Mit seinem eigenen Element machte sich Thomas Brüsewitz einen Namen in der internationalen Reitszene – und ist nun in zwei Kategorien bei der Kölschen SportNacht nominiert.
Kölner WeltmeisterVoltigierer Thomas Brüsewitz ist ein Künstler auf dem Pferd
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Artistische Glanzleistung hoch zu Pferd: Thomas Brüsewitz
Copyright: IMAGO/Stefan Lafrentz
Wo gibt es sie nicht – Vorurteile? Vor allem im Sportkosmos sind sie weit verbreitet, dem Pferdesport gegenüber erst recht. Reiten ist kein richtiger Sport, das Pferd macht doch die Arbeit. Reiter gelten als reiche Schnösel. Und Voltigieren ist nur etwas für Mädchen.
Der Kölner Thomas Brüsewitz, Thommy genannt, bricht so ziemlich mit jedem dieser Klischees. Als mehrfacher Weltmeister im Voltigieren performt er auf seinem galoppierenden Pferd Küren, die die meisten selbst am Boden und mit dreifacher Hilfestellung nicht turnen könnten. Sieht man ihn Aktion, klärt sich die Frage nach dem sportlichen Talent von allein.
Thomas Brüsewitz macht sich mit einzigartigem Kür-Element einen Namen
In der Voltigier-Szene machte sich Brüsewitz 2018 mit einem frei gesprungenen Rückwärts-Flick-Flack einen Namen – ein Element, das niemand jemals vor ihm zeigte. An die große Glocke hängt er seine Leistung aber nicht. „Ich fände es abgehoben, zu sagen, ich sei innovativ.“ Mutig treffe es vielleicht, sagt er. Und athletisch sei er, das habe ihn an die Spitze gebracht.
„Was mich am Voltigieren fasziniert, ist die Vielfältigkeit. Jede Komponente zählt“, so der Athlet vom Voltigierverein Köln-Dünnwald, der den Sport schon als Kind durch seine Geschwister für sich entdeckte. „Kraft, Ausdauer, Koordination – und dann haben wir noch den Part Musik dabei.“
Weltmeister mit dem Kölner „Team Norka“, Silber im Nationenpreis, Bronze im Einzel
Zu Michael Jacksons „Dangerous“ gewann er im Sommer 2024 WM-Bronze im Einzelvoltigieren, hinzu kam Silber mit dem deutschen Team im Nationenpreis. Mit seinen Kölner Vereinskolleginnen und -kollegen, dem „Team Norka“, veredelte er das Championat in Bern mit der Goldmedaille im Mannschaftswettbewerb – bei der Kölschen SportNacht ist er damit als Sportler und Mannschaft des Jahres zur Wahl nominiert.
Die Doppelbelastung in der vergangenen Saison war ursprünglich aber nicht geplant. Der 30-Jährige hatte seine Team-Karriere offiziell 2022 beendet, konzentrierte sich aufs Einzel. „Doch dann verletzten sich zwei meiner Kameraden und ich wurde wieder zurück rekrutiert“, erzählt Brüsewitz.
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Mit seiner Kür zu Michael Jackson gewann Brüsewitz auf dem Pferd William WM-Bronze im Einzel. Im Nationenpreis (Silber) und mit dem Team (Gold) komplettierte er den Medaillensatz.
Copyright: Jürgen Rengel
Zur Vorbereitung blieb wenig Zeit. Eigentlich werde die Kür im Vorjahr geplant, doch er sei erst im Februar dazugestoßen. Bei sechs Voltigiererinnen und Voltigierern, von denen zeitweise drei gleichzeitig mit Hebefiguren, Sprüngen, Auf- und Abgängen auf dem Pferd turnen, brauche es viele gemeinsame Trainingsstunden. „Das ist schon viel Arbeit, jeder kriegt seinen Part, alles muss zusammenpassen.“
Die Bedingungen in Köln geben das her. Als reiner Voltigierverein sei der Klub in Dünnwald deutschlandweit einzigartig, sagt der gebürtige Hannoveraner. 2017 war er von seiner niedersächsischen Heimat ins Rheinland gezogen. Auf dem Papier sei das Studium an der Deutschen Sporthochschule zwar der Hauptgrund gewesen – das Voltigierherz hatte an der Entscheidung wohl aber auch einen entscheidenden Anteil.

Thomas „Thommy“ Brüsewitz startet für den Voltigier Verein Köln-Dünnwald
Copyright: Janne Ahrenhold
Rund 20 Stunden in der Woche verbringt der Sporttherapeut nun neben Masterstudium und Arbeit auf dem Vereinsgelände. Neben Reithalle, Dressurviereck und Springplatz gibt es dort einen Kraft- und einen Gymnastikraum. Mit der Sprunggrube und blauen Sportmatten erinnert der fast an einen Turnverein – nur der elektrisch steuerbare Pferdedummy verrät den eigentlichen Hintergrund. „Hier werden die Küren entwickelt und viel geprobt“, erklärt Brüsewitz.
Lediglich zweimal in der Woche voltigiere er auf William, dem Pferd, mit dem er auch WM-Bronze gewann. Doch rund um seinen tierischen Sportpartner fallen andere Arbeiten an: „Stall machen, mit dem Pferd joggen gehen.“ Es sei viel mehr als nur die Einheiten an der Longe.
Mögliches Karriereende 2026 beim CHIO in Aachen
„Kohle“, sagt Brüsewitz, mache er trotz des Zeitpensums mit alledem nicht. „Das ist ein reines Herzensding.“ Weil ihm der Wettkampfsport noch nicht genug ist, tauchen er, sein Bruder Viktor und deren Quasi-Bruder Jannik Heiland als „Brüsewitz-Brüder“ von Zeit zu Zeit ins Showgeschäft ein, etwa mit Aufführungen bei Gala-Abenden. „Das ist natürlich alles etwas lockerer als bei Turnieren, man kann besser mit dem Publikum interagieren und bekommt direkt Resonanz. Gerade macht es mir sogar ein bisschen mehr Spaß als die Wettkämpfe“, sagt er.
So langsam ist Brüsewitz aber in einem Alter, in dem er sich auch mit dem Karriereende beschäftigt. „Wenn ich ans Aufhören denke, wird mir wohl das Training am meisten fehlen. Mir macht es einfach total Spaß, auf ein Ziel hinzuarbeiten“, sagt der Kalker.
Und das ist langfristig klar gesteckt: Der CHIO in Aachen, eines der renommiertesten Reitturniere weltweit, fungiert 2026 gleichzeitig als Reit-WM. „Vor fast zehntausend Menschen und unzähligen Deutschlandflaggen ins Deutsche-Bank-Stadion einzulaufen, ist schon etwas Besonderes“, weiß Brüsewitz aus Erfahrung. „Der Ansporn ist es, in Aachen tschüss zu sagen“ – am besten mit einer weiteren Medaille.