Kommentar zum Vettel-KarriereendeEs gibt Wichtigeres als den Schumacher-Traum
Köln – Ausgerechnet 2022 sind sie wieder da bei Sebastian Vettel: die langen Haare. Die blonden Locken, mit denen er in der Formel 1 vier mal bei Red Bull Weltmeister wurde. Ein bisschen wie ein alternder Rockstar setzt er sich, ganz in Schwarz-Weiß vor die Kamera und filmt sein erstes Video in den sozialen Netzwerken, denen er sich solange verweigert hatte. Vettel tritt ausgerechnet via Instagram zurück. Überraschend, ungewöhnlich und mit der Hoffnung, künftig abseits der Rennstrecke Erfolge zu feiern. Denn in der Formel 1 waren ihm diese schon länger nicht mehr vergönnt.
Die tragische Seite der Geschichte von Sebastian Vettel beginnt im Jahr 2018 ausgerechnet in Hockenheim, seinem Heim-Rennstrecke. Kein Formel-1-Kurs ist näher dran an seiner Heimat im hessischen Heppenheim. Vettel liegt zu diesem Zeitpunkt 33 Punkte vor Rivale Lewis Hamilton, startet das Rennen auf der Pole-Position, Hamilton nach einem technischen Defekt nur auf Platz 14.
Sebastian Vettel verpasst Chance auf WM-Titel mit Ferrari
Ferrari ist kurz davor, mit Vettel die Mercedes-Dominanz zu durchbrechen, seit 2014 hat kein Team die Silberpfeile so sehr in Bedrängnis gebracht. Vettel führt das Rennen souverän an, kurz davor, seinen Vorsprung auf Hamilton weiter auszubauen. Ausgerechnet bei einsetzendem Regen, bei dem sein Idol Michael Schumacher stets brillierte, rutscht Vettel von der Fahrbahn und scheidet in Führung liegend aus.
Danach wird Vettel nicht nur den WM-Kampf verlieren, er gewinnt nur noch zwei Rennen in seiner Karriere. Nichts ist es mit dem Traum, wie einst Michael Schumacher im roten Boliden Weltmeister zu werden. Stattdessen ist der Abgang bei Ferrari unrühmlich, Ende 2020 wird er geschasst. Die Scuderia setzt lieber auf Top-Talent Charles Leclerc.
Vettel ist nach Fernando Alonso der zweite große Fahrer, den Ferrari auf dem Weg zum WM-Titel verschleißt. Schlechte Strategie-Entscheidungen, gepaart mit Fehlern in der Fahrzeugentwicklung: Das italienische Team ist zu Vettels Zeit schon lange nicht mehr die perfekt geölte Maschinerie, die sie zu Zeiten Schumachers einmal war.
Sebastian Vettel verpasst seinen Traum vom WM-Titel wie einst Michael Schumacher
So ist Vettel heute nicht der „Greatest of All Time“, der größte Rennfahrer aller Zeiten. Nach vier WM-Titeln in seinen ersten sechs vollen Saisons war Vettel sogar im Begriff, die Rekorde von Michael Schumacher zu brechen. Stattdessen scheiterte an Ferrari, das Vettels Liebe (er schrieb zum Abschied sogar ein Lied) nie so richtig annahm, und an seinen eigenen Nerven.
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Statt im Spätherbst seiner Karriere um WM-Titel zu fahren, muss sich Vettel auf der Strecke mit Hinterbänklern duellieren, zuletzt sorgte ein gefährliches Manöver von Teamkollege Lance Stroll fast dafür, dass Vettel den Aston-Martin-Fahrer rammte. Schon längst rückte für den 35-Jährigen die Formel 1 in den Hintergrund. Der Traum, Michael Schumacher nachzueifern, war nicht mehr so wichtig. Stattdessen sammelte er nach dem Rennen in Silverstone Müll, in Spielberg baute er Bienen-Hotels.
Sebastian Vettel: Klimaschutz statt WM-Fights
Vettel hat in seiner Karriere genug Geld verdient, um sich um das Wohl seiner Familie keine Sorgen machen zu müssen. Er nutzt es aber auch, um für das Wohl unseres Planeten zu kämpfen. Für Vettel ist es mit 35 Jahren wichtiger, Familienvater zu sein und für sich nicht mehr den inneren Zwiespalt zwischen Motorsport und Klimaschutz ausmachen zu müssen.
Sebastian Vettel wird als einer der erfolgreichsten Formel-1-Piloten aller Zeiten in die Geschichte eingehen. Es bleibt aber der bittere Nachgeschmack, dass es für ihn noch besser, noch erfolgreicher hätte laufen können. Aber vielleicht war das seinen Fans am Ende viel wichtiger, als es ihm selbst eigentlich ist. Wie sagt er es in seinem Abschiedsvideo: „Ich will nicht mehr um Weltmeisterschaften kämpfen, sondern für unseren Planeten.“ (shh)