Der 63-jährige Coach nimmt mit einem enorm jungen Team den Abstiegskampf in der Bundesliga auf. Am Sonntag geht es gegen den Thüringer HC.
HandballMichael Biegler startet mit Rekordmeister Bayer Leverkusen in ein Ausbildungsjahr
Der Rekordmeister steht vor seinem Jubiläum. Die Handballerinnen des TSV Bayer 04 Leverkusen starten am Sonntag mit der Partie gegen den Thüringer HC (16 Uhr, Ostermann-Arena) in ihre 50. Bundesliga-Saison. Die Elfen sind der einzige Klub, der seit Gründung der höchsten deutschen Spielklasse immer erstklassig war. Mit angemessenem Stolz in der Stimme und einem Lächeln bezeichnet Trainer Michael Biegler sein enorm junges Team deshalb liebevoll als „Dino.“
Doch weil Tradition eben auch Verpflichtungen mit sich bringt, stehen die Leverkusener Frauen vor der diesmal von vielen Experten als heikel empfundenen Herausforderung, das Aussterben einer seltenen sportlichen Spezies zu verhindern.
Vier Leistungsträgerinnen haben Bayer 04 Leverkusen verlassen
Zuletzt ist der Klassenerhalt mit Platz acht problemlos gelungen, doch im Sommer hatten die Rheinländerinnen einen massiven Substanzverlust zu beklagen: Die beiden Nationalspielerinnen Viola Leuchter und Mareike Thomaier wechselten zum Deutschen Meister nach Ludwigsburg. Zudem zog es die Portugiesin Mariana Ferreira Lopes nach Ungarn und Keeperin Miranda Nasser kehrte in ihre schwedische Heimat zurück.
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Es fehlen nicht nur die drei besten Werferinnen sowie der sichere Rückhalt im Tor, sondern angesichts des finanziellen Engpasses im Gesamtverein auch die Mittel, um die Abgänge angemessen ersetzen zu können. Viele Trainer hätten in dieser Gemengelage einen hinreichenden Grund zur Panik gesehen, doch Biegler bleibt entspannt und sagt: „Wir sind durch unsere personelle Situation gezwungen worden, ein neues Konzept zu entwickeln – und ich finde es überragend.“
Möglicherweise lässt sich der Enthusiasmus des Trainers auch damit erklären, dass er den Plan selbst ersonnen hat. Dieser sieht einen intensiven Austausch zwischen erster Mannschaft und A-Jugend vor. Sollte es im aus zwölf Spielerinnen bestehenden Erstliga-Kader Ausfälle geben, füllen die U-19-Talente das Aufgebot auf.
Da Biegler neben dem Bundesliga-Team auch die Junior-Elfen betreut, weiß er selbst stets am besten, auf welchen Positionen Bedarf besteht und wer sich in der Form befindet, den Anforderungen gerecht zu werden. „Die Synergien, die wir benötigen, sind viel leichter zu handhaben, wenn sich nur eine Person darum kümmern muss“, betont der Coach. Die Einsparung mindestens eines Trainerpostens im Nachwuchsbereich dürfte ein für den TSV in wirtschaftlich schwierigen Zeiten nicht zu vernachlässigender Nebenaspekt sein.
Die Vorbereitung hat Biegler jedenfalls in seinem Optimismus bestärkt, die von ihm als „Education Season“ ausgerufene Spielzeit zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. In die Karten spielt dem 63-Jährigen in diesem Ausbildungsjahr nicht nur der von ihm als „megaseriös“ empfundene Arbeitsethos seiner engagierten Spielerinnen, sondern auch der veränderte Spielmodus der Bundesliga: Während es 2023/2024 bei 14 Klubs nach Hin-und Rückspielen drei Absteiger gab, finden diesmal nach einer von zwölf Mannschaften bestrittenen Hauptrunde Playoffs und Playdowns statt.
„Letztes Jahr war von Anfang an Brisanz drin, weil wir immer sehen mussten, dass wir genug Luft nach unten haben“, erinnert sich Biegler. „Jetzt haben wir die Chance, das Team bis April zu entwickeln, weil erst dann die Entscheidungen fallen.“
Bis dahin will er vor allem die systematischen Abläufe im Angriff optimieren. In diesem Bereich drohen nach dem Abgang der Leistungsträgerinnen seiner Ansicht nach größere Schwierigkeiten als in der Abwehr, dies zeigte sich auch beim 23:18-Erfolg in der ersten Runde des DHB-Pokals beim Zweitligisten VfL Waiblingen.
Dort traten Sophia Cormann mit sechs Treffern und Fem Boeters (5) als sichere Schützinnen in Erscheinung, als potenzielle Leistungsträgerin gilt aber auch die wegen einer Knieverletzung vorerst fehlende Christin Kaufmann ebenso wie Pia Terfloth oder Annika Ingenpass. „Der Ausfall von Christin bietet wieder anderen die Gelegenheit, in die Bresche zu springen“, meint der Pragmatiker Biegler, der seinen Ansatz als „lösungsorientiert und nicht problembeladen“ bezeichnet.
Michael Biegler sieht in der Infrastruktur bei Bayer Leverkusen einen Standortvorteil
Zu den vom Coach geschätzten Standortvorteilen gehört die hervorragende Infrastruktur beim TSV Bayer 04, die es dem Team über das gesamte Jahr hinweg ermöglicht, täglich auch im athletischen Bereich zu arbeiten. Doch auch der Routinier weiß, dass es trotz der Vorzüge der von ihm als „Campus“ bezeichneten Anlagen ein schwieriges Jahr werden dürfte. „Wir sind alle Sportler und keiner will absteigen“, betont er. „Aber ich bin nicht erst gestern auf dem blauen Planeten gelandet und weiß, dass die Mannschaft Zeit braucht.“
Michael Biegler wird sie ihr verschaffen, daran bestehen keine Zweifel. Schließlich will er seinem „Dino“ auch ein 51. Jahr in der Ersten Liga ermöglichen.