Der Sportvorstand des FC Viktoria spricht über die Pläne des Drittligisten und seine Zukunft in Höhenberg.
Viktoria-Sportvorstand Franz Wunderlich„Es kommt der Tag, an dem ich sage: Jetzt ist es vorbei!“
Herr Wunderlich, Sie werden die Spiele des FC Viktoria ab sofort nicht mehr vom Spielfeldrand aus verfolgen. Haben Sie sich schon ein gemütliches Plätzchen im Sportpark Höhenberg ausgesucht?
Na ja, ganz ungewohnt ist die Situation für mich auch wieder nicht. Als Marcus Steegmann (inzwischen Direktor Profifußball bei RW Essen, die Red.) noch Sportlicher Leiter bei uns war, habe ich ja auch schon mal oben unter dem Dach in der Kabine gesessen. Ich werde mir das demnächst mal durch den Kopf gehen lassen...
Die neue Saison steht vor der Tür. Weiche Erwartungen haben Sie?
Ich würde anstatt Erwartungen lieber den Begriff „Hoffnungen“ verwenden. Denn tatsächlich erhoffe ich mir, dass sich der ein oder andere Spieler von uns weiterentwickelt, vor allem unsere jungen Leute. Allerdings gehe ich schon davon aus, dass wir Geduld brauchen, weil wir einen ziemlichen Umbruch vollzogen haben. Gespannt bin ich, wer in die Fußstapfen unserer beiden „Alten“ tritt.
Sie sprechen von Marcel Risse und Ihrem Sohn Mike, die Ihre Karriere beendet haben.
Ganz genau! Solche Typen werden der Liga natürlich fehlen. Es gibt ja kaum noch Spieler heutzutage, die Ecken und Kanten haben.
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Ist eine Hackordnung in einer Mannschaft inzwischen nicht überbewertet? Häufig wird ja auch von flachen Hierarchien geredet.
Natürlich haben sich die Zeiten und auch die Menschen verändert. Es reicht inzwischen eben nicht mehr aus, mit der Faust auf den Tisch zu hauen. Das nimmt dir keiner mehr ab. Andererseits muss eine Mannschaft aber eine Führungsstruktur haben, und da fordere ich von dem ein oder anderen schon etwas mehr ein. Wir haben auch gute Charaktere im Team, etwa Moritz Fritz, Michael Schultz, Simon Handle oder Christoph Greger.
Wie sehen Sie die Mannschaft sportlich aufgestellt? Nicht nur die beiden Routiniers, sondern auch andere Leistungsträger haben die Viktoria verlassen.
Fakt ist, dass wir uns gerade im Mittelfeld mit Bryan Henning und Donny Bogicevic, der über unglaublich viel Talent verfügt, richtig gut verstärkt haben. Hinzu kommen mit Stefano Russo, Valdrin Mustafa und Suheyel Najar noch drei weitere Fußballer mit reichlich Potenzial. Wofür das am Ende reicht? Stellen Sie mir die Frage vielleicht in einem halben Jahr noch mal (lacht).
Also gehört der FC Viktoria nicht unbedingt zu den Aufstiegsaspiranten?
Da bin ich Realist: Als Mitfavorit sehe ich uns eher nicht. Nochmals: Wir haben sicher eine gute Truppe beisammen und haben uns auch prima ergänzt. Aber ich kann mich in dieser Liga ja jetzt nicht hinstellen und ankündigen: „Wir wollen aufsteigen!“ Das würde den Druck auf die Mannschaft doch ins Unermessliche treiben. Dafür gibt es zu viele potenzielle Aufsteiger. Und Geheimfavoriten entwickeln sich eh im Laufe der Saison. Wie der SV Elversberg im letzten Jahr.
Wer sind die Titelkandidaten?
Ganz dick auf meinem Zettel steht Dynamo Dresden, denn Markus Anfang leistet da als Trainer herausragende Arbeit. Arminia Bielefeld und die übrigen Zweitliga-Absteiger haben natürlich auch eine unfassbare Wucht. Aber auch die müssen sich erst mal an die Dritte Liga gewöhnen und werden sich bestimmt häufiger umgucken als ihnen lieb ist. Es wird spannend.
Die letzte Spielzeit war die erfolgreichste seit Viktorias Drittliga-Zugehörigkeit. Gilt es, diese Marke zu toppen?
Platz neun würde ich definitiv sofort wieder unterschreiben! Ein ähnliches Abschneiden wie in der abgelaufenen Saison wäre für mich ein Erfolg.
Zur Person: Franz Wunderlich (59), geboren in Köln, ist seit Juli 2014 Sportvorstand des FC Viktoria Köln. In seiner aktiven Karriere spielte er u.a. für Viktoria Köln, 1. FC Köln, Winfriedia Mülheim und Jülich 10. Für den FC absolvierte Wunderlich in der Saison 1990/91 zwei Spiele in der Fußball-Bundesliga.
RW Essen hat Marvin Obuz vom 1. FC Köln ausgeliehen. Wäre er als gebürtiger Kölner nicht auch ein Kandidat für die Viktoria gewesen?
Natürlich haben wir uns auch über ihn unterhalten, im letzten Jahr sogar intensiver. Wir waren aber frühzeitig schon ziemlich weit in unseren Planungen und sind gerade auf den Außenbahnen mit Marseiler und Najar richtig gut besetzt.
Mit Stephan Küsters haben sie einen neuen Sportlichen Leiter hinzugeholt. Ziehen Sie sich allmählich zurück?
Für mich war es definitiv an der Zeit, einen Schritt zurück zu machen. In den letzten 13 Jahren ist eine Menge Lebensqualität und Energie auf der Strecke geblieben, zudem werde ich in diesem Jahr 60 Jahre alt und möchte so langsam auch mal an mich denken. Ich muss also nicht mehr jeden Tag überall dabei sein, bin aber natürlich weiterhin in sämtliche Entscheidungsprozesse involviert. Es wird aber bestimmt der Tag kommen, an dem ich sage: „Jetzt ist es vorbei!“
Der Etat der Mannschaft wurde im Vergleich zur letzten Saison reduziert. War das ein notwendiger Schritt?
Na ja, es ist ja durchaus so, dass wir uns in einem wirtschaftlichen Rahmen bewegen, der völlig in Ordnung ist. Auf der anderen Seite trage unter anderem auch ich die Verantwortung für den kompletten Verein – auch für unsere tolle Jugendabteilung. Wer garantiert dir denn, dass du mit einem höheren Etat zwangsläufig in die Zweite Liga aufsteigst? In dieser Liga gibt es unfassbar viele Klubs, die hoch wollen, dafür brauchst du ein ganz anderes Gehaltsniveau, um solche großen Ziele zu erreichen. So etwas machen wir nicht mit!
Zum Auftakt empfangen sie in der Liga den SC Verl und anschließend im DFB-Pokal Werder Bremen. Was ist in diesen beiden Spielen möglich?
Wir starten mit einem Heimspiel, das wir natürlich gewinnen wollen. Werder ist ein toller Gegner mit einer riesigen Fanbase. Im Pokal haben wir es den Favoriten aber immer schwer gemacht. Bremen wird sich also warm anziehen müssen.