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Stefanie Dohrn aus Wermelskirchen28-Jährige steht zwischen Uni und Spitzensport

Lesezeit 4 Minuten

Stefanie Dohrn beim Etappenrennen Engadin Bike Giro in den Schweizer Alpen.

Wermelskirchen – Wenn es zäh wird, die Beine schon längst brennen, der härteste Anstieg des Rennens aber erst noch vor ihr liegt, dann ist Stefanie Dohrn in ihrem Element. Vielleicht seien es der Biss und der Ehrgeiz, den man dann braucht, die sie antreiben, erzählt sie bei einer Trainingsrunde im Wald. Beides hat Stefanie Dohrn ganz sicher, sonst hätte sie sich für einen einfacheren Weg entschieden. Seit neun Jahren fährt die 28-Jährige Rennen in der Disziplin Mountainbike Marathon. Zwischen 60 und 120 Kilometer Strecke absolviert sie jeden Tag im Training.

Der Mountainbikesport

Im Mountainbikesport gibt es drei Disziplinen: Cross Country, Downhill und den Marathon. Im Cross Country durchfahren die Sportler mehrmals eine Rundstrecke, zwischen drei und neun Kilometern, mit verschiedenem Untergrund. Seit 1996 ist die Sportart olympisch. Bei Downhill geht es bei starkem Gefälle stetig bergab, wobei die Strecke möglichst schnell zurückgelegt werden soll. Beim Marathon legen die Fahrer die längsten Distanzen zurück. Vom Start bis zum Ziel sind sie auf einer Langstrecke zwischen 60 und 160 Kilometern unterwegs. Die Routen liegen teilweise in über 2000 Meter Höhe. (eku)

Quasi nebenbei promoviert sie an der TU Dortmund im Fach Chemieingenieurwesen. „Vormittags bin ich im Labor, mittags dann im Homeoffice. Dazu fahre ich jeden Tag eine Trainingsrunde, zwischen 1,5 und sechs Stunden lang“, erzählt sie aus ihrem Alltag. Entscheidend dafür, dass dieser Spagat gelingen kann: Die Strukturen und Menschen um sie herum. „Der Tag hat nur 24 Stunden. Nur weil ich weiß, dass ich ein gutes Team um mich habe, funktioniert das“.

„Ich ruhe gerade in mir wie nie zuvor“

Seit zwei Jahren ist Stefanie Dohrn Teil des MTB Marathon Teams Centurion Vaude. Hier hat sie sich dank professioneller Umgebung entwickeln können. Mechaniker, Physiotherapeuten, sportliche Leiter, die beraten und unterstützen. Als Gruppe sei alles ein bisschen leichter und man habe „ein anderes Auftreten“, sagt Dohrn. Auch gegenüber Sponsoren. Der Mountainbike Marathon existiert völlig unabhängig vom deutschen Fördersystem des Radsports. „Die Fahrer der Disziplin sind komplett auf sich gestellt“, so Dohrn. „Die Gelder werden da verteilt, wo es die meisten Medaillen zu holen gibt. Das ist der Bahnradsport. Da werden der Nachwuchs und die Athleten finanziell unterstützt“, sagt sie. Wenn sie das erzählt, klingt Stefanie Dohrn weder bitter noch unzufrieden.

Im Oktober fährt die 28-Jährige bei der WM im türkischen Sakarya auf den sechsten Platz.

Im Gegenteil. „Mit dem Marathon habe ich für mich den perfekten Ausgleich gefunden. Ich ruhe gerade in mir wie nie zuvor. So wie die Situation ist, macht es mich gerade extrem glücklich.“ Kein Wunder, denn es läuft gut: Im nächsten Jahr schließt sie ihre Doktorarbeit ab, wechselt den Arbeitgeber, der ihr bereits Unterstützung für den Spitzensport zugesichert hat. Und sie ist noch nie so gut gefahren wie Ende diesen Jahres. Dabei hatte sie die Saison schon im Februar abgeschrieben. Schlüsselbeinbruch, Operation, vier Wochen Pause.

Erfolge in der Türkei und in der Schweiz

Acht Monate später gelingt ihr bei der Weltmeisterschaft in Sakarya im Norden der Türkei mit dem sechsten Platz ihr bisher größter Erfolg. Bei dem Rennen habe einfach „alles gepasst“, sagt sie. Ein Grund für das unerwartete Ergebnis: Die Corona-Pandemie. Während andere Fahrerinnen in ein Loch gefallen sind, haben Stefanie Dohrn die letzten Monate Auftrieb gegeben. Nach der Verletzung hatte sie Zeit, wieder ins Training zu kommen. Die Pandemie zwang sie dann ins Home Office. Und plötzlich war ihr Modell zwischen Job und Spitzensport der Weg zum Erfolg.

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Sie konnte flexibler trainieren, Einheiten einschieben, wann immer es passte und so ihre Zeit bestmöglich nutzen. „Ich bin gute Werte gefahren und habe mich dann gefreut, dass Rennen stattfanden und ich meine Form zeigen konnte“, so Dohrn. Im Juli dann die Chance: Das Swiss Epic Rennen in den Schweizer Aplen fand trotz Corona statt. Ohne Zuschauer, ohne Siegerehrung. Dohrn trat im Zweierteam mit Elisabeth Brandau an, der Deutschen Meisterin im Cross Country. Platz zwei in der Gesamtwertung. Ein „gigantisches Ergebnis“, sagt sie.

Neue Mountainbike-Saison startet im Mai

Ob die Weltmeisterschaften in der Türkei stattfinden würden, blieb lange unklar. Dass die Veranstalter sich doch für die Austragung entschieden, war aus Sicht von Stefanie Dohrn nicht nur sportlich wichtig: „Das Event hatte eine extreme Wirkung in der Region. Fast alle Athleten waren angereist. Gerade wegen der politisch schwierigen Situation hat man gemerkt, dass die Menschen da eine andere Facette von sich zeigen wollten. Die haben das toll gemacht. Dadurch, dass man mit Sport die Leute ins Land holt, konnten sie positiv auf sich aufmerksam machen.“

Mit dem Erfolg bei der Weltmeisterschaft endet für Dohrn die Saison 2020.

Die Strecke in der Türkei passte ihr genau. „Konditionell sehr anspruchsvoll, wo man lange kämpfen muss, in der es schöne Trails gibt, lange Anstiege. Umso mehr Berg, desto besser“, sagt sie. Dohrn geht nach dem sechsten Platz zufrieden in die Pause. Im Mai nächsten Jahres startet in Europa die neue Saison. Anderthalb Wochen ließ sie nach dem WM-Rennen die Finger vom Rad. Dann „konnte sie es doch nicht lassen“ und begann wieder mit dem Training. Stefanie Dohrn hat gefunden, was sie glücklich macht.