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„Nur wenige haben ausgesorgt“Ex-Profi Zinke berät Fußballer bei der Altersvorsorge

Lesezeit 9 Minuten
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Früher Verteidiger des Tores, heute der Altersvorsorge: Sebastian Zinke vor Trikots seiner Kunden

  1. Sebastian Zinke war früher Profifußballer. Für die Reserve des 1. FC Köln und den SC Fortuna spielte er in der Dritten und Vierten Liga.
  2. Heute ist der ehemalige Verteidiger Finanzberater. Vor allem Fußballer zählen zu seinen Kunden.
  3. Im Interview verrät Zinke, wie er mit 18-jährigen Profis über ihre Altersvorsorge spricht.

Köln – Hoch über den Dächern der Stadt sitzt Sebastian Zinke in einem Büro in der elften Etage des Kölnturms am Mediapark. Nur an wenigen Orten hat man einen besseren Blick auf den Dom. Die Wände der Räumlichkeiten von Swiss Life Select sind voller signierter Kleidungsstücke von Kunden des Finanzdienstleisters: Sportler-Trikots. Unter anderem haben sich dort ein Bundesliga-Profi und ein Superstar der NHL verewigt. Zinke selbst war auch einmal professioneller Fußballer. In der Jugend spielte er an der Seite von Lukas Podolski beim 1. FC Köln und mit Manuel Neuer zusammen in der U-20-Nationalmannschaft.

Anders als die beiden Weltmeister häufte Zinke aber keine Reichtümer an, ausgesorgt hatte er nach seiner Karriere nicht. Sein größter sportlicher Erfolg war der Aufstieg mit Fortuna Köln 2014 in die Dritte Liga. Heute berät der 35-Jährige als Teamleiter bei Swiss Life Select Zweit-, Dritt- und Viertliga-Fußballer in Finanzfragen und hilft ihnen, für sportlich schlechte Zeiten und das Alter vorzusorgen.

Herr Zinke, welches Gefühl ist es, erstmals fürs Fußballspielen bezahlt zu werden?

Ich bin mit 18 Jahren aus Kassel nach Köln zum FC gekommen. In Kassel haben wir in der A-Junioren-Regionalliga gespielt, der höchsten Jugendklasse dort. Geld gab es nicht dafür. In Köln war das dann anders. Beim ersten Gehalt wusste man dann gar nicht, wohin damit (lacht). Dann träumt man natürlich von einer Profikarriere. Nicht unbedingt aus finanziellen Gründen – jeder Junge, der anfängt zu kicken, träumt davon.

Wie lange hat es gedauert, bis sie sich eingestanden haben: „Nur Fußball, das reicht nicht“?

Ich hatte zuvor sogar noch eine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann gemacht. Aber ganz ehrlich: Als wir 2014 aufgestiegen sind mit der Fortuna, in dem Jahr bin ich 30 geworden. Bis dahin hatte ich neben dem Fußball keinen Plan B. Der kam erst durch Thomas Olschewski (Manager bei Swiss Life Select und früher im Vorstand der Fortuna, d. Red). Nach unserem Aufstieg habe ich mir direkt im ersten oder zweiten Training einen Bandscheibenvorfall zugezogen. Dann ist Thomas auf mich zugekommen und hat gefragt, ob ich nicht mal bei der Firma reinschnuppern möchte. Ein Bandscheibenvorfall mit 30, das sei ja keine gute Voraussetzung für die Fußballer-Karriere. Mit Anfang 20 hatte ich mir vorgenommen, zwei oder drei Jahre voll auf den Fußball zu setzen. Daraus wurden letztlich dann fast acht.

So wie bei Ihnen läuft es häufig?

Viele bilden sich nebenher nicht weiter. Sie leben den Traum und gucken nicht nach rechts und links. Viel länger als 15 Jahre ist aber kaum ein Profifußballer aktiv im Geschäft. Dann kommt der Punkt, wenn du Anfang oder Mitte 30 bist: Was machst du danach? Früher war es noch viel extremer als heute, mittlerweile bieten viele Vereine Weiterbildungsmaßnahmen an. In meiner fußballerischen Blütezeit war daran gar nicht zu denken. Da hat man einfach nur trainiert.

Was ist die Gehaltsspanne bei Regionalliga-Fußballern?

Wenn man aus der Jugend eines Klubs in die erste Mannschaft kommt, verdient man entsprechend wenig, meistens 450 Euro. Wenn du von einem anderen Verein verpflichtet wirst, können es schon mal 1000 oder 1500 Euro sein. Wenn du ein gestandener Spieler bist, bei einem Verein mit Ansprüchen, dann verdienst du zwischen 3000 und 5000 Euro. Nach oben gibt es dann natürlich noch Ausreißer, bei Klubs die zum Beispiel durch Mäzene andere finanzielle Möglichkeiten haben. Im Schnitt liegen Regionalliga-Fußballer zwischen 1500 und 2500 Euro netto pro Monat. Man kann gut davon leben, aber keinen Reichtum aufbauen. Das denken aber einige Spieler, weil sie dann Profis (Zinke imitiert mit seinen Fingern Anführungszeichen) sind.

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Bei Fortuna Kölns Aufstieg 2014 in München war Sebastian Zinke Kapitän.

Und in der Dritten Liga?

Da gibt es natürlich nochmal deutlich mehr Geld, gerade wenn man in einem Top-Team spielt. Aber auch dort hat eigentlich kein Spieler nach seiner Karriere finanziell ausgesorgt. Und später können auch nicht alle Trainer, Co-Trainer, Manager oder Spielerberater werden. So viele Stellen gibt es im bezahlten Bereich nicht. Darum ist es so immens wichtig, vorzusorgen.

Wie oft erlebt man Profis, die sich mit finanziellen Alltagsfragen überhaupt nicht auskennen?

Kurz vor meinem Karriereende habe ich nochmal für die zweite Mannschaft des FC gespielt, zusammen mit vielen Spielern, die frisch aus der Jugend gekommen sind. Damals sind wir fast aus der Regionalliga abgestiegen. Ich habe ein paar Jungs, deren Verträge im Sommer ausliefen, gefragt: „Habt ihr euch arbeitslos gemeldet?“ Dann kam: „Wie, arbeitslos? Das brauch’ ich doch nicht.“ Aber auch als Fußballer hat man – wie jeder andere Angestellte auch – Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die waren in der FC-Blase, alles wurde für sie gemacht. Dann dachten sie, dass der auslaufende Vertrag irgendwie doch noch verlängert wird oder man schon einen neuen Verein finden würde. Aber es kommen halt jedes Jahr junge Spieler nach, die günstiger sind und vielleicht auch talentierter.

Sehen Sie die Klubs oder Berater in der Pflicht, die Spieler besser zu betreuen oder fällt das in den Bereich Eigenverantwortung?

Da spielen viele Faktoren eine Rolle. Zunächst muss der Spieler gewillt sein, nach links und rechts zu gucken. Es kommt natürlich darauf an, wie der Spieler behandelt wird. Meine Eltern haben mich gedrängt, mich mit jemandem zusammenzusetzen, damit ich das ganze Geld nicht mit beiden Händen ausgebe. Dann gibt es natürlich Berater, die den Spielern Luftschlösser bauen und ihnen sagen, sie wären die Besten und Tollsten und würden die nächsten Ronaldos werden. Bei den Vereinen hat sich schon etwas getan. Immerhin hat der FC, als ich vor meinem Karriereende dort gespielt habe, einigen Jungst Ausbildungsplätze bei Sponsoren vermittelt. Die haben das aber teilweise nicht ernst genommen und kurz vor Schluss abgebrochen. Da habe ich den Kopf geschüttelt. Aus einer A-Junioren-Bundesliga-Mannschaft schaffen es vielleicht ein oder zwei Spieler in die Profi-Bundesliga.

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Hoch bezahlte Profi-Fußballer haben oft eine Neigung zu einem ausschweifenden Lebensstil. Sehen Sie das auch bei unterklassigen Spielern?

Ja, ab und an. Für den zeitlichen Aufwand, der betrieben werden muss, verdienen Fußballer im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern auch schon in der Dritten Liga und teilweise der Regionalliga sehr gutes Geld. Viele von den Spielern haben dann Kontakte zu Fußballern, die in der Bundesliga spielen und richtig viel verdienen. Dann vergleicht man sich ein bisschen, dann holt man sich mal eher eine teure Uhr oder geht ständig teuer essen. Oder man geht nach Siegen feiern und lässt dann 300 Euro in der Disco. Das ist ja an sich auch völlig in Ordnung, das habe ich auch selbst gemacht. Aber irgendwann kommt der Punkt, wenn der Vertrag ausläuft und man monatlich viel weniger Geld bekommt – den Lebensstandard hat man ja trotzdem noch. Dann ist es wichtig, vorgesorgt zu haben. Denn als Regional- oder Drittliga-Spieler muss man irgendwann noch einmal arbeiten.

Bei der Vorsorge kommen Sie ins Spiel.

Ja, das ist Teil meiner Aufgabe, vor allem, weil ich viele Sportler betreue. Sie sollen dann – wenn es mal nicht nach Plan läuft – ein paar Monate oder ein halbes Jahr überbrücken können. Unsere Leistungen umfassen natürlich noch mehr: Altersvorsorge zum Beispiel, oder Finanzberatung. Dass der Spieler dann nicht unbedingt noch die fünfte teure Hose oder Uhr kauft. Wir stellen individuell für jeden Fußballer, also Kunden, Konzepte auf, dass er nach der Karriere im besten Fall etwas beiseitegelegt hat und sich nicht die Frage stellt: Wie soll ich jetzt meine Miete bezahlen?

Wie bringt man einem 18-Jährigen, der gerade seine erste Profi-Saison spielt und von der ganz großen Karriere träumt, bei, am besten jetzt an seine Altersvorsorge zu denken, damit er nicht unter Altersarmut leidet?

Man sieht hier ja an den Trikots im Büro, dass wir viel mit Fußballern arbeiten und darum auch immer gute Beispiele haben. Dann kann man sagen: „Guck mal, auch der Bundesliga-Profi macht was fürs Alter.“ Natürlich hat der andere Voraussetzungen. Aber er hat auch mal klein angefangen. Das sehen die meisten dann schon ein. Auch mit einem Minimal-Aufwand, 50 oder 100 Euro pro Monat, kann man einiges erreichen. Am besten sollten Fußballer in ihren zehn oder 15 Jahren, die sie auf dem Platz stehen können, so viel Geld zur Seite legen, wie sie einrichten können. Wir stellen deshalb auch viele frühere Fußballer ein. Sie kennen das System und können ihr Wissen weitergeben. Und man weiß natürlich, wie die Jungs ticken. Fußballer sind eine spezielle Spezies, die sind anders, als jemand, der im Büro arbeitet. Da haben wir in der Regel sofort einen besseren Draht zu ihnen, als vielleicht Banker ihn haben.

Hat die Corona-Krise zu mehr Anfragen von Fußballern nach einer Altersvorsorge geführt?

Man merkt, dass sich die Spieler bewusster sind, dass eine Karriere schnell zu Ende sein kann. Die Gefahr für unterklassige Profifußballer, in die Vereinslosigkeit zu rutschen oder deutliche Gehaltseinbuße hinnehmen zu müssen, ist viel größer geworden. Die Klubs sind auf Sponsoren-Einnahmen angewiesen. Und wenn die Sponsoren selbst über ein paar Monate kaum Geld einnehmen, dann werden sie auch sicher weniger an irgendeinen Sportverein weitergeben. Das hat einen Rattenschwanz. Und da ist der Spieler das letzte Glied in der Kette.

Werden die Gehälter in der Dritten Liga und der Regionalliga sinken?

Ja, auf jeden Fall. Oder die Kader werden kleiner. Es kommen also insgesamt weniger Spieler in den Vereinen unter. 20 oder 22 statt vorher 25 oder 27. So werden natürlich auch Personalkosten gespart.

Gibt es noch die Fälle von Fußballern, die ihr Geld einem dubiosen Berater anvertraut haben und es dann verschwunden war?

Zum Glück gibt es das nicht mehr so häufig. Aber es ist schon vorgekommen. Wenn dann ein Zweitliga-Profi hier sitzt und man ihn fragt: „Wo ist denn dein ganzes Geld?“ – „Weg, ich habe es meinem Berater gegeben und es ist nichts mehr von da.“ Da gibt es viele Geschichten über Schrott-Immobilien in Osteuropa. Da wollen wir etwas mehr Transparenz reinbringen und gleichzeitig die Fußballer schützen, dass solche Dinge nicht passieren. Da geht es um viel Geld, Fußballer haben oft viel Geld und geben gerne viel Geld aus.