Nach einer Knieverletzung im Sommer hat sich der Offensivspieler beim Drittligisten etabliert.
André BeckerDer vielseitig begabte Angreifer von Viktoria Köln
Es ist schon ungewöhnlich, dass ein Fußballer nach einer schweißtreibenden Trainingseinheit als Erstes zum Buch greift und sich mit Inhalten wie Computer-Programmierung oder Softwareprodukten beschäftigt. Für André Becker sind derlei Betätigungen alltäglich. „Es hört sich vielleicht lustig an, aber ich habe das Programmieren für mich entdeckt“, sagt der Angreifer des FC Viktoria Köln mit einem Lächeln. „Ich lese gerne das ein oder andere Buch über solche Themen.“
Der Werdegang des im brasilianischen Recife geborenen Deutsch-Brasilianers ist ohnehin nicht ganz konventionell verlaufen, vor allem nicht fußballerisch: Im Alter von drei Jahren zog es den kleinen André mit seiner deutschen Mutter und seinem brasilianischen Papa nach Deutschland, Fußball hatte für den 26-jährigen Mittelstürmer zunächst keine Priorität. „Nebenbei habe ich sehr lange Tennis gespielt“, blickt der 1,97 Meter-Hüne zurück. „Erst danach habe ich mich fest für den Fußball entschieden.“
Ein Nachwuchsleistungszentrum durchlief er als Jugendlicher ohnehin nicht, der Durchbruch gelang Becker erst in der Saison 2019/2020 beim FC Astoria Walldorf in der Regionalliga Südwest: Mit 20 Treffern avancierte er zum Torschützenkönig, anschließend flatterten die ersten Angebote beim talentierten „Spätstarter“ rein. „Es gab relativ viele Anfragen, auch aus der Zweiten Liga“, sagt der Mann, der sich sowohl als Brasilianer als auch Deutscher fühlt: „Mit beiden Ländern verbinde ich Familie, Heimat, Kindheit. Sie sind gleichermaßen in meinem Herzen.“
Nach dem Husarenritt durch die baden-württembergische Provinz unterschrieb der Torjäger einen Vertrag beim SSV Jahn Regensburg; der Zweitligist stattete den Angreifer mit einem Kontrakt über drei Jahre aus. Zuvor hatte der vielseitig Begabte noch einen anderen Erfolg gefeiert: Ganz nebenbei baute Becker seinen Bachelor im Ingenieurwesen (Elektrotechnik), obendrein arbeitete er als Vollzeit-Praktikant und hatte Fußball mehr oder minder nur zum Spaß gespielt.
Der Sprung in das Profitum bedeutete naturgemäß die vollkommene Umstellung; die Doppelbelastung zuvor war aus Sicht des Torjägers zuweilen belastend gewesen: „Es gab definitiv mal Phasen, in denen ich ans Limit gekommen bin“, erklärt der Sturmtank, der insgesamt 31 Mal für Regensburg auflief, aber kein Tor erzielte. „Fußball und Studium unter einen Hut zu bringen, war nicht immer einfach. Aber am Ende hat es ja funktioniert.“
Im vergangenen Winter wechselte der „Ingenieur“ auf Leihbasis zum damaligen Drittligisten Würzburger Kickers, konnte den Abstieg aber nicht verhindern. Darüber hinaus zog sich Becker im März einen Innenbandriss im Knie zu, es langte für ihn lediglich zu sechs Einsätzen und zwei Toren für die Unterfranken.
Im Sommer entschied sich der wissbegierige Fußballer zum Umzug ins Rheinland zum FC Viktoria Köln. In den Monaten zuvor hatte ihm sein einstiger Würzburger und jetziger Viktoria-Mitspieler Lars Dietz bereits einiges über seinen neuen Klub verraten. „Da war die Viktoria durchaus ein Gesprächsthema“, bemerkt André Becker.
Nach einer erneuten Knieverletzung in der Vorbereitung hat Kölns Neuverpflichtung inzwischen Fuß gefasst beim Tabellensiebten und in sieben Spielen bereits drei Mal getroffen. Seine berufliche Zukunft – wie sollte es auch anders sein – ist noch nicht programmiert: „Ich möchte mir sämtliche Türen offenhalten“, wagt Kölns Neuerwerbung einen Blick in die Zukunft. „Wenn es im Fußballgeschäft bleibt, freue ich mich, sollte es in der Wirtschaft sein, finde ich es genauso schön.“