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Kommentar zu Spaniens EM-Triumph
Keine Nation hat ein derartiges Sieger-Gen

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Die Emotionen kochen über: Spaniens Fußballer schmeißen ihren Trainer Luis de la Fuente in den Berliner Nachthimmel.

Die Emotionen kochen über: Spaniens Fußballer schmeißen ihren Trainer Luis de la Fuente in den Berliner Nachthimmel.

Spanien ist der absolut verdiente Europameister und hinterlässt eine Erfolgsgeschichte mit vielen Facetten.

Am Ende war es ungemein knapp. Lediglich das Knie von Englands Verteidiger John Stones hatte dafür gesorgt, dass Spaniens Siegtorschütze Mikel Oyarzabal vor dem 2:1 nicht im Abseits stand. Dies zeigte die VAR-Grafik der Uefa, die Spanien jubeln ließ und England mal wieder ins Tal der Tränen stürzte.

Doch auch wenn diese Entscheidung eine Sache von wenigen Zentimetern war und das EM-Finale nach dem Ausgleich Cole Palmer zwischenzeitlich auf des Messers Schneide stand, so trennte beide Mannschaften doch einiges. Vor allem, wenn man die komplette Euro Revue passieren lässt.

Spanien ist der absolut verdiente Europameister. Es gewann alle seine sieben Turnierspiele, zeigte die konstantesten Leistungen und den sehenswertesten Fußball. Die „Furia Roja“ hatte den besten Mix aus Erfahrung und Jugend, exemplarisch stehen dafür die mit allen Wassern gewaschenen Veteranen wie Daniel Carvajal und Alvaro Morata, die Taktgeber Rodri und Fabian sowie die unglaublichen Jungstars Nico Williams und Lamine Yamal, der mit 17 noch ein Teenager ist.

Facettenreiche Spanier ließ sich nie vom Erfolgsweg abbringen

Sie ließ sich auch von Widerständen nicht von ihrem Erfolgsweg abbringen, seit dem Viertelfinale gegen Deutschland fiel Pedri verletzungsbedingt aus, im Halbfinale fehlten Carvajal und Le Normand gesperrt, im Finale nun konnte Taktgeber Rodri, zurecht von der Uefa zum besten Spieler des Turniers gewählt, angeschlagen zum zweiten Durchgang nicht mehr auf den Rasen zurückkehren. Andere sprangen in die Bresche, Leipzig-Profi Dani Olmo avancierte gar zu einem Star des Turniers, der Baske Oyarzabal durch sein Tor zu einem Nationalhelden für ganz Spanien.

Angeleitet wurden sie vom wohl auch besten Coach des Turniers, Luis de la Fuente, der etliche Spieler noch aus seiner Tätigkeit als Junioren-Nationaltrainer kennt und vertraut. Und der mit breiter Brust voranging, die Favoritenrolle annahm und seinen Schützlingen so auch Selbstvertrauen einimpfte. Es ist schon sagenhaft: Spanien hat seit 2001 im Länder- und Klubfußball kein großes Finale verloren. Keine andere Nation hat ein derartiges Sieger-Gen.

Die Seleccion hat durch den Erfolg ein kleines Tal überwunden und den ersten Titel für die erfolgsverwöhnte Nation seit 2012 geholt. Und sie könnte eine neue Ära prägen. Nach dem Abpfiff mischte sich Pablo Gavi unter die feiernden Teamkollege, der geniale, erst 19-jährige Regisseur, der seit Monaten wegen eines Kreuzbandrisses ausgefallen war und als Zuschauer zum Finale anreiste. Gavi und die weiteren Hoffnungsträger wie Balde (20), Pedri (21) und der erst 17-jährige Verteidiger Pau Cubarsi, der für Olympia nominiert wurde, stehen für Spaniens Zukunft. Hansi Flick wird es freuen, sie laufen allesamt für den FC Barcelona auf.

England scheitert letztlich erneut mit seinem Pragmatismus-Fußball

Und die Engländer? Sie werden natürlich erneut der Titel-Chance hinterhertrauern. Das so genannte „Mutterland des Fußballs“ wartet seit geschlagenen 58 Jahren auf einen Titel. Die „Three Lions“ hatten mit viel Leidenschaft und Widerstandsfähigkeit das Finale erreicht, am Ende rückte die Fußball-Nation im Glauben an den Titel noch einmal eng zusammen.

Doch zur Wahrheit gehört auch, dass es schon eine Fügung des Schicksals war, dass es England mit seinem Pragmatismus-Fußball und einer gehörigen Portion -Glück überhaupt bis Berlin geschafft hatte. Trainer Gareth Southgate hatte dabei einen äußerst hochkarätigen Kader beisammen. Der Coach, aber auch der Verband FA müssen sich ernsthaft fragen, ob er aus diesem wirklich das Maximum herausgeholt und auf die richtigen Spieler gesetzt hat. Eigentlich können sie sich die Frage selbst beantworten.