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Nach Corona-InfektionJudo-Weltmeister kämpft sich zurück ins Athletenleben

Lesezeit 5 Minuten
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Alexander Wieczerzak (rechts) im Kampf gegen den Chinesen EriHemubatu bei der Judo-Weltmeisterschaft 2017.

Köln – Kurz vor Weihnachten sitzt Alexander Wieczerzak in seiner Kölner Wohnung und wartet darauf, dass er krank wird. Vier Tage nach seinem positiven Corona-Test bemerkt er die ersten Symptome: Er geht mit Kopfschmerzen ins Bett und wacht mit einer heftigen Migräne wieder auf. Die nächsten drei Tage bewegt sich der Judoka nur vom Bett ins Bad und zurück. Essen bekommt er kaum runter. Nach diesen Tagen geht es ihm besser – bis er wieder drei Tage krank wird. „Eigentlich sagt man ja, Leistungssportler hätten eher einen milden Corona-Verlauf“, sagt Wieczerzak. „Bei mir war das echt die Hölle.“

Dabei hat Wieczerzak eigentlich eine Fitness, mit der es nur wenige aufnehmen können: An einem normalen Tag verbringt er vier bis sechs Stunden beim Training im Olympiazentrum. Der 29-Jährige ist Sportsoldat, die Kraft, Ausdauer und Technik sind sein Beruf. Sein Ehrgeiz zahlt sich aus: Im Spätsommer 2017 feiert er seinen größten Erfolg – den Sieg bei der Judo-Weltmeisterschaft.

Auf dem Weg zum Titel besiegt er unter anderem den amtierenden Olympiasieger aus Russland, vor den Augen des russischen Präsidenten Wladimir Putin, selbst Träger des schwarzen Gürtels. Sieben Jahren nach seinem Sieg bei den Weltmeisterschaften der Junioren erkämpft er sich wieder den ersten Platz. Als er bei der Siegerehrung die Medaille entgegen nimmt, laufen ihm Freudentränen über das Gesicht.

Quarantäne statt EM

Ein Jahr später kehrt er auf das Siegerpodest der Weltmeisterschaft zurück, diesmal mit der Bronzemedaille um den Hals. „Ab 2019 war der Wurm drin“, sagt er. Er gewinnt nicht genug Kämpfe, für die Olympischen Spiele wird ein anderer Deutscher nominiert. Doch wegen der Verschiebung der Spiele auf 2021 hat er eine zweite Chance: Gewinnt er bis Mitte April genügend Turniere, könnte er doch noch das Ticket nach Tokio lösen. „Jetzt muss ich zeigen, dass ich der Bessere bin“, sagt Wieczerzak.

Doch dafür braucht er Punkte, die er nur bei Wettkämpfen erringen kann. Normalerweise ist das kein Problem: Internationale Turniere finden fast jedes zweite Wochenende irgendwo auf der Welt statt. Doch Wieczerzak, der normalerweise die Hälfte des Jahres für Wettkämpfe und Trainingslager quer über den Globus reist, kommt seit März kaum aus Köln raus und bestritt kein einziges Turnier. Selbst das Olympiazentrum, in dem er seit acht Jahren trainiert, durfte er bis Mitte April 2020 nicht betreten.

Im Oktober fand in Budapest das erste internationale Judo-Turnier seit Beginn der Pandemie statt. 350 aus aller Welt kamen wieder zusammen, doch die deutsche Herrenmannschaft kämpfte nicht mit. Das Risiko, sich mit dem Coronavirus anzustecken, erschien ihnen zu groß. Doch das Hygienekonzept in Budapest funktionierte – Wieczerzak begann, sich auf die Europameisterschaft in Tschechien vorzubereiten.

Mitte November fuhr die deutsche Nationalmannschaft jedoch ohne ihn nach Prag. Eine Woche vor der Abreise hatte er einen Anruf vom Gesundheitsamt bekommen: Er war K1, eine direkte Kontaktperson eines Corona-Infizierten. Wichtige Punkte, die er für Tokio sammeln wollte, gingen ihm verloren, bevor der erste Kampf startete. „Das war super ärgerlich“, sagt er. Zuhause trainierte er weiter: Anfang Januar stand schließlich der nächste Wettkampf in Katar an. Nach zwei Wochen Quarantäne fuhr er mit der Nationalmannschaft auf einen Lehrgang nach Österreich.

Auf heißen Kohlen

Wenige Tage nach ihrer Rückkehr fiel der Test eines Judokas der Kölner Trainingsgruppe positiv aus. Erneut musste Wieczerzak in Quarantäne, erneut ließ er sich testen. Dieses Mal war sein Text positiv. Zwei Corona-Schübe verbrachte der 29-Jährige im Bett. Dass Infizierte nach der ersten Genesung wieder krank werden, sagten ihm die Ärzte, sei nicht selten. Meistens sei der zweite Schub deutlich milder als der Erste. „Bei mir waren beide scheiße“, sagt Wieczerzak. Er denkt, dass sein Immunsystem nach den Tagen des intensiven Trainings nicht auf der Höhe war. „Kann sein, dass es mich deshalb so weggehauen hat“, glaubt er. Weil er zweimal krank wurde, musste er 17 statt 10 Tage in Quarantäne verbringen.

Als die Isolation am 28. Dezember endete, hätte Wieczerzak am liebsten sofort wieder trainiert, die Meisterschaft in Katar fest im Blick. Sein Verband bremste ihn: Zehn weitere Tage sollte er auf Sport jeglicher Art verzichten. Diese zehn Tage waren für den Athleten schlimmer als 17 Tage Quarantäne. Ohne Krafttraining und Kämpfe hatte er viel Zeit, in der sich die Gedanken um mögliche Folgen der Infektion drehten. Was, wenn das Virus Spuren hinterlassen hat? Ein 30 Prozent niedrigeres Lungenvolumen würde für ihn das Karriere-Aus bedeuten. „Als ich krank war, war ich sowieso aus. Aber diese zehn Tage waren ein Sitzen auf heißen Kohlen“, sagt Wieczerzak.

„Es ist mühsam und wahnsinnig anstrengend“

Ein Arzt am Olympiastützpunkt empfahl Wieczerzak, an einer Studie der Sporthochschule Köln teilzunehmen. Dort untersuchen Forscher, welche Langzeitwirkungen Sportler nach einer Corona-Infektion zeigen. Am 8. Januar begannen die medizinischen Tests: Ärzte untersuchten sein Herz per Ultraschall, nahmen seinen Ruhe-EKG und schickten ihn zum Belastungs-EKG aufs Fahrrad. „Eine Katastrophe!“, sagt Wieczerzak. „Ich habe nur 200 Watt getreten. Normalerweise schaffe ich 300 bis 350.“ Seine Muskeln, geschwächt durch die Infektion und einen Monat Sportpause, gaben schneller auf als gedacht. Doch die Ärzte waren trotzdem zufrieden: Er dürfe langsam wieder mit Sport anfangen. Noch am selben Nachmittag zog sich Wieczerzak seine Laufschuhe an und ging joggen. „Ein geiles Gefühl!“

Zwei Wochen lang ging er regelmäßig zu Nachuntersuchungen an die Sporthochschule: Für eine weitere Herzuntersuchung schickten ihn die Ärzte eineinhalb Stunden in die MRT-Röhre, an einem weiteren Termin prüften sie seine Lungenfunktion.

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Der Judoka scheint Glück zu haben: Sowohl sein Herz als auch seine Lunge scheinen keinen Schaden genommen zu haben. Seine Trainingspartner, die im Dezember auch positiv getestet wurden, sind ebenfalls auf die Judomatte zurückgekehrt. Wieczerzak muss auch heute noch schonen – das Training erschöpft ihn etwas mehr, als er es gewohnt ist. „Es ist mühsam und wahnsinnig anstrengend“, sagt er. Bei früheren Infekten hielt er sich nur selten an die verschriebene Sportpause, doch dieses Mal hört er auf die Vorgaben der Ärzte. „Einmal im Leben vernünftig sein“, sagt Wieczerzak grinsend.

Läuft alles nach Plan, kann er mit der Nationalmannschaft in einer Woche nach Georgien ins Trainingslager fahren. Im Februar will er schließlich beim Grand Slam in Israel kämpfen – Punkte sammeln für Tokio.