Amanda Wysocka ist mit ihrem Verein und der Nationalmannschaft auf Erfolgskurs. Wie die Kommunikation auf und neben dem Platz funktioniert.
Viktoria KölnGehörlose Stürmerin Amanda Wysocka ist gefährlichste Torjägerin der Bezirksliga
Mit konzentriertem Blick sprinten Amanda Wysocka und ihre Teamkolleginnen durch den Regen des Höhenberger Sportparks. Acht intensive Läufe, dazwischen zehn Sekunden Pause. „Kommt Mädels, einer noch, alle ziehen durch“, schreit Julie van Vügt, Co-Trainerin der Bezirksliga-Mannschaft, über den Trainingsplatz.
Von den Anweisungen hört Amanda Wysocka weniger als ihre Mitspielerinnen. Sie ist taub – was aber eigentlich nichts zur Sache tut. Viel wichtiger: Mit ihren Toren hält sie die Viktoria-Frauen, die in der vergangenen Saison noch in der Kreisklasse spielten, derzeit an der Tabellenspitze. 19 Treffer in acht Spielen, mit dieser Bilanz führt die 22-Jährige die Torjägerinnen-Tabelle der Bezirksliga an.
„Ich habe tolle Mitspielerinnen, die mir hervorragende Vorlagen geben“, erklärt Wysocka bescheiden. „Das ist ganz Amanda-typisch“, sagt Marcus Rottkirchen, der Coach, der sie im Sommer nach Höhenberg holte. Im Mittelpunkt zu stehen, das sei nicht ihr Ding. Sie wolle einfach nur Fußball spielen.
„Vom ersten Tag an war es, als ob sie schon immer dabei gewesen wäre. So eine Spielintelligenz, die haben nur wenige“, sagt er. Genauso wie van Vügt: „Amanda ist unsere Goalgetterin. Es macht so viel Spaß, ihr von der Seitenlinie aus zuzugucken. Diese Aktionen passieren meist aus dem Affekt heraus, durch dieses Talent, durch die Leidenschaft, die man ihr beim Fußball ansieht. Und das tut unserem ganzen Spiel unglaublich gut.“
Frauen-Mannschaft von Viktoria Köln peilt langfristig Regionalliga an
Gut tut das auch den Plänen der Höhenbergerinnen. Das erklärte Saisonziel: Aufstieg in die Landesliga, am besten auch noch den Pokal gewinnen. Langfristig liebäugelt das erst 2023 gegründete Frauenteam des FC Viktoria Köln mit der Regionalliga West.
Als sich der Verein für die ambitionierten Ziele nach einer Stürmerin umsah, wurde er in Wysocka fündig. Und die hatte nach einem Jahr Pause vom Großfeld „Lust, wieder Fußball zu spielen“, erzählt sie. Eigentlich schlage ihr Herz aber auch für Futsal, die Hallenfußballvariante. „Das Feld ist kleiner, man muss mehr laufen und sprinten und ist häufiger am Ball, was den Spaß erhöht.“
Im Fünf-gegen-Fünf sorgt sie dort als Flügelspielerin – im Futsal wird das „Ala“ genannt – für Torchancen. Alas, das sind die kreativen Arbeiter im Spiel. Diejenigen, die in der Bewegung ohne Ball freie Räume schaffen. Vielleicht ist es genau das, was sie auch im Sturm von Viktoria so gefährlich macht: „Sie spielt fast beflügelt, irgendwie frei als Spielerin“, beschreibt van Vügt. „Ehrgeizig, aber nicht verbissen.“
Bronze bei den Weltmeisterschaften und Deaflympics
So sehr Wysocka nun hinter ihrer neuen Mannschaft und den Aufstiegsvisionen steht, ihre größten Erfolge feierte sie zuletzt trotzdem in der Halle. Als Teil der Nationalmannschaft der Gehörlosen gewann sie schon 2019 – damals mit gerade einmal 17 Jahren – Bronze bei den Weltmeisterschaften in der Schweiz. Mit dem Gehörlosen-Turn- und Sportverein (GTSV) Essen holte sie 2020 den Titel in der Deaf (englisch für taub) Champions League, 2022 landete die Mannschaft auf dem dritten Rang.
Bei beiden Turnieren wurde Wysocka als beste jüngste Spielerin ausgezeichnet. Im März dieses Jahres feierte sie den nächsten großen internationalen Erfolg. Bei den Deaflympics, dem Olympia-Pendant des Gehörlosensports, gewann das Team überraschend die Bronzemedaille. „Es war ein unglaubliches Erlebnis, für Deutschland zu spielen“, erzählt die Fachabiturientin. Daran wolle sie im kommenden Juni bei den Weltmeisterschaften anknüpfen.
Bis dahin liege die Priorität auf ihrem Einsatz für den FC Viktoria Köln – und da könnte es ja kaum besser laufen. Dreimal wöchentlich steht sie nun abends in Höhenberg auf dem Platz, zusätzlich geht sie ins Fitnessstudio und laufen. Nebenbei unterrichtet sie Gebärdensprache. Eigentlich sei sie aber auf der Suche nach einer Ausbildung, am liebsten im Sportbereich, sagt sie.
Dass Amanda Wysocka taub ist, spiele beim Fußball kaum eine Rolle. Erkennen könne man die Behinderung auf dem Platz höchstens an ihren beiden Hörgeräten, sagt Rottkirchen. Nur bei Regen könne sie die nicht tragen. „Da brauche ich Augenkontakt und muss von den Lippen ablesen“, erklärt die Stürmerin. „Amanda ist eben keine laut sprechende Person. Die Verständigung klappt trotzdem“, sagt Rottkirchen.
Auch durch die Unterstützung ihrer Mitspielerinnen, vor allem einer: ihrer Freundin und gehörlosen Nationalmannschaftskollegin Claire Alfes, die schon länger Teil des Viktoria-Kaders ist. Der Unterschied zwischen den beiden jungen Frauen: Während Wysockas Eltern ebenfalls schwerhörig sind, wuchs Alfes in einer hörenden Familie auf. Deshalb gebärde die Freundin weniger und rede mehr. „Die beiden sind unzertrennlich, sind immer auf dem Platz zusammen und kommunizieren in Gebärdensprache miteinander“, sagt Rottkirchen.
Im Spiel profitieren Wysocka und Alfes ebenfalls voneinander: Die beiden spielen auf der gleichen Seite, Amanda links in der Offensive und Claire in der Defensive. „Zusammen sind sie eine riesige Stütze für die Mannschaft“, so der Trainer – ob hörend oder nicht.
Anfang November gab der FC Viktoria Köln die Trennung von Trainer Marcus Rottkirchen bekannt. Für die restliche Hinrunde übernehme die sportliche Leiterin Marina Buschinski das Amt.
„Zunächst möchte ich mich bei Marcus für die Zusammenarbeit bedanken“, so Buschinski. „Er war unser Frauen-Trainer der ersten Stunde, war sehr engagiert und hat den Aufstieg in der Premieren-Saison begleitet. Nun aber haben sich bei Marcus neue Wege angebahnt, dafür wünschen wir ihm alles Gute.“
Rottkirchen trat das Traineramt im vergangenen Sommer an, leitete die Viktoria-Frauen in der Premieren-Saison aus der Kreisliga in die Bezirksliga. Dort führt das Team die Tabelle nach acht Spielen an (19 Punkte).
Die Suche nach einem neuen Trainer laufe, heißt es auf der Website des Vereins.