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Van der Poels MeisterstückNiederländer gewinnt 62 Jahre nach seinem Großvater Mailand-Sanremo

Lesezeit 3 Minuten
Mathieu van der Poel in der Zieleinfahrt beim Radklassiker Mailand-Sanremo.

Mathieu van der Poel vom Team „Alpecin-Deceuninck“ kann seinen Erfolg kaum fassen.

Beim Frühjahrsklassiker zeigte sich auch der Hürther Radprofi Nils Politt in guter Verfassung.

Dieses Rennen, Mailand-Sanremo, ist nach den Veranstaltungen in klirrendem Winterwetter eine Sehnsucht für das Peloton, denn gleich hinter Voltri öffnet sich der Blick auf die ligurische See, die am Samstag zudem ruhig vor den Fahrern lag und im Sonnenschein des Vorfrühlings. An dieser Stelle haben die Teilnehmer von Mailand-Sanremo, der Fahrt in den Frühling, gleichwohl erst etwas mehr als die Hälfte der 294 Kilometer langen Strecke passiert.

„Ein bisschen langweilig war das bis dahin schon“, sagt dazu etwa Mathieu van der Poel, das niederländische Radsport-Phänomen von 28 Jahren, das im weiteren Verlauf von sich reden machen wird. Schließlich hat er dieses Monument des Radsports nach einer taktischen Meisterleistung für sich entschieden. Erstmals in seiner Karriere. Und 62 Jahre nach seinem Großvater Raymond Poulidor.

Mathieu van der Poel wollte unbedingt gewinnen

Van der Poel schüttelte bei seiner Zielpassage auf der hinter ihm völlig freien Via Roma mehrfach den Kopf, weil er selbst nicht glauben konnte, was ihm da gerade gelungen war. Von seinen Verfolgern war noch nichts zu sehen. „Ich bin überglücklich, denn dies ist eines der Rennen, die ich unbedingt gewinnen wollte“, sagte van der Poel.

Die von Palmen gesäumte Küstenstraße von Voltri nach Sanremo weist im Finale vor allem zwei entscheidende Schwierigkeiten auf: Die Cipressa ab Kilometer 266 und schließlich den Poggio, den Hausberg von Sanremo, der nach 282 Kilometern zu bewältigen ist – ein Anstieg von 4000 Metern, der knapp 500 Meter vor dem Scheitelpunkt mit acht Prozent sein Steigungsmaximum erreicht.

Tadej Pogacar konnte nicht folgen

Tadej Pogacar, der slowenische fünf-Sterne-Favorit, hatte also sein UAE-Team fast geschlossen vor sich gruppiert, als es im Vollsprint in die Cipressa ging. Doch erst im Poggio gelang es ihm, chauffiert von seinem Helfer Tim Wellens, das nur noch 60-köpfige Feld aufzusplitten, als er, Pogacar selbst die Initiative ergriff, 6,6 Kilometer vor dem Ziel. Doch knapp einen Kilometer später wurde Pogacar überrascht, an ihm sprang van der Poel vorbei, sprintete die letzten gut 500 Meter an allen vorbei, und stach als Erster in die Kurven der Abfahrt hinein – mit einem kleinen Vorsprung. „Da hat er mich verblüfft“, sagte Pogacar. Und: „Ich konnte da nicht folgen.“

Van der Poel machte in der Abfahrt noch ein paar Sekunden gut und raste allein auf die Ebene, knapp zwei Kilometer vor dem Ziel. Hinter ihm jagten der Italiener Filippo Ganna, ein Zeitfahr-Spezialist, der Belgier Wout van Aert, ein Klassikerjäger und neben Pogacar der Top-Favorit, und eben Pogacar dem Enteilten hinterher. Vergeblich. Van der Poel gewann mit 15 Sekunden Vorsprung vor Ganna, van Aert und Pogacar. Auf dieselbe Weise überraschte übrigens Poulidor 1961 seine Gegner.

„Es ist wirklich etwas ganz Besonderes für mich, wie mein Opa gewonnen zu haben“, sagte van der Poel. Der Niederländer hat nun schon zwei verschiedene Monumente gewonnen, neben Mailand-Sanremo noch die Flandern-Rundfahrt (2020, 2022), dazu auch das Amstel Gold Race 2019 und die schwierige Prüfung namens Strade Bianche in der Toskana (2021). Und außerdem noch fünf Mal den Titel eines Cyclocross-Weltmeisters, zuletzt am 5. Februar daheim in Hoogerheide gegen Wout van Aert, mit dem er sich schon seit der Juniorenklasse duelliert.

Aus deutscher Sicht konnte Nils Politt aus Hürth überzeugen. Der deutsche Meister riskierte nach der Cipressa eine Soloflucht, gab sie aber noch vor dem Poggio auf. Und dennoch: „Das zeigt mir, dass meine Form stimmt.“ Politt, der am Ende Rang 21 belegte, will sich vor allem bei den Kopfstein-Klassikern zeigen. Die stehen in Form der Flandern-Rundfahrt und Paris-Roubaix am 2. und 9. April auf dem Programm. Beim ersten Termin wird er van der Poel, van Aert und auch Pogacar wiedertreffen.