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Nils Politt über die Konkurrenz in Flandern„Die Drei fahren in einer anderen Liga“

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Nils Politt aus Hürth fährt im Trikot des deutschen Meisters bei Quer durch Flandern am vergangenen Mittwoch über Kopfsteinpflaster.

Nils Politt aus Hürth im Trikot des deutschen Meisters bei Quer durch Flandern am vergangenen Mittwoch.

Wout van Aert, Mathieu van der Poel und Tadej Pogacar beherrschen derzeit die Radsportwelt. Der Hürther Nils Politt besitzt dennoch eine Außenseiterchance bei der Flandern-Rundfahrt.

Vergangenen Sonntag bei Gent-Wevelgem regnete es während des gesamten Rennens, fast sechs Stunden auf einer Strecke von 261 Kilometern über flandrische Hügel und anachronistisches Kopfsteinpflaster. Hinzu kam fiese Kälte, eine grausige Mischung. Und dennoch sagt Nils Politt, der deutsche Meister aus Hürth: „Ich mag solche Verhältnisse gerne.“

Platz 20 wurde es am Ende, und dennoch: Die Form vor seinen Saisonhöhepunkten, der Flandern-Rundfahrt am Sonntag und Paris-Roubaix am 9. April, stimme, sagt Politt. Tatsächlich wirkt er austrainiert, schlanker als sonst, hinzu kommen die Elemente Kraft und eine aufmerksame Renngestaltung.

Und dennoch: Die Eindrücke des Frühjahrs bestätigten sich auch in dieser Woche – andere, drei Profis konkret, sind noch besser, austrainierter, kräftiger und aufmerksamer. Das Trio ist ein fabelhaftes, eines, das die Radsportwelt unter sich aufzuteilen scheint, so überlegen bis uneinholbar fahren sie. Sie, das sind: Wout van Aert aus Belgien, Mathieu van der Poel aus den Niederlanden und Tadej Pogacar aus Slowenien.

Sie fahren in einer anderen Liga. Es ist echt der Wahnsinn, wenn die drei losfahren, kann keiner mehr folgen. Sie führen uns derzeit ein bisschen vor.
Nils Politt

Van Aert ordnete bei Gent-Wevelgem mit einem plötzlichen Antritt im Kemmelberg, 50 Kilometer vor dem Ziel, die Verhältnisse. Ihm konnte nur Christoph Laporte folgen, sein französischer Teamkollege bei Jumbo-Visma. Gemeinsam und sich umarmend fuhr das Duo die letzten Meter, ehe sich Laporte nach vorne schieben durfte.

Ohne van Aert, van der Poel und Pogacar gewann Laporte am Mittwoch spielerisch leicht auch noch Quer durch Flandern, die Generalprobe für die Flandern-Rundfahrt, bei der er aber eine Helferrolle für den noch stärkeren van Aert übernehmen soll. Auch da war Politt vorne dabei, den Sprint um Platz zwei verlor er allerdings klar, am Ende wurde es Rang zehn – „damit bin ich zufrieden“, sagt er. Wieder einmal ist er an der Stärke der Jumbo-Visma-Crew gescheitert, die in diesem Jahr schon sensationelle 20 Siege herausfuhr.

Antritt im Anstieg auf Kopfsteinpflaster: Nils Politt versucht, seinen Verfolgern zu entkommen.

Antritt im Anstieg auf Kopfsteinpflaster bei Quer durch Flandern am Mittwoch: Nils Politt versucht, seinen Verfolgern zu entkommen.

Aber auch van der Poels Alpecin-Deceuninck-Équipe sorgt derzeit für Furore. Allen voran sein Kapitän. Van der Poel, im Februar bereits Cyclo-Cross-Weltmeister – vor van Aert – gewann Mitte März Mailand-Sanremo, das erste Monument des Jahres. Van Aert wurde dort Dritter, Pogacar – der in dieser Saison bereits neun Siege aufweist, belegte Rang vier. Van der Poel ist auch der Titelverteidiger der Ronde van Vlaanderen, Belgiens größtem Renntag, der sich auf 274 Kilometer zwischen Brügge und Oudenaarde verteilt und der von einer riesigen Menschenmenge am Straßenrand verfolgt wird, die sich vor allem in den steilen Anstiegen versammelt.

Van Aert, bisher 40 Profisiege, van der Poel, 41, und Pogacar (Team UAE-Emirates), 55, sind die Stars der Gegenwart. Sie und ihre Mannschaften zu kontrollieren, fällt dem Rest des Feldes schwer. Politt sagt sogar: „Sie fahren in einer anderen Liga. Es ist echt der Wahnsinn, wenn die drei losfahren, kann keiner mehr folgen. Sie führen uns derzeit ein bisschen vor.“

Strategie verzweifelt gesucht

Van Aert und van der Poel sind aufgrund ihrer Schulung als Crossfahrer gewohnt, partiell eine kurze Zeit extrem hohe Wattzahlen treten zu können – „das ist ihr Vorteil. Sie halten so was mehrmals durch“, sagt Politt. Pogacar wiederum ist ein unglaubliches Phänomen. Auf Strategiesuche Eine solche Überlegenheit kann nerven, doch es bedarf eben auch einer Strategie, um die Vorwegfahrer vielleicht doch einbremsen zu können.

Teil eins dieser Arbeit – die Streckenerkundung, erfolgte für Politt und sein deutsches Bora-hansgrohe-Team am Donnerstag. Teil zwei, die Taktik, kann nur lauten: Offensive. „Aber mach das mal gegen ein Team wie Jumbo-Visma. Die sind einfach überall und passen auf“, erzählt Politt. Und so sagt er, dass er am Sonntag bei der Flandern-Rundfahrt schon „mit einer Top-Ten-Platzierung glücklich“ sei. Alles, was noch besser ist, „das wäre ein Traum für mich. Grundsätzlich sehe ich mich bei Paris-Roubaix aber noch besser aufgestellt.“ Van Aert und van der Poel wird er dort auch wieder treffen.

Aber immerhin: Am Sonntag soll die Sonne über Flandern scheinen.