Bienengift, südamerikanische Killer, radikale Männerhasserinnen. Der neue Münsteraner Tatort verlor sich in zu vielen wirren Wendungen.
So war der „Tatort“ aus MünsterÜbertriebene Plottwists rauben nicht nur Thiel und Boerne den letzten Nerv
Ein Geflecht aus Lügen wird Stan Gold (Detlev Buck) im neuesten „Tatort“ aus Münster zum Verhängnis. Der gebürtige Münsteraner, der eigentlich Horst „Hotte“ Koslowski heißt, wurde in „Der Mann, der in den Dschungel fiel“ jüngst zum Stadtschreiber Münsters erkoren. Kurz nach der Verleihung erstickt der Bestseller-Autor beinahe wegen eines allergischen Schocks durch einen vermeintlichen Bienenstich.
Glücklicherweise ist Rechtsmediziner Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) als Stifter des Literaturpreises vor Ort. Mit einem provisorischen Luftröhrenschnitt kann Gold vor dem Erstickungstod bewahrt werden.
Der „Tatort“-Fall aus Münster: Erst Bienengift, dann ein Scharfschütze
Der allergische Schock wurde durch synthetisches Bienentoxin ausgelöst. Es war also ein Mordversuch. Stan Gold bekommt Polizeischutz, höchstpersönlich von seinem alten Schulfreund und Kriminalhauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl). Ein Scharfschütze schießt wenig später auf beide, weshalb die nächste Sicherheitsstufe hermuss. Alle Beteiligten müssen in ein Safehouse im abgelegenen Münsterland wechseln.
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Schnell wird Pablo, ein Guerilla-Krieger und Rebellenanführer aus Paraguay, zum Hauptverdächtigen. Er hasse Stan Gold, erzählt der Schriftsteller, Pablo will ihn töten. Aus Rache. Gold habe ihn bei einem millionenschweren Waffendeal bestohlen.
Die Fahndung nach Pablo scheint aussichtslos, bis die Polizei ein Handy in der Nähe des Safehouses orten kann, welches schon bei der Stadtschreiber-Ernennung und den Schüssen in der Nähe Golds war. Wieder wird geschossen. Doch dabei wird nicht Gold getroffen, sondern sein kleiner Hund Hemingway. Und seine Freundin und Managerin Sabina Kupfer (Eva Verena Müller), die schlafend im Bett lag, Hemingway auf ihr.
Die Auflösung zum „Tatort“: Der Täter ist kein Killer aus Paraguay, sondern eine österreichische Männerhasserin
Pablo wird von Thiel und der Polizei festgenommen. Die Überraschung: Pablo ist eigentlich eine österreichische Frau namens Lisa (Henriette Heine). Sabina Kupfer zu töten, sei niemals ihre Absicht gewesen. Sie seien nämlich beide Teil der „Toxic Male Killers“ gewesen, einer Online-Community für Frauen, die laut Lisa „unter der scheiß toxischen Männlichkeit“ leiden. Eigentlich sollte nur Hemingway, der Hund von Gold, erschossen werden.
Rechtsmediziner Boerne entdeckt derweil bei der Obduktion von Sabina Kupfer einen Chip in ihrem Backenzahn. Auf ihm findet sich die wahre Vergangenheit von Stan Gold, recherchiert von seiner Managerin. Der Autor ist ein krankhafter Lügner, diagnostiziert Boerne. Golds Geschichte, die er in seinem Bestseller verarbeitete, verlief völlig anders. Statt eines Flugzeugabsturzes über dem Dschungel Paraguays vor 15 Jahren saß Gold 15 Jahre in Südamerika im Gefängnis. Wegen eines gescheiterten Banküberfalls.
Gold hatte Angst, dass Kupfer die Wahrheit über ihn veröffentlicht, wenn er sich von ihr trennt, und so alles verliert: den Erfolg, seine immer noch geliebte Ex-Freundin und den Kontakt zu seiner Tochter. Deshalb wollte er seine Managerin abschrecken. Er nahm in ihrem Namen über die „Toxic Male Killers“ Kontakt zu Lisa auf und tötete den Hund ihres Ex-Freundes. Im Gegenzug sollte Lisa dann Hemingway erschießen, was tragischerweise aber auch Kupfers Leben kostete.
Überführt wird Stan Gold nur durch echte Polizeiarbeit – Schauspielerei. Kommissar Mirko Schrader (Björn Meyer) verkleidet sich als Pablo und lauert dem Schriftsteller und Frank Thiel auf. Als es dank Kunstblut so aussieht, dass sein Hirngespinst Pablo seinen alten Schulfreund Thiel erschießt, bricht Stan Gold zusammen und gesteht alles.
Fazit zum „Tatort“ aus Münster: Übertriebene Wendungen rauben Potenzial für Dynamik zwischen den Figuren
Überraschende Plottwists gehören mehr oder weniger zum Krimi dazu. Dadurch lässt sich in der Theorie auch Spannung erzeugen. Die Ermittelnden und die Zuschauenden wiegen sich in Sicherheit, der Fall scheint bald gelöst zu sein. Doch dann stellt sich heraus: Der eigentliche Mörder ist doch der Gärtner gewesen. „Der Mann, der in den Dschungel fiel“ schafft es in knapp 90 Minuten entschieden zu viele solcher Wendungen zu bringen.
Zunächst wirkt es so, dass der eifersüchtige Partner der Ex-Freundin von Stan Gold der Täter sein dürfte. Der ist schließlich Apotheker und erzählt Frank Thiel, dass er das Gift leicht selbst herstellen kann. Und dass er Stan Gold umbringen würde, wenn der versuchen würde, ihm seine Frau wegzunehmen. Natürlich wäre das zu leicht. Und der „Tatort“ wäre nach 20 Minuten vorbei.
Vermutlich war die Intention, durch die immer verrückter werdenden Handlungssprünge filmisch das krankhafte Lügen von Stan Gold darzustellen. Eine grundsätzlich schöne Idee, die aber leider einfach nicht gut umgesetzt wurde und für das Gesamtergebnis kontraproduktiv war. Völlig sinnlose und aus dem Nichts kommender Plottwists wie zu den gewaltbereiten und radikalen Männerhasserinnen sind nicht nur für Thiel und Boerne nervig.
Stattdessen hätte es einfach mehr Raum für die Figuren geben müssen. Gerade für Detlev Bucks gut gespielten, exzentrischen, notorisch lügenden Stan Gold. Dessen Dynamik mit dem eingeschworenen Duo Thiel und Boerne hätte richtig unterhaltsam sein können, war so aber eher oberflächlich und hölzern. Der Münsteraner „Tatort“ nimmt sich ja meist nicht bierernst und mischt komödiantische Elemente in die Handlung. Das ist „Der Mann, der in den Dschungel fiel“ enttäuschenderweise aber nicht gelungen.