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Heide Ecker-Rosendahl über München 1972„Wir wussten nicht, was jetzt kommt”

Lesezeit 5 Minuten
Heide Ecker-Rosendahl München

Heide Rosendahl bei den Spielen 1972.

Heide Ecker-Rosendahl, bundesdeutscher Star der Spiele, über München 1972, ihre Triumphe und das Attentat damals in München .

Frau Ecker-Rosendahl, Sie waren in der vergangenen Woche bei den Leichtathletik-Europameisterschaften in München zu Gast. Haben die Titelkämpfe im Jahr 2022 Sie von der Stimmung her an die heiteren Olympischen Spiele 1972 erinnert?

Heide Ecker-Rosendahl Ja, auf jeden Fall. Das Gelände des Olympiaparks ist genauso geblieben, genauso schön. Und dieses Stadion… Es war einfach umwerfend toll, genau wie vor 50 Jahren. Es wundert sich jeder, wieso dort ein so großer Hall entsteht. Es muss das Zeltdach sein. Diese einmalige Stimmung bringt auch gute Leistungen, wie man gesehen hat. Es war überall schön, weil die Menschen so freundlich waren und gute Laune hatten. Obwohl es auch geregnet hat. Auch die anderen Sportler hatten eine wunderbare Stimmung und haben ja auch großartige Leistungen gebracht.

Sie waren bei der Siegerehrung der Weitspringerinnen im Einsatz – mit Silber für Malaika Mihambo.

Ich habe das Blümchen übergeben, Heike Drechsler hat die Medaillen überreicht. Und es gibt ein Foto mit Malaika, ihrem Trainer, Heike und mir, also ein Foto von drei Generationen Weitsprung, alle drei sind wir Olympiasiegerinnen. Malaika Mihambo hat einen tollen Wettkampf gemacht, obwohl sie sich angeschlagen fühlte. Sie hatte sogar überlegt, gar nicht zu starten – und sie ist trotzdem über sieben Meter gesprungen und hat Silber geholt.

Sie wurden 1972 in München im Weitsprung Olympiasiegerin, gewannen Silber im Fünfkampf und Gold mit der deutschen 4x100-Meter-Staffel. Als Schlussläuferin konnten Sie dabei den DDR-Star Renate Stecher bezwingen, damals die schnellste Frau der Welt. Daran erinnern Sie sich sicher gern.

Ja, das war eine der größten Herausforderungen meiner Karriere, gegen sie zu laufen. Und ich habe Herausforderungen geliebt, ich bin immer sehr gern in Wettkämpfe gegangen. Aus dem Startblock heraus hätte ich nie eine Chance gegen Renate gehabt. Aber in der Staffel mit dem fliegenden Start, da ging es.

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Die ersten beiden Medaillen haben Sie am Anfang der Spiele gewonnen, Staffelgold folgte am letzten Tag. Dazwischen lag der Anschlag auf die israelische Mannschaft. War es schwer, sich danach wieder auf den Sport zu konzentrieren?

Natürlich, es war ein einschneidendes Ereignis. Wir wussten nicht, was dieser Terror bedeutete. Heute kennt man Terroranschläge, weil es sie leider öfter gibt. Aber damals war es ganz fremd für uns. Wir wussten nicht, ob es jetzt einen Krieg gibt, was kommt jetzt? Diese Ungewissheit schlug dann irgendwann um in Wut darüber, dass man unsere Olympischen Spiele als Bühne für so etwas Schreckliches missbrauchte. Es hat uns sehr wütend gemacht, und wir haben gesagt: Jetzt machen wir weiter. Das war auch richtig so.

Es gab danach auch eine Morddrohung gegen Sie...

Ja, als ich von der Trauerfeier kam, wurde ich informiert. Es war wohl ein Trittbrettfahrer, man musste aber vorsichtig sein. Ich wurde zwei Nächte vom Olympischen Dorf in ein Hotel ausquartiert. Mein damaliger Freund und heutiger Ehemann ist aus Leverkusen gekommen und mit zu mir ins Hotel gegangen, damit ich da nicht allein war. Danach kam schon fast die Staffel.

Sie waren der Star der Spiele und 1972 auch Sportlerin des Jahres. Warum haben Sie ein Jahr später mit nur 26 Jahren ihre sportliche Laufbahn beendet?

Es waren verschiedene Gründe. Wir waren alle berufstätig, mit unserem Sport haben wir kein Geld verdient. Ich war Dozentin an der Sporthochschule, habe also unterrichtet und nebenher meinen Leistungssport betrieben. Und dann noch Familie – das hätte ich nicht unter einen Hut gebracht. Deshalb habe ich gesagt: Ich will auch Kinder und lasse die sieben Meter im Weitsprung sein.

Heute hätten Sie mit Ihrer Berühmtheit viele Sponsoren, damals war das nicht möglich?

Wir durften kein Geld mit dem Sport verdienen, den Amateurparagrafen für olympische Sportler gab es bis 1981. Und das wurde auch verfolgt. Es gab einmal eine Werbung in einer Zeitung mit einer Frau, die genauso zurecht gemacht war wie ich. Die gleiche Brille, die gleiche Uhr. Wenn man flüchtig hinschaute, konnte ich das sein. Ich hatte dann meine Schwierigkeiten zu erklären, dass ich das nicht war und dass ich dafür kein Geld bekam.

Ihre Bestleistung waren 6,84 Meter, was damals Weltrekord war. Die sieben Meter wären möglich gewesen?

Ich hatte Sprünge über sieben Meter, die waren leicht übergetreten, aber die Weite war schon drin. Der Reiz, dafür weiterzumachen, war für mich aber nicht groß genug. Ich wollte, wie gesagt, Kinder. Mein erster Sohn ist dann 1975 geboren worden, mein zweiter 1977.

Die Münchner Spiele waren die letzten, die in Deutschland stattgefunden haben. Könnten Sie sich vorstellen, dass es dort, wo die Stimmung nun wieder so gut war, noch einmal Olympia geben könnte?

Ich fände das super, aber ich würde es einfach einmal umdrehen. Vielleicht sollte das Internationale Olympische Komitee sich umschauen, wo es gute Sportstätten und Organisatoren für Olympische Spiele gibt, auf sie zugehen und versuchen, sie als Partner zu gewinnen, anstatt auf Bewerbungen zu warten. Ich fände das sehr vernünftig.Man könnte vorhandene Sportstätten benutzen und müsste sie nur ein wenig aufpäppeln.In München ist gerade alles super aufgepäppelt worden. Aber natürlich würde es dauern. Das nächste freie Datum wäre 2036 – nach 2024 Paris, 2028 Los Angeles und 2032 Brisbane.

Gibt es eigentlich Ihre Ringelsocken noch? Und die Nickelbrille, die Sie 1972 in München trugen?

Die Brille liegt irgendwo in einer Schublade, aber ich trage sie nicht mehr. Und von den Socken gibt es sicher noch ein paar Restbestände.

Das Gespräch führte Christiane Mitatselis.