Speerwerfer Mathias Mester im Interview„So funktioniert Inklusion“
- Mathias Mester, geboren am 15. September 1986 in Münster, Para-Speerwerfer beim 1. FC Kaiserslautern, unter anderem viermaliger Speerwurf-Weltmeister, drei Mal Weltmeister im Kugelstoßen und Diskuswerfen.
- Nach der Verschiebung der Paralympischen Spiele 2020 auf 2021 sorgte Mester in den Sozialen Medien mit seinen „Parantänischen Spielen“ für Furore.
- Er präsentierte lustige Videos vom Sporttreiben in häuslicher Quarantäne, wobei er mit seinem Kleinwuchs kokettierte. Im Interview spricht er über seinen Humor in der Krise und die Paralympics.
Herr Mester, Wettkämpfe gab es für Sie im vergangenen Jahr kaum, aber untätig waren sie nicht. Seit Beginn der Corona-Pandemie haben Sie sich endgültig als Comedian des deutschen Para-Sports etabliert.Man muss ein bisschen erfinderisch sein. Also habe ich die Parantänischen Sommer- und Winterspiele auf die Beine gestellt. Ich habe gesagt: Ich bin so gut drauf. Wenn ich nicht zu den Spielen kann, kommen die Spiele eben zu mir nach Hause in die Quarantäne. Da ich eh so ein verrückter, bekloppter, positiv denkender Vogel bin, wollte ich die Leute ein bisschen vom Alltag ablenken und ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Das ist mir glaube ich gelungen. Und über den Verkauf von virtuellen Tickets habe ich auch noch knapp 18000 Euro für gemeinnützige Zwecke zusammenbekommen.
Waren Sie in all der Zeit tatsächlich immer so fröhlich, wie es in Ihren Videos scheint?
Natürlich gab es auch für mich mal schwierige Phasen, ich bin nicht immer der positive, verrückte Vogel. Mir geht es auch mal nicht gut und ich denke, dass alles blöd ist. Aber bevor ich in ein Loch falle, packe ich die Dinge an und gebe Gas. Ich versuche dann immer direkt, mich wieder zu motivieren. Sei es im Sport oder bei den verrückten Sachen, die ich immer so mache.
Wie war 2020 für Sie? Die Paralympics sollten der große Höhepunkt sein – und dann war so gut wie nichts.
Es war ein turbulentes Jahr. Während des ersten Lockdowns im Frühjahr konnten ja auch wir Profisportler für vier Wochen nicht trainieren. In anderen Nationen wurde aber weiter trainiert, da war keine Chancengleichheit mehr gegeben. Insofern war ich froh, als Olympia und die Paralympics verschoben wurden. Dass wir dann irgendwann wieder anfangen konnten zu trainieren, verdanken wir glaube ich zu großen Teilen dem Fußball. Es konnte ja nicht sein, dass es bei denen wieder geht und bei uns nicht. Die wollen Europameister werden, und ich will Paralympicssieger werden. Jetzt können wir also unter Auflagen wieder normal trainieren und sind gespannt, ob die Spiele im Sommer wirklich stattfinden.
Fühlen Sie sich denn gut vorbereitet?
Tatsächlich ja. Ich bin gut drauf, ich habe sehr, sehr viel Gas gegeben. Das werden meine letzten Paralympischen Spiele sein, und ich werde alles geben für mein großes Ziel, für die Goldmedaille. Natürlich fehlen die Wettkämpfe, die im vergangenen Jahr nicht stattgefunden haben. Aber ich bin einer der alten Hasen, ich weiß, wie es sich anfühlt, an Paralympischen Spielen teilzunehmen. Ich weiß, wie ich mich pushen kann.
Die Resonanz auf Ihre Parantänischen Spiele war groß, wahrscheinlich größer als sie nach einem Paralympicssieg gewesen wäre.
Das ist so, ja. Allein in den Sozialen Medien, also ohne Fernsehen, haben wir knapp sieben Millionen Menschen erreicht. Das war schon eine Nummer.
Es wissen sicherlich nicht sieben Millionen Menschen, dass Ihr Kollege Niko Kappel im vergangenen Jahr einen Weltrekord gestoßen hat.
Das weiß ich natürlich nicht. Aber wir haben ja schon viele Geschichten zusammen gemacht. Wer von uns wer ist, wird auch gern mal verwechselt. Aber es stimmt schon, dass die Leute in mir nicht mehr in aller erster Linie den Sportler sehen, sondern eher den Komiker. Den Mann, der im Flugzeug im Gepäckfach liegt (Anspielung auf einen Post, mit dem Mester ein großes Medien-Echo erzeugte, Anm. d. Red.) und den Erfinder der Parantänischen Spiele.
Stört Sie das?
Absolut nein. Nach den Paralympics in Rio war ich mal mit Niko in Köln beim Einkaufen, als wir von einem Mann angesprochen wurden: Sie sind doch der Goldmedaillengewinner, Herr Kappel, oder? Dann haben die sich zehn Minuten unterhalten und ich stand daneben. Irgendwann hieß es: Sie kenne ich doch auch. Und ich: Ja klar, ich war auch da, fünfter Platz, Speerwurf. Und der Mann: Nein, Sie sind doch der Typ aus dem Flugzeug. Und ich dachte: Genau, ich war nur mit, weil ich im Flugzeug im Gepäckfach lag. Aber das bin ich. Es ist okay, wenn ich als Spaßvogel rüberkomme. So fallen Barrieren, so funktioniert Inklusion. Es machen sich ja nicht alle Menschen nur über mich lustig, sondern ich kann etwas damit erreichen. So wird der Parasport bekannter, so wird die Distanz zu Menschen mit Behinderung kleiner. Ich finde es wichtig, über sich selbst lachen zu können.
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Sind Sie schon immer so humorvoll mit Ihrem Kleinwuchs umgegangen?
Ich bin tatsächlich so. Natürlich kommt man in der Kindheit auch irgendwann an seine Grenzen. Irgendwann wird einem bewusst, dass man anders ist als andere. Das ist dann auch mal nicht so schön. Aber grundsätzlich habe ich immer bekloppte Sachen gemacht und viel gelacht. Das ist einfach meine Natur. Mein Eltern und meine zwei jüngeren Geschwister sind alle normal groß, ich weiß nicht, warum das bei mir anders ist. Aber ich bin zufrieden mit mir. Ich werde manchmal gefragt, ob ich gern mal groß wäre. Basketballer für einen Tag. Nö, das lehne ich dankend ab. Ich möchte nicht tauschen. Ich bin glücklich, wie ich bin. Anders hätte ich viele tolle Sachen gar nicht erleben können.