Das SkF-Projekt „Laura und Laurenz“ sucht und vermittelt ehrenamtliche Familienpatenschaften – Zu Besuch bei einem gelungenen „Match“.
Ehrenamt in Köln„Ich bin Heike, die Dienstagsfrau“
Achim S., der zum Schutz seiner Tochter nicht mit vollem Namen genannt werden möchte, wirkt, auch auf den zweiten Blick, wie ein Mann, der sämtlichen Vorurteilen alleinerziehenden Vätern gegenüber trotzt – gar nicht prahlend, eher en passant. Wenn der 54-Jährige etwa von seinem Alltag mit Tochter Anna, 5, spricht, klingt das nicht nach schwerer Last, sondern selbstverständlich, nicht nach Leistung, sondern Freude. Zufrieden scheint er, optimistisch nach vorne gewandt – statt larmoyant alten Zeiten nachzutrauern, in denen seine Ehefrau, die im Winter 2020 nach einer kurzen und schweren Nervenerkrankung verstarb, noch lebte. Da war Anna gerade eineinhalb Jahre alt.
Im Garten des Pulheimer Reihenhauses von Achim und Anna S. stehen, liegen und hängen bunte Spielfiguren, in der Garage hat Anna erst am Tag zuvor großflächig und mit viel Gerätschaften eine Matschsuppe für ihre Puppen gekocht. In einer Dachnische des obersten Stockwerks ist seit vergangener Woche eine „Krankenhöhle“ eingerichtet – ausstaffiert mit einer Matratze, einem Nachttisch, auf dem sich eine Batterie an Taschentüchern befindet, Trostpüppchen und einer Lampe – zum Vorlesen und Viren vertreiben.
Familienpatin schenkt kölsche Kultur und Alltagsstruktur
„Mit Heike hat sogar die Farbe Pink Einzug in unseren Zweier-Haushalt erhalten“, sagt Achim S., „vorher waren wir eher auf neutrale Farben ausgerichtet“. Heike Stumm, 58, bringt seit dreieinhalb Jahren immer dienstags – und darüber hinaus – viel mehr als nur Pink in Annas und Achims Leben. Die Familienpatin, oder „Dienstagsfrau“, wie sie sich selbst bezeichnet, „schenkt uns neben vielem anderen vor allem Struktur, Verlässlichkeit, kölsche Kultur und enorm viel Kreativität, ermöglicht mir Auszeiten und Anna auch mal eine konsequentere Linie“, sagt Achim S., und möchte von noch mehr Gewinnbringendem berichten – würde Anna nicht in diesem Moment der Geduldsfaden reißen.
„Heike und ich machen so viel schönen Quatsch, tanzen, sogar vor allen Leuten auf dem Spielplatz und singen“, platzt es aus der quirligen Fünfjährigen heraus – und sie gibt eine Kostprobe in astreinem Kölsch: „Mer hevve aff, zum Wolkeplatz, un unger uns dä Puls dä Stadt, un dä jeiht: dam dam dam“.
Perfektes Match und Win-win-Situation
„Perfect Match“ – treffender als der Schriftzug auf Achim S. Kapuzenjacke könnte man das Verhältnis der drei nicht auf den Punkt bringen. „Wir haben uns von Anfang an gut verstanden, sind uns in den meisten Dingen einig und inzwischen gut befreundet. Auch mein Mann und mein großer Freundeskreis sind mittlerweile ab und an am Start, mein Ehrenamt ist eine Win-win-Situation für uns alle“, sagt Heike Stumm.
Eingefädelt hat das „Perfect Match“ die Mitarbeiterin von „Laura und Laurenz“, nachdem sich Achim S. im Frühjahr 2021 auf Anraten des Jugendamtes beim Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) um eine Familienpatin beworben hatte. Das seit vielen Jahren durch Spenden finanzierte Angebot „Laura und Laurenz“ vermittelt Ehrenamtliche an Eltern(teile) wie Achim S..
„Ich war auf fremde Hilfe angewiesen, die Nachmittagsbetreuung des Jugendamtes für Anna lief aus, unsere Familienangehörigen leben weit entfernt, wir sind oft umgezogen, wohnten erst kurz hier in der Region, waren auch aufgrund der schweren Erkrankung meiner Frau und infolge der Pandemie isoliert.“ Etwa zur gleichen Zeit meldete sich Heike Stumm auf der Suche nach einem sinnstiftenden Ehrenamt bei „Laura und Laurenz“.
„Ich wollte meine Freizeit, die ich als Selbstständige gut einteilen kann, Kindern zur Verfügung stellen, da ich selbst keine habe, meine Patenkinder erwachsen sind, und ich, ein verspieltes und verrücktes Huhn, den Draht nach unten nicht verlieren wollte“, sagt Stumm, lacht, und fügt in ernsterem Ton an: „Ich wünschte mir etwas Langjähriges, etwas mit Bindung.“
Großes Herz und gesunder Menschenverstand
Stumm hatte keine großen Ansprüche an den „Einsatzort“, außer dass er im Kölner Westen liegen und es keine Tiere im Haushalt geben sollte, da sie Allergikerin ist. „Ich habe damals gesagt, dass ich nicht mehr zu bieten habe, als ein großes Herz, einen gesunden Menschenverstand und viel Fantasie.“ Die damalige Koordinatorin glich die Wünsche von Heike Stumm mit den Entlastungsanliegen von Achim S. ab, der sich eine Patin wünschte, die Anna nicht zu sehr verwöhnt, ihr die kölsche Kultur und „Frauensachen“ nahebringt – und sorgte, wie in acht von zehn Fällen, auf Anhieb für das perfekte Match. Wie alle Familien werden S. und Heike in der Kennenlern-Phase und darüber hinaus weiter mit Rat und Tat begleitet.
Seit Beginn dieses Jahres ist Susanne Heintz Koordinatorin des auch von „wir helfen“ unterstützten Familienpatenprojekts „Laura und Laurenz“. „Unsere derzeit 37 Ehrenamtlichen sind zwischen 20 und 80 Jahre alt und betreuen 35 Familien. Doch die Nachfrage nach Unterstützung ist wesentlich größer. Deshalb suchen wir Patinnen und Paten, die Spaß daran haben, längerfristig für mindestens drei Stunden pro Woche Zeit mit einem Kind zu verbringen und sich offen auf seine Familie einzulassen“, sagt Heintz.
Auch verlässlich sollten die potenziellen Patinnen und Paten sein, bereit dazu, ein polizeiliches Führungszeugnis vorzulegen und an einer eintägigen Präventionsschulung teilzunehmen. Viele der Familien, die von SkF-Patinnen und Paten betreut werden, sind sogenannte Einelternfamilien – jeder vierte Haushalt in Köln wird von einem alleinerziehenden Elternteil geführt – aber nicht nur.
Da ist die Mutter von drei jungen Kindern, die über Nacht alleine dasteht mit der Verantwortung und sämtlichen Verpflichtungen; die junge Frau, die mit ihrem Mann und ihrem Sohn aus dem Iran floh, kaum in Köln angekommen, aber ohne Ehemann und Vater über die Runden kommen muss – in einem Land, dessen Sprache und landestypische Gepflogenheiten noch nicht vertraut sind. Alleine ist auch die Familie, die zwar von außen betrachtet „intakt“ ist, sprich: über genügend finanzielle Ressourcen und Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder verfügt, wo aber soziale Kontakte fehlen. Weil sie eben erst aus dem Norden der Republik nach Köln gezogen ist.
Unterstützung im Alltag hier, Familienanschluss dort
„Jeder Mensch wünscht sich eine Familie, Geborgenheit und Zuverlässigkeit. Das betrifft Familien, die Unterstützung brauchen ebenso wie Ehrenamtliche, die Familienanschluss suchen. Es ist ein Geben und Nehmen“, sagt Heintz . Oder eine „Win-win-Situation“, wie Heike Stumm ihr ehrenamtliches Engagement bezeichnet, das so viel mehr sei als ein Babysitter- oder Haushaltshilfejob.
„Die Menschheit da draußen mag vielleicht denken: Toll, dass Du das machst! Ich sage: Ich bekomme so viel zurück. Anna hat mir nicht nur die trübe Corona-Zeit erhellt. Wir lachen so viel, tanzen, kochen und basteln. Zu spüren, dass mir Anna und Achim sehr viel Vertrauen schenken, ist ein unendlich schönes Gefühl“, sagt Heike Stumm, die dankbar ist, Anna in ihrer Entwicklung zu unterstützen und beim Aufwachsen begleiten zu dürfen – „am liebsten für immer, ich wäre so gerne eine feste Konstante in ihrem Leben.“
Wie zum Beweis, dass das schon jetzt eine fest abgemachte Sache ist, zeigt Anna beim Abschied auf die Ahnengalerie im Treppenflur: Dort hängen neben Fotos von Familienmitgliedern auch Schnappschüsse von Anna und Heike – beim Karnevalszug, bei der Halloween-Party und – natürlich –vom gemeinsamen Tanz.
Wer Interesse an einer Patenschaft hat, meldet sich bitte beim Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) telefonisch unter 0221-126950 oder per E-Mail unter ehrenamt@skf-koeln.de