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SC West Köln-Trainer nach Prügel-Eklat„Ich hätte mit härteren Strafen gerechnet“

Lesezeit 5 Minuten
Fußball
SV Schlebusch - SC Fortuna Köln II

TR: Andre Otten (Köln)

Foto: Uli Herhaus

André Otten ist Trainer des SC West Köln

André Otten ist Trainer des SC West Köln. Anfang November war einer seiner Spieler in eine Schlägerei verwickelt, woraufhin die Partie abgebrochen wurde.

Anfang November wurde das Spiel in der Fußball-Bezirksliga 1 zwischen dem TV Hoffnungsthal und dem SC West Köln vom Schiedsrichter beim Stand von 2:2 kurz vor Schluss nach einer Schlägerei abgebrochen. Beide Mannschaften wurden daraufhin vom Spielbetrieb ausgeschlossen. Inzwischen wurden die Kollektiv-Strafen in Individual-Strafen für die beiden Haupttäter umgewandelt. André Otten, Trainer des SC West, spricht über den Eklat und seine Folgen.

Herr Otten, wie haben Sie die Vorfälle mit Ihrer Mannschaft aufgearbeitet?

Wir haben aus den Vorfällen Konsequenzen gezogen. Im Winter werden wir uns von dem Spieler, der in die Schlägerei verwickelt war, trennen. Nicht, weil wir die Schuld an ihm festmachen wollen. Vielmehr wollen wir den Spieler schützen. Er bringt eine sportliche Qualität mit, die für die Bezirksliga überdurchschnittlich ist. Er stand immerhin schon einmal in Viktoria Kölns Drittliga-Kader. Wir haben befürchtet, dass er hier in der Liga der Gejagte werden würde, wenn er bei uns bleibt. Dass er immer wieder von den Gegenspielern gezielt provoziert werden könnte. Wir werden ihm bei der Vereinssuche helfen und gucken, dass wir ihn irgendwo höherklassig unterkriegen.

Ihr Spieler und der Spieler des TV Hoffnungsthal wurden jeweils für zehn Partien gesperrt. War Ihr Spieler einsichtig, was sein Fehlverhalten angeht?

War er schon, ihm sind die Sicherungen durchgebrannt. Allerdings hat er es als eine Art Notwehr angesehen, weil er zuerst attackiert wurde. Und da war es schwer für ihn, einen kühlen Kopf zu bewahren. Auf eine Aktion gab es die Reaktion.

Das Spiel wurde vom Verband als Niederlage für beide Mannschaften gewertet. Sind Sie einverstanden mit der Entscheidung?

Ich sage mal so: Was will man dagegen machen? Komplett verstehen kann ich es aber nicht, immerhin waren wir nicht der Auslöser von der ganzen Aktion. Aber wir müssen damit leben.

Es war das Heftigste, das ich je erlebt habe
André Otten über die Schlägerei in Hoffnungsthal

Sie sind seit mehr als 20 Jahren im Amateurfußball unterwegs, zunächst als Spieler, nun als Trainer. Haben Sie zuvor schon einmal eine ähnliche Eskalation auf dem Platz erlebt?

Es war das Heftigste, das ich je erlebt habe. Vorher gab es so etwas in keinem Spiel, an dem ich irgendwie beteiligt war. Nur als Zuschauer habe ich etwas Vergleichbares gesehen, das war sogar noch extremer.

Wie hat sich aus Ihrer Sicht seit dem Beginn Ihrer Laufbahn das Verhalten von Spielern, Verantwortlichen und Zuschauern auf dem Fußballplatz entwickelt?

Diese Disziplin, die es früher mal gab, ist nicht mehr da. Ich denke, dass es generationsbedingt ist. Das hört man auch immer wieder, nicht nur beim Fußball. Der Respekt voreinander ist teilweise verloren gegangen. Und die Hemmschwelle zur Gewalt ist viel niedriger. Alles ist irgendwie unentspannt. Als ich angefangen habe, gab es natürlich auch Trashtalk auf dem Platz, das ist beim Fußball Gang und Gebe. Aber nach dem Spiel wurde darüber gelacht, weil man wusste, dass man den Gegenspieler nur etwas aus der Ruhe bringen wollte. Heute hört man auf dem Platz: „Ich kriege dich später!“


Zur Person: André Otten (42), ist hauptberuflich Abteilungsleiter bei einem mittelständigen Gebäudedienstleister. Den SC West trainiert der gebürtige Kölner seit 2022. Als Spieler war Otten u.a. für Viktoria Köln, den FC Junkersdorf, die SG Worringen sowie die Reserve des SC Fortuna aktiv.


Kann der Fußballverband da irgendwie gegensteuern?

Ich glaube, dass die Strafen für Handgreiflichkeiten noch drastischer sein müssen. Gerade die Verursacher müssen härter bestraft werden. Ich war darum auch überrascht, dass beide Spieler zunächst einmal gleich bestraft wurden und dann auch mit einer verhältnismäßig geringen Strafe davongekommen sind. Ich hätte mit etwas Härterem gerechnet. Erst einmal war das Sportgericht ja doch drastisch in seiner Entscheidung, beide Teams aus dem Spielbetrieb zu nehmen. Darum dachte ich vor dem Urteil für unseren Spieler: Alles unter einem halben Jahr Sperre ist top. Und beim Hoffnungsthaler habe ich damit gerechnet, dass er mindestens für ein Jahr raus ist.

Das hätte für Sie dann eine abschreckende Wirkung gehabt?

Ja, auf jeden Fall.

Am Sonntag darf der SC West nun wieder antreten, es geht zu Blau-Weiß Köln (15.15 Uhr). In welcher Verfassung ist Ihr Team?

Wir sind mies in die Saison gestartet, mit sechs Niederlagen in Folge. Dann sind wir aber eigentlich gut in einen Flow gekommen und haben aus den letzten Spielen fast das Maximum an Punkten geholt, auch weil einige erfahrene Spieler aus Verletzungen zurückgekommen sind. Gegen Hoffnungsthal hätten wir vielleicht auch noch das Siegtor schießen können. Ich sehe uns fußballerisch auf einem guten Weg.

Dennoch trennen den SC West nur zwei Punkte von einem Abstiegsplatz. Das Saisonziel ist der Klassenerhalt?

Ja, auf jeden Fall. Aber das war auch zu Saisonbeginn klar. Mehr geben unsere Möglichkeiten nicht her. Ein Beispiel: Bei uns spielen die Jungs mehr oder weniger umsonst Fußball. Es gibt ein Budget für die Mannschaft. Da wurde vorher mit allen Spielern besprochen, was mit dem Geld gemacht werden soll. Letztlich haben sich die Jungs dann Klamotten davon gegönnt und spielen für umme.

Also ist mehr als die Bezirksliga für den SC West, einen von Kölns traditionsreichsten Vereinen, mittelfristig nicht möglich?

Nein, wir sind komplett auf die Jugend angewiesen. Das wird für die nächsten Jahre wohl auch so bleiben. Wir können jungen Spielern im ersten Seniorenjahr sehr viel Spielzeit ermöglichen. Wir haben jeden Sonntag minimum fünf 19-Jährige in der Startelf. Das sieht man sonst fast nirgends, meistens sitzen die 19-Jährigen auf der Bank. Damit können wir bei jungen Spielern punkten. Etablierten Kickern haben wir hingegen kaum etwas zu bieten. Klamotten oder eine schöne Vereinslage sind keine Argumente bei Spielern, die über Jahre hinweg gutes Geld verdient haben. Aber ich finde unseren Weg nicht verkehrt. Im Gegenteil, es macht mir großen Spaß. Allein, weil du nie das Thema Geld als Problem in der Kabine hast. Und wir haben, obwohl wir nix zahlen, eigentlich eine gute Qualität im Kader.