AboAbonnieren

Bundesliga-KolumneBayern erspielt selbst in der Krise Rekorde

Lesezeit 4 Minuten
Lewandowski

Robert Lewandowski jagt den Rekord von Gerd Müller. 

Die Vorrunde der Fußball-Bundesliga ist abgeschlossen. Der FC Bayern München führt die Tabelle nach 17 Spieltagen mit vier Punkten vor RB Leipzig, sieben vor Bayer 04 Leverkusen und zehn vor Borussia Dortmund an. Irgendwie ist fast alles wie immer.

Auf den ersten Blick ja. Allerdings stecken die Bayern mitten in einer „Krise“. Eine Woche nach dem spektakulären Aus im DFB-Pokal bei Holstein Kiel, das von der Fußball-Nation als Befreiungsereignis gefeiert wurde, hat der Dauersieger mit zwei Erfolgen hintereinander in der Liga in die Spur zurückgefunden, während die Konkurrenz geschlossen Punkte gelassen hat.

Das 1:0 beim FC Augsburg hat allerdings heftige Selbstkritik zur Folge. „Wir bekommen es einfach nicht hin“, zürnte Führungsspieler Joshua Kimmich. Er meinte: Gegner werden nicht mehr dominiert und an die Wand gespielt wie im Traumsommer 2020. Das frühe Führungstor durch einen Elfmeter von Robert Lewandowski hielt nur deshalb zum ersten Zu-Null-Sieg seit Monaten, weil der Gegner in Person von Alfred Finbogasson einen eigenen Elfmeter nicht verwandelte. Für die dominanzsüchtigen Bayern ein Grund, hart mit sich ins Gericht zu gehen, obwohl sie in der ersten Halbzeit hoch überlegen waren.

Dennoch wurden Rekordmarken erreicht. Torhüter Manuel Neuer blieb zum 196. Mal ohne Gegentor und teilt sich nur die Allzeitbestmarke der Liga mit Ex-Nationaltorhüter Oliver Kahn, der in wenigen Wochen die Nachfolge von Klubchef Karl-Heinz Rummenigge übernehmen wird. Und Torjäger Robert Lewandowski beendet die Vorrunde mit 22 Toren, was nicht einmal dem legendären Gerd Müller in seiner monströsen 40-Tore-Saison 1971/72 gelungen war.

Was bedeutet das für die Liga?

Zunächst mal den Erhalt von Spannung. Vier Punkte zwischen dem Ersten und dem Zweiten Leipzig, der das Überraschungsteam von Union mühsam mit 1:0 bezwang, sind nicht die Welt. Sieben Punkte zwischen Platz zwei und Mönchengladbach auf Platz sieben auch nicht. Allerdings stellt sich inzwischen die Frage nach dem Wert der jahrzehntelang für unverzichtbar gehaltenen Sommerpause. Die ersten drei Klubs in der Tabelle hatten im Gegensatz zu allen anderen keine Sommerpause. München, Leipzig und Leverkusen waren lange in den Europapokalen aktiv, Bayern und Bayer 04 zuvor noch im DFB-Pokal.

Alle anderen, vor allem Borussia Dortmund, hatten einen ganzen Sommer lang, um sich auf diese Spielzeit vorzubereiten und konnten das nicht in einen Vorteil verwandeln. Die Analysten des Körpertunings werden viel Arbeit haben, um das für die Zukunft in feste Erkenntnisse zu verwandeln.

Welche Vereine geben Anlass zu Sorge?

Am meisten das Versager-Duo Schalke 04 und Mainz 05. Beide haben den Trainer gewechselt, die Rheinhessen haben sogar die gesamte sportliche Führung ausgetauscht. In Gelsenkirchen beschwört man das einzig Intakte, was man noch hat: die Vergangenheit. Der Transfer von Klaas-Jan Huntelaar von Ajax Amsterdam mutet gar an wie Voodoo, Geisterbeschwörung. Wann der 37-Jährige, den eine Wadenverletzung plagt, aktiv eingreifen kann, ist zudem offen. Der vom FC Arsenal zurückgekehrte Sead Kolasinac hat sich gegen Köln eine Muskelverletzung zugezogen und fällt womöglich wochenlang aus.

Das könnte Sie auch interessieren:

Trainer Christian Gross (66) wirkt auf Schalke so passend wie Schweizer Kuhglocken unter Tage. Der Klub versinkt in Schulden und wird offiziell noch angeführt von Sportvorstand Jochen Schneider, der im letzten Jahr alles falsch gemacht und unabhängig vom Ausgang dieser Saison im Sommer wohl gehen muss. Der Abstand auf den Nichtabstiegsplatz 15, den die stoischen Bielefelder nach dem 3:0-Sieg über Stuttgart belegen, beträgt für Mainz und Schalke bereits zehn Punkte. Die Fantasie, wie das Grusel-Duo das in der Rückrunde aufholen soll, existiert derzeit nicht.

Was ist eigentlich mit dem ehrgeizigen Big-City-Klub Hertha BSC Berlin los?

Der spielt so schlecht, dass seine Fans mitten in der Pandemie einen Genehmigung für eine Demonstration erwirkt haben, mit der sie am Samstag vor dem Heimspiel gegen Werder Bremen ihrem Unmut Luft machen wollen.

Nach der 0:3-Niederlage gegen Hoffenheim flüchtet sich Bruno Labbadia in Durchhalterhetorik. Der Trainer will „Widerstände überwinden“ und „die Ärmel hochkrempeln“. Das sind solch akzeptierte Floskeln der Ratlosigkeit, dass keiner nachfragen muss, wo denn die Ärmel 17 Spieltage lang waren und wie man es mit so viel Geld – seit Juni 2019 hat Investor Windhorst rund 300 Millionen Euro in den Klub gepumpt – geschafft hat, so viele Widerstände um sich herum aufzubauen.