Reiner Calmund über sein Leben als halbe Portion„Der XXL-Calli ist Vergangenheit"

Reiner Calmund beim Termin mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger"
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Köln – Herr Calmund, nach Ihren Magen-Operationen haben Sie sich halbiert. Denken Sie manchmal: „Das hätte ich schon viel früher machen sollen?“Reiner Calmund: Ja, ich hätte die OP schon einige Jahre früher machen sollen, denn ich habe heute eine viel höhere Lebensqualität und fühle mich sauwohl. Ich hatte vor der OP das große Glück – oder je nach Sichtweise auch das große Pech – dass ich trotz meiner Gewichtsklasse und Leibesfülle verhältnismäßig gesunde Blutwerte und auch einen normalen Puls hatte. Ansonsten hätte ich mich der OP schon viel früher unterziehen müssen. Aber wegen dieser Werte hatte ich keine große Angst. Natürlich war jedes Treppenlaufen für mich anstrengend und mit Schnappatmung verbunden, die Beweglichkeit fehlte – aber sogar daran gewöhnt man sich mit der Zeit.
Was war Ihr Spitzengewicht?
180 Kilogramm.
Ihre Leibesfülle wurde allerdings nur selten negativ konnotiert. Sie galten für viele als Calmund, der Genussmensch, der immer gut drauf ist.
Ich esse auch heute noch immer gerne, egal ob süß, sauer oder herzhaft. Nur viel kleinere Portionen. Es schmeckt mir immer noch alles. Ich trauere dem dicken Calli allerdings nullkommanull hinterher. Ich fühle mich so einfach viel besser, mache zwei, drei Mal in der Woche Sport und habe weiterhin meine TV-Projekte. Der XXL-Calli, der ist Vergangenheit.
Bis Sie sich halbiert haben, war es allerdings ein langer Weg. Gab es Rückschläge?
Bis zur Magen-OP hatte ich in meinem Leben durch zehn Kuren bestimmt insgesamt 200 Kilo abgenommen, aber dann auch insgesamt wieder 250 Kilo zugenommen. Unter dem Strich ist das natürlich keine gute Bilanz. Und ich hatte ja wirklich viel versucht. 2009 ließ ich mich beim Projekt „Iron Calli“ ein halbes Jahr lang im TV filmen, wie mir mein Freund Joey Kelly, ein Extremsportler, bei meinem Abnehm-Versuch half. Damals wog ich 163 Kilo und wollte auf 130 runter. Laufen, Nordic Walking, Aqua Jogging und gesundes kalorienarmes Essen standen auf dem Programm. Ich bin einen Halbmarathon gelaufen und war beim Radrennen am Start – allerdings mit Stützrädern an meinem Dreirad (lacht). Ich fühlte mich leicht wie eine Bleifeder, habe allerdings das Läufer-Credo „wenig reden“ nicht wirklich eingehalten. Alle haben mir auf den Rücken geklopft. Und was ist dann passiert? Ich konnte dem Essen nicht widerstehen und nahm nach dem Projekt nicht nur die 30 Kilo wieder zu. Sondern sogar 40. Das ging ruck-zuck.
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Was hat das mit Ihnen gemacht?
Ich war enttäuscht über mich selbst. Ich fühlte mich vor allem vor Joey richtig schlecht. Er hatte sich so viel Zeit für mich genommen, ich habe mich geschämt. Da war für mich klar: Bevor der liebe Gott dich zu sich nimmt, musst du noch mal was ändern.
Zwischen 2009 und Ihrer Magen-OP 2020 liegen aber fast elf Jahre.
Ja, die Geschichte mit Joey war nur der erste Schritt, der zweite folgte erst mehrere Jahre später. Im Sommer 2019 war ich mit Frau und Tochter in Kalifornien im Urlaub. Wir buchten einen Inlandsflug von San Diego nach San Francisco, die Fluggesellschaft checkte mich an ihrem Handicap-Schalter ein. Da haben sie mir dann einen Rollstuhl unter den Hintern geschoben und mich damit zum Flieger und später zum Mietwagen gebracht. Ich habe mich zwar nicht gewehrt. Aber das war mir schon peinlich. Ich habe einfach nur gehofft, dass mich bloß keiner erkennt.
War das das einschneidende Ereignis, der Wendepunkt?
Es gibt nicht diesen einen. Bereits 2016 war ich nach einer Thailandreise erst auf einen Rollstuhl und später auf einen Rollator angewiesen. Meine damalige Asien-Reise hatte dramatisch im Krankenhaus geendet. Dort wurde festgestellt, dass ich eine Lungenembolie hatte – mit einem Infarkt in beiden Lungen. Ich wurde auf die Intensivstation verlegt. Das war schon knapp und kam sozusagen noch oben drauf. Das alles machte mir klar, dass ich was tun und endlich abspecken muss.
Welche Rolle spielte dabei Ihre Frau Sylvia?
Sie hat mich immer in meinem Vorhaben unterstützt. Aber zu nichts gedrängt. Nach meinem Urlaub 2019 in Kalifornien ereignete sich dann ein weiterer glücklicher Zufall. Vor dem Besuch beim Sport1-Doppelpass in München traf ich Uli Hoeneß. Wir redeten über alles Mögliche. Als ich mich schon fast verabschiedet hatte, sagte er: „Mensch Calli, was ist eigentlich mit deiner Plauze, willst du da nicht mal was machen?“ Da geriet richtig was ins Rollen. Uli hatte sofort einen Tipp parat und empfahl mir einen Spezialisten. Ich hatte das Thema ja sowieso schon seit Jahren im Kopf und bin direkt am nächsten Morgen zu Professor Karcz ins Uni-Klinikum Großhadern. Und der sagte mir auf den Kopf zu: „Herr Calmund, das geht bei Ihnen nur mit einer Magenverkleinerung, Sie werden in Ihrem Alter das Jo-Jo nie besiegen, das ist wissenschaftlich belegt.“ Und er versicherte mir, dass ich nach der OP ein besseres, angenehmeres und auch längeres Leben haben könnte.
Und dann ging alles ganz schnell?
Fünf Tage später war ich auf dem 70. Geburtstag von Werner Mang und saß mit ihm, Ornella Muti und Fritz Wepper am Tisch.
Mang ist doch eher für plastische Chirurgie und als Nasen-Papst bekannt?
Während ich aufs Vier-Gänge-Geburtstagsmenü wartete, gab ich Interviews und erzählte Werner Mang von meinen Abspeck-Plänen und dem Besuch in der Uni-Klinik Großhadern. „Da muss man dringend was machen“, meinte auch Werner Mang. Und dann erklärte er sich sofort bereit, bei mir im Nachgang überschüssige Hautlappen zu entfernen. Weitere zwei Tage später hatte ich von ihm eine Auswertung vom Adipositas-Verband auf dem Tisch liegen. Und mit am besten bewertet war dort die Sana-Klinik in Offenbach, nur knapp 200 Kilometer von unserem neuen Wohnort Saarlouis entfernt. Ich rief Sigmar Gabriel an, der sich dort auch einer Magenbypass-OP unterzogen hatte und mir nur Positives berichtete. Der Entschluss stand unumstößlich fest.

Reiner Calmund im Gespräch am Kölner Hyatt-Hotel
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Hatten Sie Angst vor dem Eingriff?
Nein, anfangs überhaupt nicht. Aber einen Tag vor der OP schossen mir dann beim Weg zum Krankenhaus verschiedenste Komplikationen durch den Kopf. Ich war zuvor nur einmal operiert worden, als Kind wurden mir vor 65 Jahren im Kölner Hildegardis-Krankenhaus die Mandeln entfernt. Aber nach den Aufklärungsgesprächen in Offenbach war die Angst wie weggeblasen. Der Anästhesist sagte mir noch: „Wir können Sie bei Ihren Werten sogar in den Weltraum schießen.“ Mit der OP und ihren Folgen hatte ich nullkommanull Probleme, nach sechs Tagen durfte ich wieder nach Hause
Doch der Effekt der OP trat ja nicht sofort ein. Außerdem mussten Sie Ihr Essverhalten radikal ändern. Wurden Sie ungeduldig?
Erst hatte es etwas gedauert, aber irgendwann purzelten dann die Pfunde. Dank der Magenbypass-OP, der Ernährungsumstellung und viel Bewegung kam ich auf etwas über 100 Kilo Körpergewicht, durch die Entfernung der Fettschürze im Mai verlor ich nochmal elf Kilo. Heute ernähre ich mich natürlich anders. Wir sprechen von ganz anderen Mengen, vielleicht von gut einem Drittel von dem, was ich vorher gegessen habe. Aber ich esse, was ich will und was mir schmeckt. Heute wiege ich rund 90 Kilo. Das passt. Weniger sollen es auch nicht mehr werden.
Schmieden sie jetzt neue Pläne?
Nein. Ich habe meine Aufgaben, die mich auslasten und mir viel Freude bereiten. Ich möchte einfach noch viele Jahre mit meiner Frau, den Kindern und meinen Freunden das Leben genießen, viel reisen, Freude haben. Und so ist das natürlich erfolgsversprechender.
Sie sind jetzt in einem Alter, in dem Sie es sicher auch ruhiger angehen lassen könnten. Was treibt Sie an?
Im Mittelpunkt meines Lebens steht mittlerweile die Familie. Wir haben ja unser Adoptivkind, Nicha, die kleine Prinzessin. Heute komme ich sicherlich auf 180 Tage Urlaub im Jahr. Und das ist gut so. Ich versuche heute auch, Privates und Geschäftliches zu kombinieren. Ich verstehe jeden Menschen, der es mit Anfang/Mitte 70 etwas ruhiger angehen lässt. Aber ich freue mich guter Gesundheit und habe Spaß an meinen zahlreichen Tätigkeiten und Verpflichtungen, die meine Frau perfekt für mich organisiert und im Blick hat. Diese Aufgaben sind für mich mehr Hobby denn Arbeit. Ich mache sie aus vollster Überzeugung.