Der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB), Torsten Burmester, stellt ein Fünf-Punkte-Programm zur Rückkehr Deutschlands unter die Top 5 der Sportwelt auf.
Olympia 20245 Punkte für die Rückkehr unter die Top 5
Die faszinierenden Spiele in Paris haben die Begeisterung für die olympische Bewegung neu geweckt. Die 429 Athletinnen und Athleten des Teams Deutschland haben sich in Paris als großartige Botschafter ihres Landes präsentiert. Ob in den Wettkampfstätten unter dem Eiffelturm, auf dem Place de la Concorde, im Grand Palais oder vor dem Schloss in Versailles: Die Deutschen weckten mit ihrem Auftreten in den Arenen und außerhalb große Sympathien, die nach ihrer Rückkehr auch beim ausgelassenen Empfang in Köln mit Tausenden jubelnden Fans spürbar waren.
Berechtigt und notwendig ist aber auch die Diskussion über den Spitzensport in Deutschland und seinen gesellschaftlichen Stellenwert. Es geht um die Rahmenbedingungen und die Unterstützung der Athleten, genauso wie um ihre Anerkennung und Wertschätzung – und dies nicht nur alle vier Jahre, wie Kajak-Olympiasieger Max Rendschmidt kritisierte.
Eine Gesellschaft, die Spitzenleistungen und Medaillen auf Weltniveau wünscht und erwartet, muss dafür die Voraussetzungen schaffen. Deutschland erreichte bei den Sommerspielen in Paris mit zwölf Gold-, 13 Silber- und acht Bronzemedaillen Platz zehn im Medaillenspiegel. Damit wurde zwar das Ziel erreicht, zu den zehn besten Ländern der Welt zu gehören, der Negativtrend aber nicht gestoppt. Auch wenn es zwei Goldmedaillen mehr gab als drei Jahre zuvor in Tokio, war es mit 33 Medaillen die geringste Ausbeute seit der Wiedervereinigung.
Es ist eine Bilanz, die die Notwendigkeit einer forcierten, beherzten Umsetzung der Reform des Spitzensports in Deutschland und ihre Dringlichkeit verstärkt hat. Es geht aber nicht nur darum, die aktuelle Lage des deutschen Leistungssports an der Zahl der olympischen Medaillen zu messen. Vielmehr geht es um eine strukturelle und inhaltliche Runderneuerung sowie eine verbesserte finanzielle Ausstattung, die den Entwicklungen im modernen Spitzensport gerecht wird. Nur so sind eine Kehrtwende und die Rückkehr in den Kreis der fünf besten Sportnationen der Welt im Sommersport möglich. Aus meiner Sicht kommt es jetzt entscheidend und maßgeblich auf fünf Punkte an:
Athletinnen und Athleten sind der Mittelpunkt des Sportsystems
1. Die Spitzensportreform muss konsequent und schnell umgesetzt werden. Nach dem Abschneiden in Paris ist dies Auftrag und Herausforderung von Sport und Politik. Wichtige Bausteine der Reform sind das Sportfördergesetz und die unabhängige Sportagentur. Das Gesetz muss nun zügig vom Bundestag verabschiedet werden. Es würde Planungssicherheit und Unabhängigkeit geben. Bisher mussten mit jeder Bundesregierung die Höhe und die Bedingungen der Förderung neu ausgehandelt werden. Verlässliche Planbarkeit und zugleich schnelle Antworten auf neue Entwicklungen sind unabdingbar, um im modernen Hochleistungssport erfolgreich zu sein. In der Sportagentur soll die Förderung und Steuerung des Spitzensports gebündelt und effizienter gemacht werden. Dazu gehört auch: Es muss flexibler, digitaler, innovativer und weniger bürokratisch werden. Mit Excel-Tabellen, Charts und Statistiken gewinnt man keine Medaillen.
2. Die Athletinnen und Athleten sind der Mittelpunkt des Sportsystems. Viele von ihnen haben jedoch Sorgen um ihren Lebensunterhalt und um die Frage, wie sie ihren Job als Fulltime-Sportprofi mit Beruf oder Studium vereinbaren können. Selbst Olympia-Teilnehmende! Die Athletenunterstützung durch die Stiftung Deutsche Sporthilfe sowie durch Bundeswehr, Bundespolizei und Zoll oder auch durch Hochschulen ist unverzichtbar – aber nicht genug. Es braucht ein Bekenntnis der gesamten Wirtschaft zum Leistungssport, indem Unternehmen Athletinnen und Athleten eine berufliche Karriere ermöglichen. Beispielhaft ist das japanische Modell: Topsportler werden von Firmen angestellt und bezahlt, wenn sie mit ihrer Bekanntheit zunächst nur für das Unternehmen werben. Und nach der Karriere ist ein Arbeitsplatz so gut wie sicher.
Schlüsselfunktion der Trainerinnen und Trainer
3. Eine Schlüsselfunktion haben die Trainerinnen und Trainer – mehr denn je in einer Sportwelt, die komplexer, schnelllebiger und technisierter geworden ist. Die Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen, ihrer Ausbildung und ihrer Bezahlung wird wie in einer Dauerschleife seit Jahren vertagt. Ohne Trainer gäbe es keine Erfolge, Höchstleistungen und Medaillen – und keine Sportstars als Vorbilder. Es ist höchste Zeit, verlässliche Arbeitsbedingungen für sie zu schaffen, ihre Entlohnung erheblich zu verbessern und sie als unverzichtbare Erfolgsfaktoren wertzuschätzen.
4. Der Sport in Deutschland muss auf allen Ebenen angekurbelt werden. Eine Verbesserung der sportlichen Infrastruktur tut not. Vielerorts mangelt es an genügend Sportstätten, zahlreiche bestehende sind stark sanierungsbedürftig, so dass Vereine keine neuen Mitglieder mehr aufnehmen können. Der Sanierungsstau muss aufgelöst, die Vereine müssen gestärkt werden.
Sportliche Bewegungs- und Nachwuchsförderung ist aber nicht allein ihre Sache. Das muss in den Kitas und Schulen beginnen. Ein bis zwei Schulstunden Sport pro Woche sind zu wenig, täglich eine halbe Stunde wie beim Nachbarn Frankreich ist erstrebenswert. Am Ende entsteht ein Mehrwert für die Gesellschaft, die in Geld nicht aufzuwiegen ist.
5. Die Olympischen Spiele in Paris haben neue Maßstäbe gesetzt, auch in puncto Budget und Nachhaltigkeit. Der Gesamtetat der Spiele war um rund ein Drittel niedriger als in Tokio 2021, Rio des Janeiro 2016 und London 2012. Außerdem wurden von 35 Sportstätten nur zwei neu gebaut. Die Franzosen haben mit ihren grandiosen Spielen die Messlatte sehr hochgelegt. Nachdem sich die Bundesregierung in Paris offiziell zur Unterstützung einer deutschen Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele bekannt hat, kann das Projekt Fahrt aufnehmen.
Olympische und Paralympische Spiele können zu einem Katalysator für den deutschen Sport auf allen Ebenen werden. Die vorbildlichen Paris-Spiele sind ein Modell für die Zukunft und eine große Herausforderung für künftige Bewerber. Dass Deutschland ein guter Gastgeber eines Sportgroßereignisses sein kann, wurde eindrucksvoll mit der Ausrichtung der Fußball-EM im Juni unter Beweis gestellt. Und ich bin überzeugt: Unser Land wäre 2036 oder 2040 auch ein exzellenter Gastgeber für Olympische und Paralympische Spiele „Made in Germany“.