst später wieder ihren Spielbetrieb aufnehmen. Da steht die Bundesliga, die fähige Köpfe hat, besonders im Fokus. Wenn es ihr gelänge, mit ihrem Konzept der partiellen Isolation erfolgreich zu sein, dann wäre der Beweis erbracht, dass das DFL-Konzept funktioniert.
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Das wäre großartig. Wenn es aber schiefgeht, dann wäre einer der größten und wirtschaftlich stärksten Sportverbände der Welt mit diesem Ansatz gescheitert. Und das hätte dann auch große politische und sportpolitische Auswirkungen.
Ihr Parteikollege Karl Lauterbach tritt seit Wochen öffentlich als Chefkritiker und Gegner des DFL-Konzepts und der Wiederaufnahme der Bundesliga in Erscheinung. Für ihn ist das Konzept zum Scheitern verurteilt.
Dazu möchte ich mich nicht äußern.
Wie sehen Sie Ihren Lieblingsverein 1.FC Köln in der Krise aufgestellt?
Ganz gut. Der Klub ist gesund und wird gut gemanagt. Die Strategie, wieder vermehrt auf den eigenen, starken Nachwuchs zu setzen, ist richtig. In dieser Saison hat es der neue Trainer Markus Gisdol geschafft, die Mannschaft deutlich zu stabilisieren. Er scheint der richtige Mann zu sein. Sollte die Saison zu Ende gebracht werden, rechne ich mit einem guten Platz im Mittelfeld. Darauf ließe sich aufbauen.
Bis Oktober 2019 gehörten Sie dem Beirat des 1. FC Köln an. Warum jetzt nicht mehr?
Da sollten Sie den neuen Vorstand fragen. Er hat mir zu verstehen gegeben, dass keine aktiven Politiker mehr im Beirat erwünscht sind. Ich bin vom damaligen Präsidenten Werner Spinner angesprochen worden, beim 1. FC Köln meine politischen Erfahrungen in den Beirat einzubringen. Jetzt hat die Klubführung eine andere Auffassung, aber das ändert nichts im Geringsten an meiner Liebe zum 1. FC Köln. Die wird immer bestehen bleiben.
Herr Schulz, was denken Sie: Wann können Sie wieder ein volles Fußballstadion betreten, wann wird es wieder Spiele vor Zuschauern geben?
So schwer es mir auch fällt, das zu sagen: Ich denke, das wird erst Ende des Jahres oder sogar erst im kommenden Jahr wieder möglich sein. Ich glaube auch, dass das schon viele Fans realisiert haben. Wenn wir einen Impfstoff und Medikamente haben, dann wird dieser Albtraum spätestens enden. Und dann werden auch wieder Fußballfeste gefeiert.
Das Gespräch führte Lars Werner