Deutschlands Viertelfinal-Gegner Spanien hat viele Stärken – aber auch eine mögliche Schwachstelle.
DFB-Gegner strotzt vor Selbstvertrauen„Wir haben die beste Mannschaft mit den besten Spielern der Welt“
An Selbstvertrauen mangelt es der spanischen Nationalmannschaft ganz gewiss nicht. Es ging am Sonntag im Kölner Stadion schon auf Mitternacht zu, da war der 4:1-Sieg der „Furia Roja“ im EM-Achtelfinale gegen Georgien, im letzten von fünf EM-Partien in Müngersdorf, bereits abgehandelt. Alles drehte sich nur noch um das große Viertelfinal-Duell am Freitag (18 Uhr, Stuttgart) gegen Gastgeber Deutschland. Und in dieses geht Spanien nach vier Siegen in vier Spielen mit ganz breiter Brust. Und in dem Bewusstsein, viele Trümpfe im Team zu haben.
Deutsche Disziplin gelobt Trainer Luis de la Fuente bezeichnete Deutschland zwar als „Fußballmacht“, sprach von einem „fantastischem Team mit tollen Individual-Spielern und viel Disziplin“, doch dann fielen Sätze, die man öffentlich eher selten hört. „Wir haben die beste Mannschaft und die besten Spieler der Welt. Ich kann nicht garantieren, dass wir gewinnen, aber wir werden dafür kämpfen. Das nächste Spiel könnte ein WM-Finale sein. Wir hoffen aber, dass wir drei weitere Spiele bestreiten können“, sagte der 63-Jährige im Brustton der Überzeugung.
Bereits in den Tagen und Wochen zuvor hatte der Nordspanier, der als Spieler in den 80er-Jahren beim baskischen Traditionsklub Athletic Bilbao Erfolge feierte, seit elf Jahren für den spanischen Verband arbeitet und im Dezember 2022 dann die Nationalmannschaft übernahm, ähnliches Selbstbewusstsein zur Schau getragen. Doch jetzt waren die Bühne und das Echo auf die Aussagen noch einmal größer. Und dieses Selbstvertrauen haben auch seine Spieler verinnerlicht. „Wir haben eine wunderbare Mannschaft“, sagte Jungstar Nico Williams. Mittelfeldregisseur Rodri versuchte es mit Blick auf den Gegner mit etwas verhalteneren Worten: „Wir sind nicht froh, dass wir jetzt gegen die Deutschen spielen. Die Deutschen haben ein Heimspiel, aber auch wir haben unsere Waffen.“
EM 2024: Bisheriger Turnierverlauf legitimiert spanisches Selbstvertrauen
Doch nach dem bisherigen Turnierverlauf sind es durchaus legitime Aussagen aus dem Lager der Spanier. Sie sind nach ihren Auftritten zum Topfavoriten auf den EM-Titel aufgestiegen. Zwar hatte der bravourös kämpfende Außenseiter aus Georgien die Iberer lange gepiesackt und war sogar durch ein Eigentor des spanischen Innenverteidigers Robin Le Normand in Führung gegangen (18.), doch über weite Strecken der Partie waren die Spanier sagenhaft dominant aufgetreten. 36 Torschüsse, 108 Angriffe, 13 Ecken, 25 Flanken und fast 800 Pässe, von den 94 Prozent beim eigenen Mann landeten: Das waren die Zahlen der klaren Überlegenheit. Die dann am Ende auch in Tore durch Rodri (39.), Fabian (51.), Williams (75.) und des Leipziger Profis Dani Olmo (83.) mündeten.
de la Fuente sprach zwar von „gewissen Problemen“ in der ersten Halbzeit, befand aber: „Es hätte auch 8:1 ausgehen können“, sagte der Coach, der als Junioren-Nationaltrainer bereits zwölf seiner Spieler aus dem EM-Kader trainiert hatte. Das schafft sicherlich gegenseitiges Vertrauen und ein fast blindes Verständnis.
„Furia Roja“ befindet sich nach Tal wieder deutlich im Aufwind
Die Spanier befinden sich seit geraumer Zeit wieder deutlich im Aufwind. Vor ein paar Jahren hatte dies noch anders ausgesehen. Nach einer großen Ära, die 2010 mit dem WM-Titel und 2008 und 2012 mit dem EM-Erfolg gekrönt worden war, ging es für die „Furia Roja“ erst einmal abwärts. Die Erfolge stellten sich nicht mehr ein. Bei der WM 2014 schied das Team in der Vorrunde aus, 2018 und 2022 jeweils im Achtelfinale. Dort war auch bei der EM 2016 Endstation, bei der Euro 2021 deutete man aber bereits mit dem Erreichen des Halbfinals (Aus nach Elfmeterschießen gegen Italien) den klaren Aufwärtstrend an.
Sinnbildlich für diesen steht die einzigartige Flügelzange aus „Wunderkind“ Lamine Yamal (16) vom FC Barcelona und dem sprintgewaltigen Nico Williams (21), der nicht mehr allzu lange für Athletic Bilbao auflaufen dürfte. Sie sorgen für enormes Tempo, sind kaum zu stoppen und vom Ball zu trennen. Trotz ihres jungen Alters übernehmen beide schon viel Verantwortung und treten beispielsweise alle Standards. Ganz vorne „füttern“ sie mit ihren Flanken zudem Sturm-Veteran Alvaro Morata (31). In ihrem Rücken agieren die erfahreneren Rodri (28, Manchester City) und Fabian Ruiz (28, Paris St. Germain) sowie Pedri (21) vom FC Barcelona, die unglaublich ballsicher sind und für große Spielkontrolle sorgen.
Furiose Flügelzange, Passmaschine im Mittelfeld, doch eine Schwachstelle
Wenn es eine Schwachstelle gibt, dann ist sie wohl die Defensive. Insbesondere die Innenverteidiger Aymeric Laporte (30), der seit 2023 für Al-Nassr in Saudi-Arabien spielt, und Le Normand (27, San Sebastian) verkörpern allenfalls gehobenen internationalen Durchschnitt. Linksverteidiger Marc Cucurella (25, Chelsea) spielt zwar voller Elan und Begeisterung, leistet sich aber auch mal den einen oder anderen Patzer. Die Vierer-Abwehrkette komplettiert mit Real-Star Daniel Carvajal (32) der allerdings wohl beste Rechtsverteidiger der Welt. Im Tor ist zudem Unai Simon (27, Bilbao) seit einigen Jahren eine sichere Bank.
„Das wird ein sehr ausgeglichenes Duell, in dem es um Details geht“, rechnet de la Fuente mit einem engen Ausgang, schob allerdings auch eine weitere Warnung an das DFB-Team hinterher: „Deutschland wird auf eine Mannschaft treffen, die sehr hungrig ist. Wir sind nicht perfekt, wir werden aber jeden Tag besser.“