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Ehrenamt in Köln„Känguru-Kuscheln“ auf der Frühchen-Station

Lesezeit 6 Minuten
Ein Baby mit einer Sonde in der Nase liegt im Arm einer Frau. Im Hintergrund sind Monitore und medizinische Geräte zu sehen.

Vor allem Frühchen und schwer kranke Babys brauchen viele Nähe und Körperwärme, die ihnen auch ehrenamtlich Engagierte spenden können.

Ehrenamtlich im Einsatz für schwerkranke Kinder: Der Kinderschutzbund Köln sucht Freiwillige für den Krankenhausbesuchsdienst.

Amelies (Name geändert) Zuhause ist die Säuglingsstation der „Kinderklinik“ an der Uniklinik Köln. Das Mädchen ist erst ein halbes Jahr jung und aufgrund eines Gen-Defekts schwer mehrfach behindert. Als ihre Eltern erfahren, dass Amelie nach dem Klinikaufenthalt nicht nach Hause kommen kann und in ein Kinderhospiz entlassen werden muss, überfordert sie das emotional so stark, dass ihre Besuche in der Klinik peu à peu seltener und kürzer ausfallen.

Das Pflegepersonal der Klinik ist allein kaum in der Lage, Amelie die Fürsorge, den Trost, die Nähe und Streicheleinheiten zu geben, die jedes Baby, vor allem aber ein schwer mehrfach behindertes, braucht. Amelie ist kein „Einzelfall“.

Wenn Eltern ihre Kinder nicht in der Klinik besuchen können

Den wenigsten Eltern, deren Kind stationär behandelt wird, ist es möglich, es rund um die Uhr in der Klinik zu betreuen, es zu trösten, ihm Gesellschaft zu leisten, kurz: seinem hohen Bedarf an Zuwendung gerecht zu werden. Der Job, lange Anfahrten, die Betreuung der Geschwisterkinder – für betroffene Eltern kann es viele Hürden geben. Und manchmal sind sie, wie im Fall von Amelie, aufgrund emotionaler Überlastung oder eigener Erkrankung nicht in der Lage, ihre Kinder in der Klinik zu besuchen.

Das rot-Blaue Logo der wir „helfen-Serie“ rund um ehrenamtliches Engagement in Köln zeigt Strichmännchen, die sich an der Hand halten

Logo der „wir helfen“-Serie rund um ehrenamtliches Engagement in Köln

In diesen Situationen springen die derzeit zwölf ehrenamtlichen Mitarbeitenden vom Krankenhausbesuchsdienst des Kölner Kinderschutzbunds helfend ein, schenken den Kindern Zeit, Nähe und Wärme und entlasten damit auch deren Eltern. Im vergangenen Jahr leisteten 13 Ehrenamtliche rund 1.200 Betreuungsstunden in der Kölner „Kinderklinik“. Sie spielten, sangen, hörten zu, malten, lasen vor, gingen spazieren, halfen bei den Hausaufgaben oder waren einfach nur da – um Langeweile, Einsamkeit und Angst zu vertreiben. Was konkret zu tun ist, richtet sich nach dem Alter des Kindes, seiner Erkrankung und den Möglichkeiten auf der Station.

Freiwillige gesucht, die Kölner Kindern Wärme und Nähe schenken

Am 25. September startet die nächste Schulung für Ehrenamtliche beim Kinderschutzbund Köln – für die dringend Interessierte gesucht werden, da der Bedarf an Besuchsdiensten derzeit sehr hoch ist.

Die Kölner Uniklinik ist Schwerpunktkrankenhaus für Frühgeburten, weshalb viele Ehrenamtliche auf der Frühchen-Station im Einsatz sind, wo sie auch das sogenannte Känguru-Kuscheln praktizieren. Dabei legen sie das Baby auf ihre Oberkörper und umhüllen es mit Decken, um ihm ihre Körperwärme zu spenden, damit es nicht seine Energie dafür verwenden muss, die Körpertemperatur zu halten.

Herzensangelegenheit und Win-win-Situation

Studien haben gezeigt, dass sich Frühchen bei intensivem Körperkontakt besser entwickeln, schneller wachsen, seltener schwere Infektionen und Hirnschäden erleiden, weniger schreien und ruhiger schlafen. Als Herzensangelegenheit und Win-win-Situation bezeichnet Ursula Hofmann in einer Instagram-Story das Känguru-Kuscheln – und ihre Aufgabe generell.

Wenn die Kinder von Anfang so viel Körperwärme und Liebe mitbekommen, ist das der beste Start in ihr Leben. Das macht mich sehr glücklich
Ursula Hofmann, ehrenamtlich aktiv beim Krankenhausbesuchsdienst des Kinderschutzbunds Köln

Die pensionierte Krankenschwester arbeitet seit zwei Jahren ehrenamtlich beim Krankenhausbesuchsdienst. „Sobald die Frühchen auf meinem Bauch oder in meinem Arm liegen, sind sie total relaxt – und ich bin es auch. Dann denke ich nicht mehr an meine Sorgen, bin absolut im Hier und Jetzt. Wenn die Kinder von Anfang so viel Körperwärme und Liebe mitbekommen, ist das der beste Start in ihr Leben. Das macht mich sehr glücklich.“

Neben diesen schönen Momenten erleben Ursula Hoffmann und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter vom Krankenhausbesuchsdienst immer wieder auch Schicksale und Belastendes. Mal verschlechtert sich der gesundheitliche Zustand eines Kindes drastisch, ein anderes stirbt gar oder macht einen Entzug durch, da die Mutter während der Schwangerschaft Drogen oder Alkohol konsumiert hat.

Schönes, Belastendes und Schicksalsschläge

Doch mit diesen schwer zu „verdauenden“ Erlebnissen lässt der Kinderschutzbund Köln seine ehrenamtlich Mitarbeitenden selbstverständlich nicht allein. Zum einen ist der Umgang und die Verarbeitung solch belastender Situationen Inhalt des vierwöchigen Vorbereitungskurses. Zum anderen trifft sich die Koordinatorin des Besuchsdienstes Uschka Wermter auch im Anschluss alle sechs Wochen für eineinhalb Stunden – oder bei Bedarf – mit der gesamten Gruppe, um sich gemeinsam über Erlebtes auszutauschen.

Sätze und Einstellungen wie ‚Rabeneltern, man kann doch sein Kind nicht im Krankenhaus alleine lassen‘ oder andere (ab-)wertende Haltungen den Eltern gegenüber sind bei uns tabu
Hans-Jürgen Dohmen, Ehrenamtskoordinator beim Kinderschutzbund Köln

Diese Supervisionen, die Möglichkeit des fachlichen Austauschs mit Experten und Expertinnen des Kinderschutz-Zentrums sowie Schulungen zu bestimmten Themen unterstützen die ehrenamtlich Tätigen dabei, schwierige Situationen nachhaltig verarbeiten zu können. „Es kann vorkommen, dass Kinder während der Besuchszeiten von Gewalt oder anderem Missbrauch erzählen, den sie zu Hause oder anderswo erfahren. Dann sind natürlich nicht unsere Freiwilligen in der Verantwortung zu handeln, sondern meine Kollegen und Kolleginnen der Familienberatungsstelle im Kinderschutz-Zentrum“, sagt Hans-Jürgen Dohmen, Ehrenamtskoordinator beim Kinderschutzbund Köln – und erklärt die Voraussetzungen für eine ehrenamtliche Mitarbeit.

Voraussetzungen für eine ehrenamtliche Mitarbeit

Neben der Freude am Zusammensein und Spielen mit Babys, Kindern und Jugendlichen sollten die Bewerberinnen und Bewerber die Bereitschaft und die Zeit mitbringen, am vierwöchigen Vorbereitungskurs und den Teamtreffen teilzunehmen sowie mindestens einmal pro Woche für zwei bis vier Stunden kranke Kinder und Jugendliche unentgeltlich in der Kinderklinik zu besuchen.

„Außerdem sollten potenzielle, ehrenamtliche Mitarbeitende Verständnis aufbringen können für unterschiedliche Lebenslagen und Probleme von Familien mit schwerkranken Kindern. Sätze und Einstellungen wie Rabeneltern, man kann doch sein Kind nicht im Krankenhaus alleine lassen oder andere (ab-)wertende Haltungen den Eltern gegenüber sind bei uns tabu. Auch sollte, was die Motivation betrifft, das Kind im Mittelpunkt stehen und nicht das eigene Seelenheil, kurz: Man sollte seinen persönlichen Benefit nicht über die Bedürfnisse der Kinder stellen, und auch mal ein Nein eines zu betreuenden Kindes akzeptieren“, sagt Dohmen.

Ehrenamtliches Engagement gehört zum Kinderschutzbund Köln wie das Känguru-Kuscheln zum Besuchsdienst. Schließlich stand der bürgerschaftliche Einsatz für die Interessen und den Schutz der Kinder am Anfang seiner 70-jährigen Geschichte, als Ehrenamtliche im Jahr 1954 den Verein gründeten und über lange Jahre vorantrieben. Erst in den Siebzigern kam es zu ersten Festanstellungen.

Etwa zur selben Zeit entstanden zwei bis heute wichtige ehrenamtliche und – unter anderem von „wir helfen“ – spendenfinanzierte Arbeitsbereiche: Das im Jahr 1970 eingeführte Kinder- und Jugendtelefon und der 1975 etablierte Krankenhausbesuchsdienst, der im Jahr 2002 mit dem Ehrenamtspreis der Stadt Köln ausgezeichnet wurde. Darüber hinaus sind viele der rund 100 Ehrenamtlichen des Kölner Kinderschutzbunds beim Elterntelefon aktiv, helfen mit bei den Kinder-Willkommens-Besuchen von (überlasteten) Familien mit Neugeborenen oder sind als Familien-Partner von geflüchteten oder Migranten-Familien im Einsatz dafür, dass das Wohl und die Interessen von Kindern wie Amelie in unserer Region gewahrt werden.


Jetzt anmelden für den Besuchsdienst- Vorbereitungskurs

Am 25. September 2024 startet die nächste Vorbereitungsschulung für Ehrenamtliche beim Krankenhausbesuchsdienst des Kinderschutzbunds Köln. Sie dauert vier Wochen (5 Tage à 2 Stunden). Es geht unter anderem um Praktisches und Organisatorisches rund um den Besuchsdienst, Hygienestandarts auf der Säuglings- und Kinderstation, Kindeswohl und Kinderschutz, Grenzen und Möglichkeiten des Ehrenamts oder Psychohygiene in belastenden Situationen.

Kurzentschlossene können hier einen Bewerbungsbogen (hier klicken) herunterladen und ihn samt Lebenslauf und Foto bis 20. August 2024 an den Kinderschutzbund Köln, Bereich Ehrenamt, Bonner Str. 151, 50968 Köln oder per Mail senden.

Zum Bewerbungsbogen >>>

Ansprechpartnerin ist Uschka Wermter (0221/ 5 77 77-0). ehrenamt@kinderschutzbund-koeln.de