Köln – Lukas Podolski ist noch immer Fußballprofi und zudem erfolgreicher Geschäftsmann. In unserem Interview spricht der 37-Jährige über den 1. FC Köln, die Nationalmannschaft und erklärt, dass seine „Döner-Story“ noch nicht am Ende angelangt ist.
Herr Podolski, Sie sind vor wenigen Tagen 37 Jahre alt geworden. Etliche Fans ihres aktuellen Klubs Gornik Zabrze gratulierten mit einem Pyro-Feuerwerk vor Ihrem Haus. War das auch ein Ausdruck der Dankbarkeit, dass Sie jüngst Ihren Vertrag noch um ein weiteres Jahr verlängert hatten?
Lukas Podolski: Ich wusste nichts von der Aktion – und plötzlich lassen es da ein paar hundert Fans richtig krachen. Das war eine tolle Überraschung. Ob das nur mit meiner Verlängerung zu tun hat, das weiß ich nicht. Wer mich kennt, der weiß, wie wichtig mir immer das Verhältnis zu den Fans war und noch ist. Das war auf allen Stationen so. Und Gornik ist ein Traditionsklub mit geilen Fans und einer großen Fankultur.
Warum denn nicht? Das Gute ist, dass ich das heute ganz alleine entscheiden kann, ich bin da mein eigener Chef. Das habe ich mir erarbeitet. Aber es war eine recht spontane Entscheidung. Ich war gerade mit meinem Sohn Louis im Auto auf dem Weg zum Trainingsgelände. Da habe ich ihn gefragt: « Louis, hast du Lust, noch weiter in Polen zu bleiben und in der Jugend von Gornik zu spielen? » Er spielt mittlerweile in der U14. Und Louis hat Lust, die ganze Familie ebenfalls. Wir fühlen uns hier wohl, das Land entwickelt sich weiter. Ich bin hier geboren, Gornik war schon immer mein Klub in Polen. Es war immer mein Traum, einmal für den Verein zu spielen. Und diesen Traum habe ich mir verwirklicht. Ich bin zu meinen Wurzeln zurückgekehrt und versuche auch dem Nachwuchs etwas zurückzugeben. Ich treibe die Akademie des Klubs voran. Und ich liebe es noch immer, täglich auf dem Platz zu stehen und mich am Wochenende dem Wettkampf zu stellen. Das, wofür ich in der Kindheit und Jugend so sehr gekämpft habe, gebe ich doch nicht einfach so auf, wenn ich den Job, den ich liebe, noch so gut ausüben kann. Es juckt weiterhin in den Füßen.
Fühlen Sie sich nach so vielen Jahren als Profi denn noch richtig fit?
Ich starte jetzt in meine 20. Vorbereitung als Fußballprofi. Ja, ich fühle mich fit und habe vor allem noch Spaß am Kicken. Natürlich ist es ein Unterschied, ob du 25, 30 oder 37 Jahre alt bist. Vor allem bei der Regeneration. Aber ich war mit meiner ersten Saison in Polen auch im Großen und Ganzen zufrieden.
Sie sind mit Gornik Achter geworden und haben neun Tore erzielt. Was haben Sie sich für die neue Saison vorgenommen?
Meine Saison wäre vielleicht noch besser gewesen, wenn mich zu Beginn der Spielzeit eine Corona-Infektion nicht ein paar Wochen zurückgeworfen hätte. Wenn wir wieder in diesem Tabellen-Korridor landen, dann wäre das schon okay. Wir haben nicht das große finanzielle Budget, aber wenn vieles passt, ist vielleicht auch ein höherer Tabellenplatz möglich.
Und danach beenden Sie Ihre Karriere in Zabrze?
Sollte nicht mehr etwas Verrücktes passieren, gehe davon aus, dass das der Fall sein wird - in einem oder vielleicht auch erst in zwei Jahren. Das habe ich noch nicht entschieden.
Sie haben für Bayern, Arsenal oder Inter gespielt, ab 2017 standen Sie dann in Kobe, Antalya und Zabrze nicht mehr für die ganz großen Klubs unter Vertrag. Fehlt Ihnen die große Bühne?
Die hatte ich doch über so viele Jahre. Ich habe fast alles erlebt, was man als Fußballprofi erleben kann. Ich bin mittlerweile in einer Situation, in der mir auch ein paar Wünsche erfüllen und mir Sachen aussuchen konnte. Ich habe mit meiner Familie neue Länder und Kulturen kennengelernt. Das war spannend und lehrreich. Ich habe weiterhin Kontakt nach Japan und in die Türkei sowieso, in der wir jedes Jahr auch Urlaub machen. Ich habe neue Freundschaften geschlossen. Auch das ich wichtig. Ich bin unabhängig, ich will und muss nicht mehr dem dicken Geld hinterherjagen. Wäre das Fall, wäre ich auch nicht nach Zabrze gewechselt. Ich bin absolut mit mir und meiner Karriere im Reinen und denke keine zehn Minuten drüber nach, was ich hätte anders machen können. Das wäre ja bekloppt. Ich fühle mich immer noch als Junge von der Straße, der sich alles erarbeitet und erkämpft hat. Ich hatte nichts anderes als meine Familie und den Fußball, ich habe keine andere Ausbildung. Der Fußball hat mir so viel gegeben. Solch eine Karriere als Spieler aus Köln gemacht zu haben, das können meiner Meinung nach nur wenige vorzeigen, und darauf bin ich auch stolz.
Ihr Heimatklub 1. FC Köln hat mit Platz sieben in der vergangenen Saison positiv überrascht. Sie auch?
Es hat wieder Spaß gemacht, die FC-Spiele zu gucken. Der Trainer macht es schon richtig geil – und nicht so wie viele seiner Vorgänger. Er hat die Handbremse gelöst, die Mannschaft spielt mutig und frisch nach vorne. Und sie spielt jetzt so, wie es der Verein, seine Fans und auch die fußballbegeisterte Stadt verdient haben. Sollte sich der FC für Europa qualifizieren, werden das Feiertage für den Klub. Auch wenn ich das nur aus der Ferne beobachten kann, so scheint in der Mannschaft eine ganz andere Atmosphäre zu herrschen. Und es freut mich besonders, dass Anthony Modeste wieder aufgeblüht ist und dem Team mit seinen vielen Toren so helfen kann. Auch daran hat Steffen Baumgart sicherlich seinen Anteil.
Als Typ hätten Sie vermutlich auch gut zum hemdsärmeligen Baumgart gepasst. Hätten Sie gerne unter ihm gespielt?
Ich habe ohnehin immer liebend gerne für den FC gespielt. Egal, wann der FC sich melden würde, auf den Platz würde ich jederzeit zurückkommen - auch mit 50 (lacht). Aber klar, die Art und Weise, wie Steffen Baumgart spielen lässt, dieser Tempofußball, darauf hätte ich natürlich Lust gehabt.
Wie ist Ihr Kontakt zu den Verantwortlichen des FC?
Einen Kontakt gibt es schon lange nicht mehr. Aber das ist auch okay so, ich habe mich damit abgefunden. Ich liebe den FC, er bleibt immer mein Verein. Egal, was ist, das wird mir niemand nehmen können.
Aber die Führung wollte Sie doch im Verein einbinden?
Es gibt keine Einbindung, und ich habe auch zu keinem Verantwortlichen Kontakt mehr. Mit Alex Wehrle war das der Fall, aber der ist ja seit ein paar Monaten auch weg. Wenn der FC etwas von mir will, dann sollte er meine Telefonnummer ja herausfinden können. Und wenn nicht, dann bin ich auch so viel beschäftigt und glücklich mit dem, was ich mache und habe.
Trotz des sportlichen Aufwinds zuletzt hat der FC große finanzielle Probleme. Befürchten Sie, dass der FC wieder abstürzen könnte?
Leider war mein Draht zu Alex Wehrle dann nicht so eng, dass er mir einen Einblick in die Geschäftsbücher gewährt hat (lacht). Der Verein muss den Gürtel wieder enger schnallen, und das birgt natürlich Gefahren. Was den Kader und die Verantwortlichen im sportlichen Bereich angeht, wurden in den vergangenen Jahren sicherlich auch falsche Entscheidungen getroffen. Und dann kam noch Corona dazu. Ich glaube aber nicht, dass die Mannschaft unter diesem Trainer jetzt abstürzen wird. Aber die Saison könnte natürlich deutlich schwieriger werden.Auch die deutsche Nationalmannschaft hat ihre ganz eigenen Probleme.
Wie beurteilen Sie die Entwicklung des Teams?
Die Mannschaft tritt auf der Stelle und stagniert. Man weiß nicht so recht, woran man ist und wo man steht. Mir fehlen so ein bisschen das Herzblut, die Emotionen, die positive Stimmung in und um die Mannschaft. So, wie es zum Beispiel zu meiner Zeit war. Die Nationalmannschaft muss es wieder hinbekommen, Begeisterung zu entfachen. Hansi Flick ist für mich dafür der absolut richtige Trainer, der viel Erfahrung und eine gute Menschenführung hat.
Auch Flick fehlt ein guter Mittelstürmer. Und dies seit Jahren. Woran liegt das?
Das stimmt, den klassischen Mittelstürmer, der große Torgefahr ausstrahlt, den haben wir seit einigen Jahren nicht mehr. Miro Klose und Mario Gomez waren die letzten ihrer Art. Aber diesen Stürmertypen kann man sich auf die Schnelle auch nicht backen, deshalb darf man das nicht immer beklagen und beweinen, sondern man muss nun andere Lösungen finden. Und dann muss man im Nachwuchs ansetzen und schauen, dass man solche Spieler wieder ausbildet. Das versuchen wir in Zabrze auch in unserer Nachwuchs-Akademie.
Zählt Deutschland bei der WM noch zu den Top-Favoriten auf den Titel?
Nicht zu den Top-Favoriten, aber sicherlich zum erweiterten Favoritenkreis. Aber dennoch haben die anderen Nationen immer noch gehörigen Respekt vor uns. Wir dürfen uns auch nicht kleiner machen, als wir sind. Wir brauchen wieder mehr Power, mehr Energie und mehr Überzeugung. Eintracht Frankfurt war da für mich zuletzt ein positives Beispiel. Der ganze Verein hat im Europapokal einen großen Zusammenhalt entwickelt und damit eine gewaltige Power entfacht. Alle haben in der Stadt für den Wettbewerb gebrannt, ansonsten wäre dieser Erfolg nicht möglich gewesen.
Sie sind seit einigen Jahren nicht nur Fußballprofi, sondern auch Geschäftsmann. Werden Sie weiter expandieren?
Wir machen jetzt die zehnte Mangal Döner-Filiale auf und haben noch die Eröffnung von weiteren im Hinterkopf. Wir geben da weiter richtig Gas und schalten in den achten Gang. Der Döner ist das Filet der Straße, und in unseren Läden steckt richtig Herzblut drin. Auch meine anderen Unternehmen laufen gut. Aber das ist eben alles auch mit viel Arbeit verbunden, ich kann mich da ebenfalls nicht zurücklehnen, sondern bin da mitten drin. Aber auch das sind Aufgaben, die mir großen Spaß machen. Und das ist noch lange nicht das Ende mit der Döner-Story – seid gespannt (lacht).