Dem deutschen Skispringer gelang im Alter von 33 Jahren eine erstaunliche Steigerung – Bei der Tournee ist er einer der Favoriten
SkispringenWie Pius Paschke vom Schattenmann zum Siegspringer wurde
Die Geschichte des Skispringers Pius Paschke handelt vor allem von Beharrlichkeit, denn der Weg an die Spitze war für ihn beschwerlich und lang. Der Bayer, daheim in Oberaudorf an der Grenze zu Österreich, tummelte sich jahrelang im Continental-Cup, der zweiten Liga dieses Sports. 2017 reichte es zwischenzeitlich sogar nicht mal mehr für den B-Kader. Es ist erstaunlich, wie wenig sich dieser kleine, absprungstarke Mann von diesem Rückschlag beirren ließ.
Nach vielen vergeblichen Anläufen folgte im Februar 2019 ein Karrierehöhepunkt: erster Sieg auf Schnee in Iron Mountain, USA, es geschah im Continental-Cup. Da war Paschke bereits 28 Jahre alt. Und jetzt, viereinhalb Jahre später, gehört Paschke, mittlerweile 33 Jahre alt, zum Kreis der Favoriten der Vierschanzentournee, deren 72. Ausgabe an diesem Donnerstag mit der Qualifikation für das Auftaktspringen in Oberstdorf beginnt.
Mehr noch: Paschke ist nun sogar ein Siegspringer, dazu konstant und die Nummer drei des aktuellen Weltcup-Rankings. Dieser Wandel der Verhältnisse und dieser Aufschwung haben auch etwas mit einer Regeländerung innerhalb des Springer-Kosmos zu tun.
Denn viel ist in diesen Tagen die Rede von einer neuen Messtechnologie, die der Weltverband Fis vor der Saison für die Anzüge der Springer eingeführt hat. Männliche und weibliche Skispringer wurden vor dem Start in den Winter mit einem digitalen Bodyscanner vermessen. Daraus ergeben sich Körpermaße, nach denen sich die Anzuggröße bemisst. Zuvor gab es immer wieder offensichtliche Probleme mit den Suits, die ihm Bereich des Schritts zu viel Stoff aufwiesen, was eine gewisse Tragfläche in der Flugphase bietet. Nach dieser Regeländerung verschwanden einzelne Springer aus den Siegerlisten. Das prominenteste Beispiel ist Halvor Egner Granerud, der aktuelle Weltcup-Sieger aus Norwegen, der in den bisher acht Springen des Winters noch überhaupt nicht zu seiner Form gefunden hat.
Umgekehrt gibt es die Springer des Deutschen Ski-Verbandes um Andreas Wellinger, Karl Geiger und eben Paschke, die von den Neuerungen wegen ihrer Absprungstärke und ihrer Flugästhetik profitieren. Die Variation „war sicher nicht zu unserem Schaden. Andere Teams mussten sich mehr umstellen als wir. Wir haben das neue Reglement von Anfang an konsequent umgesetzt“, erzählt Paschke. Hinzu kam nach einer schwachen Vorsaison eine akribische Flugschulung im Windkanal plus eine Variation im Betreuerteam neben Bundestrainer Stefan Horngacher. Das alles spülte die Arrivierten wie Wellinger und Geiger nach vorn im Klassement und auch völlig unverhofft Pius Paschke, den Veteranen des Teams.
Paschke verblüffte gleich zum Auftakt des Weltcup-Winters im finnischen Ruka mit Platz zwei, in der Folge landete er bei allen sieben weiteren Springen dieser Serie unter den besten Zehn, ehe er im schweizerischen Engelberg am 16. Dezember gewann und einen Tag später Dritter wurde. Ältester Premierensieger des Weltcups ist Paschke nun, der auf einem Formhoch segelt, das ihn selbst am staunen lässt: „Dass es jetzt so funktioniert, ist einfach Wahnsinn“, sagt er.
Paschke erläutert zudem, dass der Sturz aus dem B-Kader etwas in ihm ausgelöst hatte: „Das war tatsächlich ein Kick.“ Er war fortan sehr auf sich alleine gestellt, hat sich aber entschieden, mit seinem Heimtrainer weiter hart an Fortschritten zu arbeiten. Im Winter 2019 schaffte er schließlich doch noch in den A-Kader, dem er seitdem angehört. Punktuell starke Ergebnisse lieferte Paschke partiell, so war er ein Teil des Teams, das bei der nordischen Ski-WM 2021 Gold gewann. Doch Paschke fehlte die Konstanz. Vor allem in den Einzelwettbewerben.
Dass sie nun ganz offensichtlich vorhanden ist, hat auch mit der Hilfestellung zu tun, die Paschke von einem Sportpsychologen erhielt, Thomas Ritthaler mit Namen. Er sei anfällig für Einflüsse von außen gewesen, sagt Paschke, die Arbeit mit Ritthaler habe ihm geholfen, diese negativen Wellen abzuwehren. Jetzt gelinge es ihm besser, „bei mir zu bleiben“. Er wisse nun zudem, was er in entscheidenden Momenten machen müsse, wie er sich beruhigt, wenn der Stress zu groß wird.
Routinierter Umgang mit Rückschlägen
Dass er, Pius Paschke, der einstige Schattenmann, sich nun als einer der strahlenden Sieganwärter von Schattenbergschanze in Oberstdorf abstoßen wird, mache ihm auch dank seiner gelebten Erfahrungen und seinem routinierten Umgang mit Rückschlägen nichts aus: „Es ist wohl so, dass ich zu den Favoriten gehöre. Dagegen wehre ich mich auch gar nicht.“ Dass es so weit gekommen ist, lässt Paschkes Teamkollegen Karl Geiger staunen. Das Durchhaltevermögen seines Kollegen findet er schlicht „bewundernswert.“
Mit den gesteigerten Leistungen wachsen gewiss auch die Erwartungen, nicht nur die eigenen, sondern auch die des lautstarken Publikums am Schattenberg. Andere stünden gewiss noch mehr im Mittelpunkt als er, sagt Paschke dazu, doch seine neue Rolle, „die nehme ich gerne an“. Sein Ziel sei es, diesmal seine beste Tournee zu springen. Die Chancen stehen bestens. Seine bisherige Top-Platzierung bei dem Springerkonvent von den vier Schanzen: Platz 20 im Jahre 2020.