Der deutsche Radprofi zeigte eine sensationelle Leistung. Doch dann stoppte ihn ein Sturz, 15 Kilometer vor dem Ende.
Radrennen Paris-RoubaixWie ein toller Tag für Degenkolb traurig endete
Es gab diesen einen Moment danach, an dem ein Trio wieder vereint war, das den gesamten Renntag mitgeprägt hatte. Auf dem Rasen des Vélodroms von Roubaix lag da schon John Degenkolb, völlig erschöpft, die rechte Schulter schmerzte, die Seele litt noch mehr, denn die Enttäuschung sickerte gerade durch jede Pore seines Körpers.
Da tauchten über ihm Mathieu van der Poel und Jasper Philipsen im blauen Trikot des Alpecin-Deceuninck-Teams auf, der Erste und Zweite der 120. Auflage von Paris-Roubaix, und machten gleich zwei Dinge: Degenkolb trösten und sich bei ihm entschuldigen. Der Sonntag war trocken und sogar sonnig, eine wichtige Botschaft für die Teilnehmer dieses anachronistischen Radrennens über 29 Kopfsteinpflaster-Sektoren von insgesamt 54,5 Kilometer Länge.
Und dennoch hagelte es Stürze, gab es Defekte und platte Reifen, und zwar in so schneller Folge, dass das Hirn des Betrachters das alles gar nicht sortiert bekam.
Doch an der Spitze ordnete sich so langsam das Geschehen – und wie. Der Niederländer van der Poel, dazu Wout van Aert, sein ewiger belgischer Rivale und vor allem der in Oberursel lebende Degenkolb und lange auch der Neuwieder Max Walscheid bildeten eine 13-köpfige Gruppe de luxe, zu der kurz auch die früh ausgerissenen und nun eingeholten Deutschen Juri Hollmann und Jonas Koch zählten. Das war 88 Kilometer vor dem Ziel. Übrig blieben sieben Mann, Degenkolb war immer noch dabei.
Und dann, im Fünfsterne-Sektor vier mit Namen Carrefour de l’Arbre, 15 Kilometer vor Roubaix, passierte es: Degenkolb schwenkte nach rechts, Philipsen vor ihm auch und just in dieser Sekunde zwängte sich van der Poel neben Degenkolb, der dadurch noch weiter nach rechts gedrückt wurde. Van der Poel blieb sitzen, Degenkolb aber stürzte – und verlor an dieser Stelle das Rennen, das er 2015 schon mal gewonnen hatte.
Van der Poel hängt van Aert ab
An der Spitze fuhr van der Poel, ein Klassiker-Jäger und der Enkel von Frankreichs Rad-Helden Raymond Poulidor, seinem ersten Sieg bei Paris-Roubaix und seinem dritten Triumph bei einem Monument als Solist entgegen. Zuvor hatte er van Aert abgehängt, den zudem noch ein Defekt kurz nach Degenkolbs Sturz bremste. Philipsen gewann im Velodrom von Roubaix den Sprint um Rang zwei vor seinem Landsmann van Aert. Degenkolb erreichte als Siebter das Ziel, frenetisch gefeiert von den Zuschauern.
Kurz darauf sagte er, mental und körperlich völlig erledigt, Staub bedeckte sein Gesicht: „Es war schon extrem emotional. Es war für mich bis 15 Kilometer vor Schluss ein perfektes Rennen. Umso trauriger, dass nicht mehr raussprang als Platz sieben.“ Besonders berührt hatte Degenkolb, der sich vehement für den Erhalt der von Pflastersteinen gesäumten Sektoren einsetzt, die Passage von Horaing nach Wandingnies, Nummer 17, ein Stück mit vier von fünf Sternen, 80 Kilometer vor Roubaix. Sie ist Degenkolb gewidmet.
„Die Einfahrt war gigantisch. Es wehten Fahnen mit meinem Namen, Freunde, Bekannte und meine Familie waren da.“ Sein Rennpech hat vor allem die französischen Zuschauer bewegt, die ein gutes Gespür für vom Schicksal ungerecht Behandelte besitzen, zumal Degenkolb als Roubaix-Aktivist besonders beliebt in der Region ist. Ja klar, sagt er, 2015 habe er zwar gewonnen: „Aber du willst halt immer mehr.“
Das sagte Walscheid am Ende seines von Glücksgefühlen geprägten Ritts in der Topgruppe nicht. Platz acht wurde es schließlich, worüber er „ziemlich zufrieden“ war.