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Kommentar

Verweichlicht der Kinderfußball?
Warum FC-Trainer Baumgart diesmal gründlich daneben liegt

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Lesezeit 3 Minuten
Kölns Trainer Steffen Baumgart sieht die Reform im deutschen Nachwuchsfußball kritisch.

Kölns Trainer Steffen Baumgart sieht die Reform im deutschen Nachwuchsfußball kritisch.

Der DFB hat im Kinderfußball neue Spielformen, von denen Kölns Trainer Steffen Baumgart wenig hält. Ist seine Kritik berechtigt? In vielen Vereinen schütteln die Kindertrainer den Kopf über den FC-Coach.

Steffen Baumgart, der Trainer des 1. FC Köln, hält nichts davon, dass im neuen Kinderfußball keine Ergebnisse notiert werden und die Tabellen wegfallen. Die neue Generation gehe nur noch den „seichten Weg“, es könne doch nicht wahr sein, dass die Kinder nicht mehr lernen würden, „mit Niederlage umzugehen“, sagte Baumgart in einem Podcast, und erntete für diese Einschätzung viel Beifall. Mit seiner launigen Art, Klartext zusprechen, kommt Baumgart bei vielen Fans gut an. Diesmal liegt der Chefcoach allerdings gründlich daneben.

Niemand versauert auf der Ersatzbank

Ja, im neuen Kinderfußball steht der Spaß im Vordergrund. Statt Sieben gegen Sieben wird Drei gegen Drei gespielt, auf einem Kleinspielfeld mit vier Minitoren. So kommen alle Kinder zu Einsatzzeiten, zu mehr Ballkontakten und lernen, durch schlaue Pässe zum Torerfolg zu kommen. Schon die Bambinis fangen an, klug zu kombinieren, das Spiel zu verschieben und die Überzahl zu nutzen. Es fallen mehr Tore, es wird mehr gejubelt, niemand versauert auf der Bank.

Trotz der klaren Vorteile gibt es viele Ressentiments gegen die Revolution im Kinderfußball - zum Beispiel, weil es keinen Torwart gibt, und wegen der komplexen Spieltagorganisation, die der Fußballverband bislang auf die Vereine ablädt und damit viele Teams vor eine große Herausforderung stellt. Das sind Kritikpunkte, über die man streiten kann.  Fehlende Tabellen jucken die Kinder aber mit Sicherheit nicht.

Die gibt es beim Straßenfußball auch nicht, und sicher dürfte auch Steffen Baumgart als Kind beim Kick auf dem Schulhof stets genau gewusst haben, ob er gewonnen oder verloren hat. Und: Im Gegensatz zum klassischen Ligafußball gibt es auf den Kleinfeldern samstags nicht nur einen Gegner. Bei den Spieltagen messen sich die Teams aus mehreren Vereinen, weswegen es nicht nur ein Spiel gibt, sondern in der Regel fünf bis sechs. Das schult die Kleinen in besonderer Weise darin, mit Sieg und Niederlagen umzugehen - was Baumgarts These ad absurdum führt.

„Erstaunlich unwissend"

In vielen Vereinen schütteln die Kinderfußballtrainer über den FC-Trainer den Kopf. Es sei „befremdlich“, wenn sich Fußballexperten aus dem Profibereich kritisch zum neuen Kinderfußball äußern und sich dabei „erstaunlich unwissend zeigen" würden, sagte Thomas Staak Referent für Kinderfußball beim Fußball-Verband Mittelrhein (FVM) und Koordinator der 3 gegen 3-Liga Köln dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Im neuen Kinderfußball würden die Kinder eigenständig viele Entscheidungen auf dem Spielfeld treffen. „Die Entscheidungsfreiheit stärkt ihr Selbstbewusstsein und ihr Durchsetzungsvermögen. Statt der behaupteten ,Verweichlichung‘ fördern wir die Selbstständigkeit der Kinder - und ihre Leidenschaft für den Fußball."

So sieht es auch FVM-Präsident Christos Katzidis. „Wenn man bei den Jüngsten das Erlebnis und nicht das Ergebnis in den Vordergrund stellt, viele Ballkontakte und Spielen auf allen Positionen ermöglicht, dann werden die Kinder breiter ausgebildet, haben mehr Spielwitz und wir haben später viel mehr Potenzial", ist sich Katzidis sicher: „Genau das ist doch unser deutsches Problem."

Vielleicht ändert Baumgart seine Meinung ja, wenn er sich intensiver mit dem neuen Kinderfußball befassen sollte. Die schräge Botschaft, dass die neuen Spielformen verweichlichte Kicker produzieren, wird bei den Fußballfans, die ihn derzeit in den sozialen Netzwerken für seine Aussagen feiern, aber wohl hängen bleiben. Damit hat der Nachwuchsförderung einen Bärendienst erwiesen - und seine Reputation unnötig selbst beschädigt.