- Auch die Kölner Haie sind von der Corona-Krise hart getroffen worden. Denn für Eishockey-Vereine sind Zuschauer-Einnahmen überlebenswichtig.
- Die Spiele des KEC finden in der Lanxess Arena statt. Die Mehrzweckhalle hat ebenfalls mit der Pandemie zu kämpfen.
- Im Interview sprechen Arena-Geschäftsführer Stefan Löcher und Haie-Geschäftsführer Philipp Walter über die Auswirkungen der Krise und Wünsche für die Zukunft.
Herr Löcher, wie viele Zuschauer hat die Lanxess-Arena wegen des Verbots der Großveranstaltungen in der Corona-Krise schon verloren?Stefan Löcher: Wir haben rund 160 Veranstaltungen verlegt mit circa 1,8 Millionen Menschen. Vorreiter waren wir, was Veranstaltungen unter den Corona-Hygieneschutz-Bestimmungen anbelangt. Wir haben mehr als 30 Veranstaltungen mit maximal 2400 Zuschauern durchgeführt. Das tun wir vor allem, um die Künstler und ihre Crews in Lohn und Brot zu halten.
Jetzt leiten wir darauf aufbauend den nächsten Schritt ein für Events mit 7000 bis 9000 Zuschauern. Es wird jeweils eine Variante für Konzerte und für Eishockey geben. Das Konzept werden wir in Kürze mit den Haien gemeinsam beim Gesundheitsamt einreichen – mit dem klaren Ziel, dass ab dem 13. November die DEL-Saison der Haie beginnt.
Herr Walter, in der letzten Saison hatten die Haie einen Schnitt von 13.333 Besuchern. Reichen Ihnen 7000 bis 9000?
Philipp Walter: Es geht darum, dass wir überhaupt vor Publikum spielen können. Und darzulegen, dass wir alle Themen abarbeiten können, die in der Schutzverordnung stehen: Nachverfolgung, Anreise, Wegeführung, Durchlüftung der Arena, Masken, Abstände, alles. Besucher von Eishockeyspielen in Köln haben seit Jahrzehnten nicht nur bei uns, sondern auch bei Weltmeisterschaften bewiesen, wie verantwortungsvoll sie als Publikum agieren. Wir reden von einer familienfreundlichen und gewaltfreien Sportveranstaltung.
Hinzu kommt, dass wir eine lokale Veranstaltung sind. Der durchschnittliche Anreiseweg unserer Dauerkartenfans liegt bei zwölf Kilometern. Tatsächlich ist es für mich nicht nachvollziehbar, warum beim Umgang mit Sportveranstaltungen teilweise strengere Maßnahmen gelten als bei anderen Veranstaltungen mit Publikum.
Herrscht generell Einigkeit in der DEL, wollen alle im November spielen?
Walter: Ja. Niemand will eine Eishockey-Liga, die kein Eishockey spielt. Es ist ganz klar unser gemeinsames Ziel, Mitte November zu starten.
Wie könnte ein Haie-Spiel konkret ablaufen?
Löcher: In der Arena werden verschiedene Sektoren, jeweils mit eigenem Sanitär- und Gastronomiebereich, gebildet. Dadurch gelangen die Besucher schnell zu ihren Sitzplätzen und kommen nicht mit Gästen anderer Sektoren in Berührung. Die Zuschauer werden beim Einlass registriert. Wir wissen genau, wer wo sitzt. Bis zum Sitzplatz trägt man den Mundschutz, am Sitzplatz kann er abgenommen werden.
Denn wir halten die Abstandsregeln auf den Tribünen durch eine Art Schachbrettmuster ein. Eine Personengruppe hat Abstand zur nächsten. Wir haben in der Arena ein Luftvolumen von 550.000 Kubikmetern, das wir stündlich nach oben wegsaugen. Es werden unglaubliche Luftmassen bewegt und durch Frischluft ersetzt. Das ist vergleichbar mit Open Air oder einem Flugzeug.
Stehplätze fallen weg?
Walter: Das Thema Stehplatz ist leider im aktuellen Hygienekonzept nicht abzubilden. Viele Fans signalisieren uns, dass sie jeden gemeinsamen Weg mit uns mitgehen wollen. Es geht darum, dass wir es schaffen, ab Mitte November zu spielen. Eine ganz wichtige Frage ist für mich: Welche Rolle kann Sport in dieser Krise übernehmen?
Frau Merkel hat gerade betont, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt zu wahren ist. Sport kann hier eine fantastische Rolle spielen, denn er stiftet Identität und bringt Menschen zusammen. Politiker sagen das oft. Jetzt können sie unter Beweis stellen, dass sie es ernst meinen.
Fühlen Sie sich in der Krise ausreichend von der Politik gewürdigt?
Walter: Die NRW-Landesregierung hat besonnen reagiert. Wir, Vertreter der DEL-Vereine aus NRW und DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke, hatten in Düsseldorf ein Treffen mit Frau Milz (NRW-Sportstaatssekretärin, d. Red.) und verschiedenen Landtagsabgeordneten. Das war ein sehr guter Austausch. Ich vertraue darauf, dass die Politik unsere Probleme erkannt hat und es auch in Lösungen mündet. Es geht um sehr viel.
Eishockey, Handball, Basketball, Volleyball, die großen Hallensportarten, generieren einen riesigen Teil ihrer Budgets an Spieltagen. Dazu gehören bei uns nicht nur das Ticketing, sondern auch Einnahmen wie Merchandising. Die Arena lebt an den Spieltagen von der Gastronomie. Die Zeit drängt. Wir brauchen Lösungen und eine klare Perspektive.
Es soll laut Bundesregierung einen Arbeitskreis auf Ebene der Staatskanzleien geben, der analysiert, wie Sport mit Zuschauern wieder stattfinden kann. Die Ergebnisse sollen Ende Oktober präsentiert werden. Zu spät für die DEL?
Walter: Das würde für uns zeitlich nicht reichen. Rein organisatorisch kann man einer Profisport-Liga nicht erst zwei Wochen vorher sagen, ob sie mit Zuschauern spielen kann. Dessen ist sich die Politik bewusst. Gernot Tripcke und DEB-Präsident Franz Reindl sind meiner Ansicht nach dafür prädestiniert, den Eishockeysport in dieser Arbeitsgruppe zu vertreten.
Geisterspiele sind für die Haie absolut keine Option?
Walter: Auf längere Sicht ist das wirtschaftlich ohne finanzielle Unterstützung nicht darstellbar. 50 bis 60 Prozent unseres Budgets machen die Ticketerlöse aus. Plus spieltagbezogene Einnahmen. Es wären massive Einbrüche. Wir haben keine so hoch dotierten Fernsehverträge wie der Fußball. Die TV-Einnahmen sind ein geringer einstelliger Prozentsatz des Haie-Budgets. Deshalb kämpfen wir so sehr dafür, dass wir mit verantwortungsvollen Zuschauer-Konzepten in die Saison starten können.
Es geht nicht nur um die Profis, sondern auch um die Junghaie. Wenn es den Profis schlecht geht, leidet die Jugendabteilung. Der Spitzensport hat auch eine herausragende Strahlkraft in den Breitensport, was Nachwuchsförderung angeht. Darüber sollten sich alle bewusst sein, die gerade die Entscheidungen treffen. Eine Stadt wie Köln mag ich mir nicht ohne die Haie vorstellen. Es geht nicht nur um Tradition, sondern auch um sehr viele Arbeitsplätze.
Löcher: Die Arena hat 450, die Veranstaltungsbranche landesweit 1,5 Millionen Mitarbeiter. Mit mehr als 130 Milliarden Umsatz. Wenn Großveranstaltungen sogar bis zum 31.12. verboten sind, sind wir die extrem getroffene und betroffene Branche. Die Lanxess-Arena wird in diesem Jahr 20 Millionen Verlust machen. Denn uns ist die Geschäftsgrundlage entzogen worden.
Walter: Unser Geschäftsmodell ist momentan verboten. Im Profi-Eishockey kommt das einem Berufsverbot gleich.
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Was wünschen Sie sich?
Löcher: Neben den ganzen Verboten, die berechtigt waren, müssen jetzt Perspektiven aufgezeigt werden. Auf lange Sicht kann es so nicht weitergehen. Denn dann stirbt eine ganze Branche aus. Wir müssen darüber sprechen, wie wir unsere Zuschauerzahlen in verantwortlicher Art sukzessive erhöhen können. Wir sind im Austausch mit der Landesregierung, wie das wissenschaftlich begleitet werden kann. Und ich wünsche mir auch monetäre Unterstützung in Form von Zuschüssen, um den Umsatzverlust zumindest teilweise auszugleichen.
Walter: Ich wünsche mir, dass wir gemeinsam mit der Politik differenziert die nächsten Schritte angehen. Und dass wir nicht weiter in Verboten denken, sondern in Lösungen. Wir müssen weg vom Alarmismus hin zum Pragmatismus.