Die Kölner Bob-Anschieberin Leonie Fiebig will bei den Winterspielen 2026 Olympiapremiere feiern – zuvor steht sie als Sportlerin des Jahres zur Wahl.
Bob-WeltmeisterinLeonie Fiebig hadert mit Köln – und bleibt der Stadt dennoch treu
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Leonie Fiebig (links) und Pilotin Kim Kalicki bei der Bob-WM Anfang März 2024 in Winterberg
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Karneval muss Leonie Fiebig in diesem Jahr sausen lassen – wieder einmal. Die Sessionstermine kollidieren mit dem Wettkampfkalender der erfolgsverwöhnten Bobsportlerin, die wie kaum eine andere „dat kölsche Hätz“ nach außen trägt. Bei jedem Rennen blitzen die rot-weißen Socken – eine mit weißen Herzen auf rotem Hintergrund, eine genau umgekehrt – unter ihrem Rennanzug hervor. Doch jeck hin oder her, der Zoch muss ohne sie fahren.
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Ein seltenes Bild: Leonie Fiebig beim Rosenmontagszug in Köln
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„Jedes Mal blutet mein Herz, aber man muss Prioritäten setzen“, sagt die Wintersport-Exotin aus Köln. Und die liegen klar auf dem Sport. Anfang Februar gewann Fiebig gemeinsam mit Pilotin Kim Kalicki die Silbermedaille bei den Europameisterschaften in Lillehammer, zwei Hundertstel trennten sie von Gold. Neben „riesiger Freude“ sei bei dem knappen Ergebnis auch ein anderes Gefühl mitgschwungen: „Das ist natürlich kurz ärgerlich. Daran merkt man aber auch, wie weit man gekommen ist.“
Leonie Fiebig ist bei der Kölschen SportNacht in der Kategorie Sportlerin des Jahres nominiert
Im Zweierbob gewann das Duo Kalicki/Fiebig schon einmal den Weltmeistertitel. „2023 war das – übrigens auch das einzige Jahr in meiner Karriere, als es mit dem Karneval klappte“, erzählt Fiebig, die ihre Goldmedaille auf dem Wagen von Zugleiter Holger Kirsch feierte. Bei der Kölschen SportNacht wurde sie damals außerdem als Sportlerin des Jahres ausgezeichnet. Jetzt ist sie wieder nominiert, für WM-Bronze 2024. Doch der Anspruch sei eigentlich höher. „Wenn es uns gelingt, unser ganzes Potenzial abzurufen, können wir ganz oben stehen.“
Das sind ambitionierte Ziele für eine Saison, die nicht besonders gut gestartet war. Seit Herbst hatte Fiebig mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Ein Ärztemarathon durch die Republik war die Folge. Den Saisonstart im Dezember verpasste sie. „Die Dysbalance in den Griff zu kriegen und wieder als verlässliche Größe zurückzukommen, war fast anstrengender als das normale Weltcup-Geschehen“, erzählt sie.
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Mehr als Teamkolleginnen: Leonie Fiebig (mit rot-weißen Handschuhen) jubelt mit Freundin und Pilotin Kim Kalicki.
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Glücklicherweise habe sie währenddessen auf den Rückhalt ihrer Pilotin zählen können – nicht nur kollegial, sondern auch freundschaftlich. „Wir verbringen so viel Zeit zusammen: Essen, Schlafen, Trainieren, Bobfahren. Ich bin froh, dass es auch menschlich zwischen uns passt.“ Zusammen wollen sie bei den Olympischen Spielen 2026 in Italien angreifen. Mit dann 35 Jahren könnte es für Fiebig die ersehnte Olympiapremiere werden. Bei den Spielen in Peking blieb sie als Ersatzfrau noch ohne Einsatz. „Ich habe jeden Rückschlag genutzt, um daraus etwas mitzunehmen. Alles für das große Ziel“, sagt sie nun mit Blick auf Cortina d'Ampezzo.
Von der Leichtathletik zum Bob
Dass sie überhaupt einmal Teil des Olympiakaders – noch dazu im Bobsport – werden würde, war die meiste Zeit ihres Lebens keine vorstellbare Option. Fiebig gilt als Späteinsteigerin, erst als 27-Jährige entdeckte sie den Eiskanal für sich. Unter Bobfahrerinnen und Bobfahrern ist das nicht unüblich, viele wechseln aus der Leichtathletik in den Schlitten. So auch die Kölnerin, die als Sprinterin unter anderem für die Staffel der Sporthochschule im Endlauf der Deutschen Meisterschaften stand.
Auch jetzt dreht sich alles ums Laufen. „Als Anschieberin darfst du dir keinen Fehler erlauben“, sagt Fiebig. „Es sind nur fünf Sekunden, in denen alles zu 100 Prozent sitzen muss: jeder Schritt, jedes Handumgreifen, das Hereinspringen, das Hinsetzen.“ Über eine Strecke von 30 bis 50 Metern ist sie dafür verantwortlich, den Schlitten auf dem Eis in Gang zu bringen. Dann übernimmt Kalicki. Wie alle Bobpilotinnen und -piloten ist sie das Gesicht des Ensembles. Der Job von Fiebig werde dagegen manchmal unterschätzt, obwohl der Anschub ein Drittel der Leistung ausmache.
Das Training für diese alles entscheidenden Momente absolviert Fiebig zu großen Teilen in Köln. Hier wohnt sie noch immer, in einiger Entfernung zu den deutschen Leistungszentren. Umzuziehen reize sie nicht, obwohl die Trainingsbedingungen in Köln zu Wünschen übriglassen: „Hätte ich am Anfang gewusst, welche Hürden auf mich zukommen würden, hätte ich vielleicht über einen Wechsel nachgedacht.“
Auch als Weltmeisterin habe sie mit den üblichen Problemen der selbsternannten „Sportstadt“ zu kämpfen: geschlossene Hallen, gesperrte Bahnen, Wasserschaden im Kraftraum. Nicht nur die kölsche Sport-Infrastruktur hinke anderen Kommunen hinterher. Auch in Sachen Sportförderung sieht Fiebig Optimierungsbedarf.
Ehrenamtlich setzt sie sich als eine der treibenden Kräfte im „Verbund Kölner Athleten“ für die Sichtbarkeit und die finanzielle Unterstützung von Sportlerinnen und Sportlern ein. So richtig bewegen sich die Verantwortlichen aus der Stadt aber noch nicht, es laufe eher schleppend, erzählt sie. „Da bin ich auch ein bisschen enttäuscht drüber, dass das in Köln nicht möglich scheint.“
An ihrer Liebe zur Stadt ändert das wohl nichts. Ihre Glücksbringer-Socken wird sie so schnell nicht ersetzen und auch die Köln-Flagge hat sie für potenzielle Siegerfotos immer dabei. „Es ist halt Köln“, sagt Leonie Fiebig. Wat wellste maache?