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Dürftige Leistungen, aber eiskalt vom PunktEngland bewahrt im Elfmeterschießen Nerven und steht im EM-Halbfinale

Lesezeit 6 Minuten
Prinz William klatscht grinsend in die Hände während er auf einer Tribüne steht.

Prinz William reagierte sichtlich gelöst auf den Sieg der englischen Mannschaft.

Die Briten träumen nach dem Sieg in Düsseldorf gegen die Schweiz vom ersten Titel seit 1966.

Nach dem entscheidenden letzten Elfmeter, den Trent Alexander-Arnold verwandelt hatte, rannten glückliche englische Spieler zu ihren Fans hinter dem Tor der Düsseldorfer EM-Arena. Die Stadionregie spielte den Neil-Diamond-Evergreen „Sweet Caroline“, Zehntausende sangen voller Inbrunst mit, und auch Prinz William auf der Tribüne strahlte. England steht im Halbfinale der Europameisterschaft! Die hochgehandelte Mannschaft von Trainer Gareth Southgate ist offenbar in ein Glücksfass gefallen und bezwang die Schweiz im Elfmeterschießen 5:3. Der Traum des ersten Titels außerhalb der Insel (nach der Heim-WM 1966) lebt somit weiter.

„Das Team hat viel Charakter gezeigt, viel Glaube, viel Überzeugung, viel Herzblut auch. Und genau dann, als es drauf ankam, haben wir es hinbekommen“, sagte Alexander-Arnold nach dem glücklichen Sieg. „Die Mannschaft kämpft gegen alle Widerstände an. Ich bin stolz auf sie“, sagte Trainer Gareth Southgate. Die Schweizer dagegen trauerten der großen Chance hinterher. „Wir haben gekämpft und alles dafür getan, dass das Märchen weitergeht. Wir waren nahe dran, am Schluss hatten die Engländer die besseren Nerven“, sagte Offensivspieler Xherdan Shaqiri.

Die Schweiz war in der 75. Minute durch ein Tor von Stürmer Breel Embolo in Führung gegangen, doch diese hielt nur fünf Minuten, da Bukayo Saka noch zum 1:1 ausglich. In der Verlängerung waren dann am Ende die Eidgenossen dem Sieg näher, doch Xherdan Shaqiri traf nur das Lattenkreuz, Zeki Amdouni hatte ebenfalls noch die Chance zum Sieg.

EM 2024: England spielt erneut dürftig, trifft aber eiskalt vom Punkt

Die Briten, die zuvor im Turnierverlauf enttäuschende Leistungen geboten und im Achtelfinale gegen die Slowakei sich durch ein Tor in der sechsten Minute der Nachspielzeit erst in die Verlängerung gerettet hatten, spielten zwar leicht verbessert, aber erneut wahrlich keinen ansehnlichen Fußball, oft sogar einen dürftigen Standfußball. Aber sie haben offenbar ihren Frieden mit einer Disziplin geschlossen, die über Jahrzehnte eine ihrer größten Ängste war: das Elfmeterschießen. Man muss konstatieren, dass alle fünf Elfmeter souverän und nervenstark verwandelt wurden. Bei den Schweizern verschoss Man-City-Star Manuel Akanji den ersten Elfmeter. Englands Keeper Jordan Pickford konnte den schwachen Versuch locker halten. Die Schweiz verpasste auch nach einer guten Turnierleistung einen historischen Schritt, die Teilnahme an einem Halbfinale in einem großen Turnier. In diesem stehen nun am Mittwoch die „Three Lions“. Gegner in Dortmund ist entweder die Niederlande oder die Türkei (beim Erscheinen dieses Textes noch nicht beendet).

Englands Trainer Gareth Southgate hatte seine Startelf nur auf einer Position verändert – gezwungenermaßen. Für den gesperrten Innenverteidiger Guehi rückte Konsa in die Mannschaft. Mit dabei war somit auch Jude Bellingham, der Real-Star war nach seiner obszönen Jubel-Geste gegen die Slowakei (2:1-Sieg nach Verlängerung) nicht von der Uefa gesperrt worden und somit mit einem blauen Auge davongekommen. Schweiz-Coach Murat Yakin sah gar keinen Grund, sein Team personell zu verändern. Warum auch, schließlich hatte die „Nati“ im Achtelfinale beim 2:0-Sieg gegen Italien absolut überzeugt und den Titelverteidiger verdient aus dem Turnier befördert.

Die „Three Lions“ starteten diesmal etwas mutiger in die Partie, waren darauf aus, nicht nur langweiligen Sicherheitsfußball zu bieten und attackierten den Gegner höher. Die Schweizer warteten erst einmal ab, wollten Nadelstiche setzen und hatten ihre ersten Offensivbemühungen nach knapp zehn Minuten durch Ndoye. Doch echter Spielfluss kam bei beiden Mannschaften selten auf. Im Mittelfeld neutralisierten sich selbst.

Zum ersten Aufreger kam es, als Bayern-Stürmer Harry Kane nach einem Duell im Strafraum mit Fabian Schär zu Boden ging und ziemlich vehement einen Elfmeter forderte. Für Schiedsrichter Daniele Orsato war dies aber allem Anschein nach viel zu wenig, er ließ das Spiel weiterlaufen (17.). Das plätscherte fortan träge vor sich hin, taktisches Geplänkel war angesagt. Einzig wenn Englands Rechtsaußen Bukayo Saka den Ball hatte, wurde es mal lebendiger und schneller. Das Southgate-Team besaß zwar die Spielkontrolle, hatte allerdings in der gefährlichen Zone erneut keine Ideen. Von den Eidgenossen kam im Gegensatz zum Italien-Spiel offensiv reichlich wenig. Dass der Schiedsrichter nicht eine Minute nachspielen ließ, sagte auch schon viel über den ersten Durchgang aus.

Schweizer verdienen sich die Führung, geben sie aber zu schnell her

Nach dem Wechsel änderte sich erst einmal wenig. Ab ungefähr der 60. Minute beschlossen die Schweizer, auch wieder aktiver am Spielgeschehen teilzunehmen. Das galt auch für ihre Fans, die ihre Mannschaft nun nach vorne trieben. Dass die Schweiz nun deutlich mehr nach vorne investierte, sollte sich schnell auszahlen. Und zwar mit der Führung. Schär spielte in den Lauf von Ndoye, der im Strafraum aus der Drehung den Ball vor das Tor beförderte. Dort stellte sich Stones ungeschickt an, verlängerte den Ball praktisch auf den Schweizer Stürmer Breel Embolo, der in das Zuspiel hineinspitzelte und den Ball über die Torlinie bugsierte – 1:0 (75.).

Southgate reagierte endlich personell, nahm gleich drei Wechsel vor. Und praktisch aus dem Nichts kamen die Engländer ins Spiel zurück – dies allerdings durchaus sehenswert. Rice bediente Saka am Strafraum. Der Arsenal-Profi zog nach innen, wurde aber auch überhaupt nicht angegriffen. Sein präziser Schuss ins lange Eck schlug mit Hilfe des Innenpfostens zum Ausgleich in den Maschen ein (80.). Das war dann auf auch Prinz William, einem ausgewiesenen Fußball-Fan (von Aston Villa), ein Applaus im Stehen wert. England hatte nun Oberwasser. Und endlich entwickelte sich ein richtiges Fußballspiel, ein Schlagabtausch. In der Nachspielzeit hatte die Schweiz sogar noch die große Chance zum Sieg, doch nach einer Flanke von Schär kamen im Fünfmeterraum weder Embolo noch Ndoye richtig an die Kugel. Somit ging es in die Verlängerung.

Schweiz im Pech: Shaqiri trifft mit Ecke das Lattenkreuz

In der Verlängerung hatte Rice die erste Chance, seinen Schuss parierte Torwart Sommer zur Ecke (95.). Kurz darauf bekam Bellingham bei seinem Versuch zu wenig Druck auf den Ball. Danach riskierten beide Mannschaften nicht mehr viel, man merkte auch stark, dass ihnen nach der strapaziösen Saison die Kraft ausging. Der kurz zuvor eingewechselte Schweizer Altstar Xherdan Shaqiri kam noch einmal in eine gute Schussposition, verzog aber (113.). Und kurz vor dem Abpfiff waren die Engländer erneut mit dem Glück im Bunde: Eine Ecke mit ganz viel Spin von Shaqiri klatschte ans Lattenkreuz (117.)! Und Zeki Amdouni, erst eine Minute auf dem Platz, hätte auch noch zum Matchwinner werden können, doch Keeper Pickford parierte den Schuss zur Seite (119.). Die Briten retteten sich ins Elfmeterschießen.

In dem hielt Pickford einen schwach geschossenen Versuch des ersten Schweizer Schützens Manuel Akanji. Die Engländer Palmer, Bellingham, Saka, Toney und Alexander-Arnold dagegen verwandelten allesamt sicher vor den eigenen Fans, denn auch bei der Seitenwahl waren die Engländer im Glück.

Schweizer Kapitän Granit Xhaka war durch Muskelfaserriss beeinträchtigt

Der Schweizer Kapitän Granit Xhaka, der mit Leverkusen das Double geholt hatte, verriet, warum er selbst keinen Elfmeter schoss: „Jetzt kann ich es ja sagen: Bei mir wurde am Montag ein Muskelfaserriss an den Adduktoren festgestellt. Aber ich wollte für die Mannschaft da sein und auf die Zähne beißen. Ich konnte während des Spiels keine langen Bälle schlagen oder richtig aufs Tor schießen. Sonst ging es aber gut.“