Bei der Handball-WM in Polen und Schweden setzt Bundestrainer Alfred Gislason vor allem auch auf den vielseitigen Gummersbacher Julian Köster.
Handball-WMDer große Aufstieg des Julian Köster
In der Weltspitze tummeln sich Teams wie Weltmeister Dänemark, Olympiasieger Frankreich, Spanien, Schweden und Norwegen. Sie alle eint vor dem 28. Handball-Weltturnier in Polen und Schweden, dass sie auf so gut wie allen Positionen mit Weltklassespielern besetzt sind. Und deshalb im Turnier gewiss weit kommen werden. Im Vergleich zu dieser tief besetzten Kaderstärke fällt die Klasse des deutschen Teams durchaus ab.
Und es ist gewiss nicht nur vornehme Zurückhaltung, wenn Bundestrainer Alfred Gislason sich vor den an diesem Mittwoch mit der Partie Polen gegen Frankreich beginnenden Titelkämpfen keine Luftschlösser baut, sondern kleine Ziele ausgibt: „Es wäre schön, wenn wir den Fans eine Medaille schenken könnten. Wir sind aber nicht in der Position, das als Ziel auszugeben. Wir dürfen nicht träumen, sondern müssen realistisch bleiben.“
Hoffen auf das Viertelfinale
Insgeheim allerdings hofft Gislason auf den Einzug ins Viertelfinale, was ein Coup wäre für ein Land, das sich zwar durchaus zurecht als Handball-Nation versteht, das aber seit sieben Großturnieren keine Medaille mehr gewonnen hat. Und dennoch gibt es Hinweise darauf, dass sich unter Gislasons WM-Gesandten Spieler finden, die sein Team in Zukunft durchaus zu den aktuell führenden Nationen in dieser Sportart aufschließen lassen könnten.
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Zunächst einmal ist da Juri Knorr, 22 Jahre jung, jetzt schon beim Bundesliga-Tabellendritten Rhein-Neckar-Löwen gesetzt auf der Königsposition im zentralen Rückraum. Das ist er auch in Gislasons Team. Im jüngsten Test gegen Island, den das DHB-Team mit 33:31 gewann, erzielt Knorr 13 Tore. Gislason ist grundsätzlich begeistert von seinem Regisseur, auch wenn er noch leichtsinnige Fehler in seinem Repertoire hat: „Juri wird sehr wichtig sein für uns bei diesem Turnier und in der Zukunft. Er spielt konstant gut und übernimmt Verantwortung. Wir erhoffen uns viel von ihm.“
Das gilt uneingeschränkt auch für das zweite Großtalent im deutschen Kader, den von Gislason sehr geförderten Julian Köster vom VfL Gummersbach. Gislason ließ Köster, wie Knorr erst 22, schon im Vorjahr bei der EM vorspielen, wo er, damals noch mit Gummersbach in der zweiten Liga aktiv, in einem von Corona gebeutelten Team zu den auffälligsten Spielern zählte. Nun ist Köster wieder dabei, gereift um die Erfahrung von nunmehr 18 Bundesliga-Spielen, in denen er in seiner Doppelfunktion als herausragender Abwehrspieler und Schütze aus dem linken Rückraum 69 Tore warf.
Dessen Gummersbacher Trainer Gudjon Valur Sigurdsson, selbst einst ein Handballer der Weltklasse, gerät ins Schwärmen, wenn er über Köster spricht. Dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ sagte Sigurdsson: „Für einen jungen Spieler besitzt Julian schon eine sehr große Spielintelligenz. Er ist sowohl im Angriff als auch in der Abwehr sehr gut. Auch wenn er körperlich stark ist und seinen Körper gut einsetzt, löst er viele Situationen mehr mit Verstand als mit Kraft.“
Kurioserweise hat der ehrgeizige und lernwillige Köster derzeit mehr Länderspiele bestritten als Erstliga-Partien, aktuell sind es 19 Einsätze im DHB-Team bei 35 Toren. Neben dem wuchtigen Kapitän Johannes Golla soll der grazilere, dafür aber größere Köster – er misst zwei Meter – mit seinen langen Armen den Innenblock am Kreis stabilisieren. Denn das ist neben den Aktionen im Angriff Kösters eigentliche Stärke. „Julian ist eben ein kompletter Spieler“, sagt Sigurdsson. In den WM-Vorrunden-Spielen der deutschen WM-Auswahl im polnischen Kattowitz gegen Katar (Freitag), Serbien (Sonntag) und Algerien (Dienstag in einer Woche) hat auch Bundestrainer Gislason eine tragende Rolle für Köster vorgesehen.
Im Verein jedenfalls erfüllt der junge Spieler die Verantwortung, mit der Sigurdsson seinen Hochbegabten versieht. In der 18er-Liga hat sich der Aufsteiger auf Platz neun gespielt, nicht zuletzt dank Kösters Fähigkeiten hinten wie vorne, wo er einer der führenden Assistgeber der Liga ist. Kösters Vertrag in Gummersbach läuft noch bis 2025, an einen Wechsel denkt er derzeit nicht. Verein, Studien- und Wohnort in Köln passen für ihn gerade ideal, Köster studiert BWL. Angefangen hat Köster ebenfalls in der Region, beim TuS SW Brauweiler. Dort war seine erste Trainerin die Mutter des Leverkusener Fußballstars Florian Wirtz.
Über Brauweiler und Dormagen nach Gummersbach
Sein Talent fiel sehr bald in der Nachbarschaft auf, mit 15 wechselte Köster zu Bayer Dormagen, wo er sich weiter entwickelte und sich schließlich im Jahr 2020 dem VfL Gummersbach anschloss. Inzwischen ist er der Kapitän des Klubs, der einst so viele Titel sammelte. Was ihn mit großem Stolz erfüllt, angesichts der üppigen Ahnengalerie der Oberbergischen. Gislason setzt neben Knorr und Köster vor allem auf seinen derzeit sehr formstarken Torhüter Andreas Wolff, um vielleicht doch für eine Überraschung bei der WM sorgen zu können: „Wir gehören nicht zu den Favoriten, verfügen aber über Qualität.“
Nun vor allem auch in der Abwehr und im Rückraum dank zweier 22-jähriger Großtalente.