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Auf der Straße, im Heim oder FrauenhausSo feiern Kölner Kinder, die nicht zu Hause leben, Weihnachten

Lesezeit 7 Minuten
Ein Mädchen mit grauem Kapuzenpullover lehnt in der Nacht an der Gatter eines U-Bahn-Abgangs und hält ein Schild mit der Aufschrift „Weiß nicht wohin heute“ in der Hand.

Auch in Köln verbringen junge Menschen Heiligabend auf der Straße.

Wie fühlt es sich an, Weihnachten nicht im eigenen Zuhause zu feiern? Wir haben uns umgehört, bei jungen Menschen in Köln und der Region.

„Am Anfang habe ich meine Mutter vermisst, aber je älter ich wurde, desto mehr habe ich begriffen, dass sie sich um mich nicht kümmern kann, und dass sie mir niemals dieses besondere Gefühl von Weihnachten hätte geben können“, sagt Cybell.

Wie tausende andere Kinder und Jugendliche in Köln und der Region wird die 24-Jährige auch diesen Heiligabend nicht zu Hause verbringen, weil sie in einer Wohngruppe, was schöner klingt als Waisenhaus, aufwuchs. Andere betroffene junge Menschen leben auf der Straße, kommen in einer Notunterkunft unter oder im Frauenhaus.

Ein heimlich werkelndes Christkind und andere schöne Weihnachtsrituale

„Heiligabend in der Wohngruppe verbinde ich mit schönen Ritualen, mit einem verschlossenen Raum, in dem das Christkind werkelt und dem gemeinsamen Tannenbaumschmücken am Tag zuvor“, sagt Cybell, die von ihrem siebten Lebensjahr an bis vor vier Jahren in einer Wohngruppe der Kinder- und Jugendpädagogischen Einrichtung der Stadt Köln (KidS) lebte. Noch heute besucht sie an Weihnachten gerne ihre alte Wohngruppe in Raderthal.

Darüber freut sich auch Andrea Bast. Die Erzieherin arbeitet seit 40 Jahren in Wohngruppen, hat schon mehreren Generationen von Kindern ein zweites Zuhause gegeben – und ein möglichst familiäres Weihnachtsfest beschert: „Wir verstehen uns als Großfamilie und feiern selbstverständlich gemeinsam Weihnachten. Die Kinder, die bei uns leben, sind in dieser Zeit emotional sehr dünnhäutig. Vieles kommt hoch, was im Elternhaus nicht gut gelaufen ist, deshalb versuchen wir, eine heimelige Atmosphäre zu schaffen.“

An Heiligabend vom Kölner Jugendamt in Obhut genommen

Für die Inobhutnahme von jährlich rund 1.100 Kölner Kindern bis 14 Jahren ist der kommunale Jugendhilfeträger „KidS“ zuständig. Die auf das gesamte Stadtgebiet verteilten Erstaufnahme-Stellen für junge Menschen, deren Eltern überfordert sind mit der Erziehung und Versorgung oder die zu Hause seelische, körperliche, sexuelle Gewalt erfahren haben, sind rund um die Uhr geöffnet.

„Wenn ein Kind am 24. Dezember aufgrund einer eskalierenden Situation zu Hause versorgt werden muss, können wir ihm einen sicheren Platz anbieten. Obwohl nie klar ist, ob und wie viele Kinder kommen, sind die Inobhutnahme-Gruppen gut vorbereitet, haben einen geschmückten Baum und Geschenke in petto“, sagt „KidS“-Mitarbeiterin Katharina Waszak. Bis zu drei Monaten leben die Kinder in einer dieser Erstaufnahmeeinrichtungen. In dieser Zeit wird geklärt, ob die Eltern die Versorgung ihres Kindes mit professioneller Unterstützung wieder daheim bewältigen können oder ob das Kind dauerhaft in einer Wohngruppe ein neues Zuhause findet.

„Kinder haben mehr Krisen in der Vorweihnachtszeit“

„Die meisten Kinder haben in der Vorweihnachtszeit mehr Krisen. Manche hoffen, an den Festtagen zu ihren Familien zu fahren und haben Angst vor Enttäuschungen. Unsere gemeinsame Weihnachtsfeier eine Woche vor Heiligabend ist deshalb wichtig für sie. Über die Feiertage sind die meisten Bewohner bei ihren Verwandten oder Freunden. Den Wenigen, die ihre Familie nicht besuchen können, bieten unsere diensthabenden Mitarbeitenden ein familiäres Fest“, sagt Valerie Kreft. Die Sozialpädagogin ist Teamleiterin der Känguru-Koala-Gruppe, einer von aktuell 54 stationären Wohngruppen der Diakonie Michaelshoven mit mehr als 330 jungen Bewohnerinnen und Bewohnern.

Wir erleben häufig, dass bei den Jugendlichen, selbst wenn sie zu Hause Gewalt, Vernachlässigung oder Verwahrlosung erfahren haben, eine große Sehnsucht herrscht, zu ihren Eltern zurückzukehren. Deshalb geht die Weihnachtszeit selbst den Hartgesottenen ans Herz
Anne Rossenbach, SkF Köln-Sprecherin (Sozialdienst katholischer Frauen)

Eine von ihnen ist Lisa Zidek. Die 21-Jährige lebt seit vier Jahren in einer Wohngruppe in Köln-Buchheim und engagiert sich dort im Jugendparlament. „Wir legen großen Wert darauf, dass an Weihnachten alle ihre eigenen Wünsche einbringen können. Dieses wertschätzende Miteinander macht Weihnachten in unseren Wohngruppen zu einem ganz besonderen Tag. Ich persönlich verbinde mit Heiligabend dieses schöne Gefühl, von Menschen umgeben zu sein, die mich mögen und unterstützen.“

„Weihnachten geht selbst den Härtesten ans Herz“

Auch der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) bietet Kölner Mädchen und jungen Frauen, die nicht bei ihrer Familie leben können, sichere Anlaufstellen – von der Inobhutnahme über eine Notschlafstelle für obdachlose Mädchen bis hin zu verschiedenen Wohngruppen, in denen Jugendliche auf ein eigenständiges Leben vorbereitet werden. „Wir erleben häufig, dass bei den Jugendlichen, selbst wenn sie zu Hause Gewalt, Vernachlässigung oder Verwahrlosung erfahren haben, eine große Sehnsucht herrscht, zu ihren Eltern zurückzukehren. Deshalb geht die Weihnachtszeit auch den Härtesten ans Herz“, sagt SkF-Sprecherin Anne Rossenbach.

Nicht jede der derzeit 70 betreuten jungen Frauen ist aufgrund ihrer Herkunft mit Weihnachten vertraut, dennoch hält der SkF am 24. Dezember in allen Wohngruppen an weihnachtlichen Ritualen fest. „Dann kochen wir, essen an einer festlich gedeckten Tafel und es gibt Geschenke. Für die Jugendlichen sind unsere Angebote ein zweites Zuhause, deshalb möchten wir ihnen an diesem besonderen Tag ein Gefühl der Geborgenheit geben.“

Der Druck der Einsamkeit junger Wohnungs- und Obdachloser

Da die Off Road Kids-Stiftung eine Beratungs- und keine Aufenthaltseinrichtung für obdachlose Jugendliche ist, kann sie betroffenen jungen Menschen zwar auch an Weihnachten kein Zuhause bieten – „aber der Druck der Einsamkeit, unter dem fast jeder junge Mensch, der kein Dach über dem Kopf hat, in der Adventszeit leidet, kann in unserer Beratung als Motivator dienen, gemeinsam daran zu arbeiten, bis Weihnachten einen sicheren Ort zu finden und Zukunftsperspektiven zu entwickeln“, sagt Markus Seidel – und kommt auf die Zeit zu sprechen, in der die Idee entstand, „Off Road Kids“ zu gründen.

„An Heiligabend im Jahr 1993 klingelte mein Telefon. Es waren junge Obdachlose aus Köln, die ich während der Recherchen zu meinem Buch ‚Straßenkinder in Deutschland – Schicksale, die es nicht geben dürfte‘ kennengelernt hatte. Einige waren gerade erst 13 Jahre alt. Sie wollten mir ein schönes Fest wünschen. Schnell stellte sich heraus, dass sie, die für gewöhnlich unterhalb des Doms am Teufelsbrunnen lebten, sich aufgrund der bitteren Kälte gerade in der U-Bahn aufhielten, da sie nicht in den Dom durften. Wo‚ Ihr Kinderlein kommet‘ gesungen wurde. Ich war erschüttert. Und entschied, die Gründung einer Hilfsorganisation für Straßenkinder voranzutreiben.“

Schnell stellte sich heraus, dass die teils 13-jährigen Straßenkinder, die für gewöhnlich unterhalb des Doms am Teufelsbrunnen lebten, sich aufgrund der bitteren Kälte gerade in der U-Bahn aufhielten, da sie nicht in den Dom durften. Wo‚ Ihr Kinderlein kommet‘ gesungen wurde. Ich war erschüttert.
Markus Siedel, Gründer der Straßenkinderhilfsorganisation „Off Road Kids“

Mithilfe von Freunden gelang es Seidel ein paar Tage später, den Verein „Off Road Kids“ zu gründen, der später in eine Stiftung umgewidmet wurde. Seit 2005 gibt es – neben Berlin, München, Frankfurt und Dortmund – auch einen „Off Road Kids“-Standort in Köln. Dessen Leiter Sven Aulmannn kennt den Leidensdruck junger obdachloser Menschen, der sich in der Weihnachtszeit verstärkt, aus seinem Beratungsalltag.

Wenn sie dann allerorten, in Social-Media-Kanälen, auf Werbetafeln und in den Einkaufsstraßen, mit dem heimeligen Familienleben der anderen konfrontiert werden, fühlen sie sich noch einsamer. Schließlich sehnen sich die meisten nach einer Familie, Halt und Wärme.
Sven Aulmann, Leiter des Kölner „Off Road Kids“-Standortes

„Wenn sie dann allerorten, in Social-Media-Kanälen, auf Werbetafeln und in den Einkaufsstraßen, mit dem heimeligen Familienleben der anderen konfrontiert werden, fühlen sie sich noch einsamer. Schließlich sehnen sich die meisten nach einer Familie, Halt und Wärme, nach dem, was Weihnachten für andere bereithält.“

Heiligabend ohne Gewalt - Weihnachten im Kölner Frauenhaus

Statistisch gesehen steigt an Weihnachten die häusliche Gewalt an, doch betroffenen Frauen und deren Kindern könnten die beiden, vom Verein „Frauen helfen Frauen“ betriebenen, Kölner Autonomen Frauenhäuser keine Herberge bieten. Denn die 26 Plätze - 106 sollten es laut Istanbul-Konvention in einer Stadt der Größenordnung Kölns sein - sind permanent belegt. Derzeit leben dort 26 Frauen mit ihren 42 Kindern bis zu einem Jahr und länger.

„Diese Jungen und Mädchen mussten alles hinter sich lassen, ihr Zuhause, ihre Heimat, die Schule, Freundinnen und Freunde. Deshalb versuchen wir, ihnen einen stabilen Rahmen und Struktur zu geben“, sagt Juliana Damm von „Frauen helfen Frauen“. Und ihre Kollegin Franziska Ludwig ergänzt: „In der Vorweihnachtszeit kommt die Erinnerung an und die Sehnsucht nach alledem, was die Kinder verlassen und aufgeben mussten, weil sie zu Hause Gewalt erfahren haben, verstärkt auf. Deshalb arbeiten wir viel mit Ritualen, basteln gemeinsam Adventskalender und -kränze, die wir regelmäßig anzünden, backen Plätzchen, feiern Nikolaus, besuchen Weihnachtsmärkte, Schlittschuhbahnen oder den Weihnachtszirkus und gestalten eine gemeinsame Weihnachtsfeier nach den Wünschen der Frauen und ihrer Kinder. Wir versuchen, ihnen damit ein Stück Normalität zu geben, was für andere Gleichaltrige selbstverständlich ist.“

Die Frauen und Kinder kommen aus entfernten Bundesländern, weit genug weg von ihren gewalttätigen Partnern. Einige fahren über die Festtage zu Verwandten in der nahen Umgebung. Doch ein Großteil verbringt Heiligabend im Frauenhaus. Und meistens finden die Kinder dann unter dem Tannenbaum dank engagierter Kölner Spender, genau das, was sie sich sehnlichst gewünscht haben.


So können Sie helfen

Auszug aus dem neuen wir helfen-Flyer 2024_2025

  1. Mit unserer neuen Jahresaktion „wir helfen: dass Kinder wieder mutig in die Zukunft gehen“ bitten wir um Spenden für Projekte und Initiativen in Köln und der Region, die benachteiligten Kindern und Jugendlichen zu einer motivierenden Zukunftsperspektive verhelfen und die Kompetenzen, die sie dafür brauchen, fördern und stärken.
  2. Die Spendenkonten lauten: wir helfen – Der Unterstützungsverein von M. DuMont Schauberg e. V.
  3. Kreissparkasse Köln, IBAN: DE03 3705 0299 0000 1621 55
  4. Sparkasse Köln-Bonn, IBAN: DE21 3705 0198 0022 2522 25
  5. Wünschen Sie eine Spendenbescheinigung, geben Sie bitte +S+ im Verwendungszweck an. Sollten sie regelmäßig spenden, ist auch eine jährliche Bescheinigung möglich. Bitte melden Sie sich hierzu gerne per E-Mail bei uns. Soll Ihre Spende nicht veröffentlicht werden, notieren Sie +A+ im Verwendungszweck. Möchten Sie anonym bleiben und eine Spendenbescheinigung erhalten, kennzeichnen Sie dies bitte mit +AS+.
  6. Bitte geben Sie immer Ihre komplette Adresse an. Auch wenn Sie ein Zeitungsabonnement der „kstamedien“ beziehen, ist Ihre Adresse nicht automatisch hinterlegt.
  7. Sollten Sie per PayPal spenden, beachten Sie bitte, dass Ihre Spende immer anonym ist. Wünschen Sie eine Spendenbescheinigung, schicken Sie eine E-Mail an uns.
  8. Sollten Sie anlässlich einer Trauerfreier, einer Hochzeit oder eines Geburtstags zu einer Spendenaktion aufzurufen, informieren Sie uns bitte vorab per E-Mail über die Aktion. Sehr gerne lassen wir Ihnen dann, zwei Wochen nach dem letzten Spendeneingang, die gesammelte Spendensumme zukommen.
  9. Kontakt: „wir helfen e.V.“, Amsterdamer Straße 192, 50735 Köln Telefon: 0221-224-2789 (Allgemeines, Anträge, Regine Leuker) 0221-224-2130 (Redaktion, Caroline Kron) wirhelfen@kstamedien.de
  10. Mehr Informationen und die Möglichkeit, online zu spenden, finden Sie auf unserer Vereinshomepage >> www.wirhelfen-koeln.de