Dieser Tatort ist wie seine Protagonistin: Ruhig, unauffällig und eintönig – bis es knallt. Dann verrennt er sich in der Weltgeschichte.
So war der „Tatort“„Mission: Schrebergarten“ will die Weltgeschichte ändern
Die Einstiegsszene auf der Seebrücke im niederländischen Scheveningen zeigt sofort, dass der „Tatort: Unter Gärtnern“ nicht in Münster bleiben, sondern in die Weltgeschichte will. Die mysteriöse Identität des Opfers wird bis zur Krimi-Halbzeit aber leider komplett ignoriert.
In der Zwischenzeit stolpern die Ermittler im Dunkeln über Klischees im Schrebergarten („Pflanzen-Faschisten“) und politische Spitzen (Liefers’ Charakter: „War es ein Virus? Die waren in letzter Zeit sehr nervig“). In den Schlussminuten überschlagen sich die Ereignisse: Es geht vom Münsteraner Schrebergarten nach Stockholm über eine Al-Qaida-Zelle in Daressalam bis in den Moskauer Kreml. Was war das denn jetzt?
Der Fall im „Tatort“ aus Münster
Eine Frau stirbt in ihrer Parzelle, scheinbar ohne Fremdeinwirkung. Hauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl) will den Fall als „alte Frau, tot, Ende“ abschreiben, als er zwei Eichhörnchen tot neben der Leiche findet. Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) und Medizinerin „Alberich“ (ChrisTine Urspruch) verzweifeln in der Pathologie, bis sie ein gruseliger Fund im Schrebergarten auf die richtige Fährte bringt.
Die Auflösung zum „Tatort“ aus Münster
Die Postkarten, die das Mordopfer an ihren Geliebten geschickt hatte, entpuppen sich als Schlüssel des Falls. Die ach so liebe Oma war eine CIA-Auftragsmörderin mit einer Karriere, mit der nur eine Villanelle aus „Killing Eve“ Schritt halten kann. Und ihre Morde sind dann auch noch so geopolitisch folgenreich, wie die eines Tom Cruise aus „Mission: Impossible“. Ok, cool. Und wie wurde sie ermordet?
Ist das Havanna-Syndrom echt?
Die Antwort lautet „Havanna-Syndrom, Fragezeichen.“ Die Scheinkrankheit passt zwar in die Welt der Geheimagenten, wird aber nicht weiter erklärt. Scheinbar schaltet der russische Geheimdienst mit einer magischen Mikrowellen-Pistole seine Gegner aus.
Das Fazit zum „Tatort“ aus Münster
Der 45. Münster-„Tatort“ erzählt einen Mordfall in einem Schrebergarten, der geschichtsträchtig sein will. Um nicht ein Multiversum aufzumachen, zerstören die russischen Agenten aber in letzter Sekunde alle mühselig aufgearbeiteten Beweise. Das ist unbefriedigend.
Dabei merkte man dem Team von Regisseurin Brigitte Maria Bertele die Lust am Filmemachen an. Vom Tod der Auftragsmörderin, der tontechnisch gut in Szene gesetzt wird, bis zu Details wie dem Eiswagen, der irgendwie immer in Thiels Nähe auftaucht. Leider spielt die Handlung viel zu wenig im Schrebergarten, wo es doch so viele unterhaltsame Dynamiken zu erkunden gibt.
Stattdessen fuhr Drehbuchautorin Regine Bielefeldt die 007-Schiene. Auch okay. Doch die internationale Tragweite des Falls wäre glaubhafter gewesen, wenn sie auf dem Weg zur Auflösung nicht so viele Handlungslücken aufgerissen hätte. All die Jahre ist das riesige Geheimzimmer in der Laube nicht aufgeflogen?
Immerhin sagt der Fall etwas Versöhnliches über das Älterwerden aus. Hinter dem Schein einer alten, unsichtbaren Frau verbirgt sich so einiges. Doch dieselbe Empathie schenkt Bielefeldt nicht allen. Stereotype nutzt sie fast schon als Stilmittel. Hinter jedem Witz steckt ein Klischee, das – um Prahl zu zitieren – „älter als mein Vater ist.“ Die Miese-Sprüche-Kasse, in die Boerne ständig einzahlen muss, ist regenbogenfarben, weil das anti-woke ist. Die Regisseurin rühmte das Münster-Format als „Pionier in der Crime-Comedy“, das sich „immer wieder auf umstrittenes Terrain“ begibt, wie sie dem WDR sagte. Dieser „Tatort“ begibt sich vielleicht auf solches Terrain, spielt dort aber nur herum, anstatt etwas Neues zu bieten.