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Exklusiv-InterviewSchiedsrichter Sascha Stegemann fordert respektvollen Umgang

Lesezeit 4 Minuten
Dortmunds Marco Reus (l) spricht mit Schiedsrichter Sascha Stegemann.

Dortmunds Marco Reus (l) spricht mit Schiedsrichter Sascha Stegemann.

Der Unparteiische aus Niederkassel vermisst im Umgang mit allen Beteiligten die Solidarität der Corona-Zeit.

Bundesliga-Schiedsrichter Sascha Stegemann aus Niederkassel traf am 28. April eine folgenschwere Fehlentscheidung. In der 65. Minute des Spiels VfL Bochum gegen Borussia Dortmund foult der Bochumer Danilo Soares den Dortmunder Karim Adeyemi beim Stand von 1:1 im Strafraum. Der Unparteiische aus Niederkassel entschied: kein Foul. Er sah sich die Szene nicht mehr auf dem Bildschirm an. Die Bilder hätten ihm seinen Irrtum gezeigt. Das Spiel endete 1:1. Die Aufregung war groß.

Stegemann sah seinen Irrtum nach dem Spiel noch im Stadion und entschuldigte sich unter anderem mit einem Auftritt im Sport1-Doppelpass zwei Tage später. Er und seine Familie erhielten dennoch Morddrohungen. Wir sprachen mit dem Schiedsrichter, der danach noch zweimal in der Zweiten Liga und als Videoassistent eingesetzt wurde. Teil 1 des Interviews lesen Sie hier. Hier folgt Teil 2 des Interviews:

Glauben Sie, dass der Fehler von Dortmund Ihrer Karriere nachhaltig Schaden zufügen wird?

Natürlich analysiert man das für sich. Und wenn man dann so im Kreuzfeuer der Kritik steht, macht einen das alles andere als glücklich. Mit ein wenig Abstand hinterfragt man die Dinge und versucht, zu reflektieren, was man aus dieser Situation lernen kann. Ich habe mir für die kommende Runde vorgenommen, es besser zu machen als gegen Ende der letzten Saison – und über Stabilität und Kontinuität von Spiel zu Spiel die Aufgaben gut zu erledigen Der Rest kommt dann von alleine.

Wir alle machen Fehler, nur nicht vor einem Millionenpublikum wie Sie. Wie könnte denn Ihre Botschaft für Kollegen sein, die demselben Druck wie Sie ausgesetzt sind?

Die Botschaft könnte sein, dass man sich bewusst sein muss, dass die menschliche Wahrnehmung subjektiv und selektiv ist – und gewisse Tücken hat. Sowohl ich als auch der Videoassistent waren an diesem Freitagabend in Bochum im entscheidenden Moment der felsenfesten Überzeugung, eine richtige Entscheidung getroffen zu haben. Aber ich habe aufgrund meines Stellungsspiels die Dynamik der Situation nicht richtig erfasst und auch der Videoassistent hat sich nur auf ein Detail konzentriert, anstatt auf das Ganze.

Was teilweise vergessen wird, ist, dass hinter jedem Schiedsrichter ein Mensch steht

Viele Fans und auch einige Experten haben nach dem Vorgang wieder die Abschaffung des Videoassistenten VAR gefordert. Wie ist Ihre Haltung dazu?

Ich glaube nach wie vor, dass der VAR ein sehr, sehr hilfreiches Tool ist. Ich möchte ihn als Schiedsrichter nicht mehr missen. Das Problem ist jedoch: Wenn trotz dieser Technik Fehler passieren, fühlen sich Ungerechtigkeiten noch ungerechter an. Es entsteht ein negativer Fokus. Dass wir Schiedsrichter generell und ich in meinem Fall besonders mit der Entscheidungsqualität auf dem Feld und auch mit der Zusammenarbeit mit dem VAR über die gesamte letzte Saison gesehen aber nicht durchgängig zufrieden sind, das steht ja außer Frage. Trotzdem glaube ich, dass auch nicht alles schlecht war. Wenn man sich die Zahlen anschaut, sieht man, dass der VAR auch viele Fehlentscheidungen verhindert hat. Das kommt mir bei aller berechtigter Kritik manchmal zu kurz.

Der Wunsch, den emotionalen Impuls besser zu kontrollieren

Wie empfinden Sie generell den allgemeinen Umgang mit der Instanz Schiedsrichter im Profi-Fußball?

Das ist keine einfache Frage. Und man kann sie pauschal auch gar nicht beantworten. Meinem Eindruck nach war insbesondere während der Corona-Zeit der Umgang miteinander ausgesprochen positiv. Da hatte man das Gefühl: Wir sitzen alle irgendwie im selben Boot und haben ein Interesse daran, den Fußball am Leben zu halten und die Dinge gemeinsam über die Bühne zu bringen. Seit Corona vorbei ist und uns der Alltag zurückhat, hat es sich punktuell leider wieder ein Stück weit in eine andere Richtung entwickelt.

Mir leuchtet natürlich ein, dass vor allem am Ende einer Saison, wenn viel auf dem Spiel steht, sehr ausgeprägte Emotionen im Spiel sind. Trotzdem würde ich mir wünschen, dass man versucht, diesen ersten emotionalen Impuls besser zu kanalisieren und sich auch einmal in die Position des Schiedsrichters hineinzuversetzen. Denn was teilweise vergessen wird, ist, dass hinter jedem Schiedsrichter ein Mensch steht. Und alle Menschen haben es auch bei angebrachter sachlicher Kritik verdient, dass man mit ihnen als Person respektvoll umgeht.

Lesen Sie hier Teil 1 des Interviews mit Sascha Stegemann.