KommentarNiklas Kaul – ein junger Held im Trümmerfeld der Leichtathletik
Köln – Niemand konnte ahnen, dass aus dem Trümmerfeld der modernen Leichtathletik, die im moralischen Niemandsland von Katar ihre eigene Totenmesse abhält, ein junger deutscher Held emporsteigt. Er hat sich mit den Tapfersten seiner Zunft in einem zweitägigen Allkampf gemessen und sie alle bezwungen. Daran hat ihn weder seine Jugend gehindert, noch die Demut, mit der er diese zehnteilige Aufgabe begann.
Das Verstehen hatte am Abend des Sieges noch nicht eingesetzt bei Niklas Kaul (21), dessen Eltern, die zugleich seine Trainer sind, auf der Tribüne vor laufenden Kameras die Tränen unterdrücken mussten. Es wird aber nicht lange dauern können mit dem Verstehen, denn diese beiden Tage von Doha haben einen außerhalb der Leichtathletik unbekannten jungen Mann zu einem Star gemacht, der alle Chancen hat, deutscher Sportler des Jahres 2019 zu werden.
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Niklas Kaul vereint auf den ersten Blick so viele als wünschenswert geltende Attribute in sich, dass es wie ein Klischee anmuten würde, sie hier alle aufzuzählen. Vor allem aber ist er offensichtlich talentbegnadet, erdverbunden, selbstbewusst und klar im Kopf. Man sieht ihn gerne laufen, springen, werfen, stoßen und hört gerne zu, wenn er darüber redet.
Nichts spricht gegen die Annahme, dass der einzige deutsche Zehnkampf-Weltmeister neben Thorsten Voss, der 1987 Gold für die DDR gewonnen hatte, ein Jahrzehnt deutscher Leichtathletik prägen kann. Niklas Kaul ist als Athlet weit entfernt von der Ausschöpfung seiner Möglichkeiten. Als Mensch zeigt er bereits eine Reife, die ihn vor den Fallgruben der Popularität bewahren sollte. Als Betrachter und Fan wünscht man sich, dass dieses Märchen gerade erst begonnen hat. Aber – und das ist die Einschränkung: Es spielt auf dem Trümmerfeld der modernen Leichtathletik.