Ehrenamt in Köln„Meine Patin Kaja soll niemals weggehen“

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Jusef, 10, aus Sysien steht mit seiner Patin Kaja auf einem Spielplatz in Köln Höhenhaus. Er trägt einen Basketball unter dem Arm, im Hintergrund ist ein Basketballkorb zu sehen.

Jusef, 10, mit seiner Patin Kaja auf dem Spielplatz in Köln Höhenhaus.

In Teil 2 der neuen Ehrenamtsserie stellen wir eine Kölner Studentin vor, die freiwillig geflüchtete Kinder begleitet. 

Der Mittwoch ist für Jusef, 10, ein besonderer Tag. Denn dann kommt Kaja zu Besuch. Die 20-jährige Psychologie-Studentin betreut seit Januar ehrenamtlich geflüchtete Kinder und Jugendliche. „Kaja kommt einmal in der Woche für zwei Stunden zu uns. Die Zeit dazwischen, in der ich auf sie warte, fühlt sich an wie ein ganzes Jahr. Wir spielen zusammen Basketball, Tischtennis oder Mensch ärgere dich nicht. Kaja hat immer tolle Ideen, ich freue mich, wenn sie da ist“, sagt der Viertklässler, der gemeinsam mit seinen Eltern aus Syrien geflohen ist und mit ihnen und seinen inzwischen vier jüngeren Brüdern in Höhenhaus lebt.

„Genau so habe ich es mir gewünscht: Einen engen persönlichen Austausch mit einem Kind, eine regelmäßige Betreuung. Etwas Verpflichtendes, Sinnvolles, das ich neben meinem Studium machen kann“, sagt Kaja Niemann, die nach einem Freiwilligenjahr in Argentinien auch in Köln ehrenamtlich arbeiten wollte.

Patinnen und Paten für 600 geflüchtete Kinder in Köln vermittelt

Also recherchierte sie im Netz nach einem geeigneten Angebot und traf auf das Gemeinschaftsprojekt „KöKiPAT“ (Kölner Kinder-Patenschaften) des Kölner Flüchtlingsrats und der Kölner Freiwilligen Agentur. Seit der Gründung vor zehn Jahren haben die beiden Initiativen insgesamt 600 geflüchteten Grundschulkindern Paten und Patinnen vermittelt.

Beim Spielen tauche ich in eine andere Welt. Mit meiner Begeisterung habe ich schon zwei Freundinnen vom Ehrenamt überzeugen können
Kaja Niemann, ehrenamtliche Patin

„Wir arbeiten eng mit Grundschulen und dem kommunalen Integrationszentrum zusammen. In einem Jahr vermitteln wir zwischen 60 und 80 Patenschaften. Doch der Bedarf ist wesentlich höher. Es gibt zu wenige Ehrenamtliche, die eine Patenschaft für die vielen, vorgeschlagenen Kinder übernehmen wollen. So müssen die angemeldeten Jungen und Mädchen mitunter lange auf den Beginn ihrer Patenschaft warten“, sagt Jashar Erfanian, zuständig für die Freiwilligenarbeit beim Kölner Flüchtlingsrat.

Gemeinsam Köln erkunden und den Lebensraum der Kinder vergrößern

Die Patenschaften dauern zunächst ein Jahr. Die Patin oder der Pate begleitet ein Grundschulkind mit Fluchthintergrund ein- bis zwei Mal die Woche für zwei bis drei Stunden. Dabei geht es nicht um Nachhilfe oder teure Ausflüge, sondern um eine außerschulische, spielerische Förderung und Freizeitaktivitäten wie Fahrradfahren, Bücherlesen, einen Spielplatz besuchen, gemeinsam Backen oder die Stadt erkunden.

Das blau-rote Logo der neuen „wir helfen“-Ehrenamtsserie zeigt zwei große Strichmännchen, die drei kleine in den Händen halten.

Das Logo der neuen „wir helfen“-Ehrenamtsserie.

Vieles ist möglich, solange es allen Beteiligten Spaß macht und das Kind in der neuen Umgebung unterstützt. „Es geht darum, dem Kind neue Orte zu zeigen, die es dann auch alleine nutzen kann. Wichtig ist die innere Einstellung der Paten, die Bereitschaft, den Lebensraum von Kindern, die neu in der Stadt sind, zu vergrößern, ihnen auf die Sprünge zu helfen“, sagt Gabi Klein von der Kölner Freiwilligen Agentur, die mit der Akquise der ehrenamtlichen Mitarbeitenden betraut ist.

Trips-Stiftung unterstützt die Patenschaft mit 50 Euro

Besondere Aktivitäten, wie Eisessen oder ein Kinobesuch werden mit 50 Euro pro Patenschaft dank der Unterstützung der „Trips-Stiftung“ gefördert. Kaja Niemann war mit Jusef einmal Schlittschuhlaufen. „Wir mussten Schuhe leihen und den Eintritt bezahlen, da waren 20 Euro ausgegeben. Plus zwei Mal Eisessen macht zehn Euro, jetzt haben wir noch 20 Euro übrig, die bis zum Jahresende ausreichen müssen. Deshalb überlegen wir sorgsam, wofür wir das restliche Geld ausgeben.“

Wichtig ist die Bereitschaft der Patinnen und Paten, den Lebensraum von Kindern, die neu in der Stadt sind, zu vergrößern
Gabi Klein, Kölner Freiwilligenagentur

„Die Voraussetzungen, Pate oder Patin zu werden, sind sehr niederschwellig. Wichtig wäre aber, verbindlich für ein Jahr zusagen zu können“, sagt Gabi Klein. Dadurch soll garantiert sein, dass die Kinder für mindestens 12 Monate eine feste Bezugsperson haben. „Sollten sich die persönlichen Lebensumstände ändern oder die Chemie nicht stimmen, kann man natürlich vorzeitig auszusteigen.“

Patin:„Mal bin ich Freundin, mal Erzieherin“

Kaja Niemann findet, dass gerade die Arbeit mit Kindern, egal welcher Nationalität, eine Bereicherung für beide Seiten ist. „Ich mag das Konzept Ehrenamt. Man bewegt sich zwischen der Rolle als Freundin und der als Erzieherin. Jusef ist sehr offen für Neues und sehr treu. Manchmal ruft er mich an, um sich zu vergewissern, dass ich auch wirklich komme.“

Jusef, 10, seine „KöKiPat“-Patin Kaja Niemann, seine kleinen Brüder und Vater Abdljafur Aldakhawi (von links) stehen auf dem betonierten Balkon ihrer Wohnung in Köln-Höhenhaus

Jusef, 10, seine „KöKiPat“-Patin Kaja Niemann, seine kleinen Brüder und Vater Abdljafur Aldakhawi (von links) auf dem Balkon ihrer Wohnung in Köln-Höhenhaus

Jusef floh im Jahr 2015, zweijährig, mit seinen Eltern und einem Bruder aus Syrien über die Türkei nach Deutschland. „Meine Frau war Lehrerin, ich war Polizist. Als der Krieg begann, war plötzlich alles weg, unser Haus, unsere Jobs. Wir mussten unsere Heimat verlassen und hier in Köln bei Null anfangen. Wir werden nicht nach Syrien zurückgehen, die Kinder werden hier aufwachsen. Deshalb möchten wir, dass sie die deutsche Kultur kennenlernen. Kaja macht das hervorragend und bringt unserer ganzen Familie gute Impulse“, sagt Jusefs Vater Abdljafur Aldakhawi, der sich wünscht, dass auch seine vier jüngeren Söhne einen Paten oder eine Patin bekommen.

Damit sich Kinder nach der Schule nicht langweilen müssen

Als Jusef die Empfehlung fürs Gymnasium bekam, wollte er das zunächst nicht, weil fast alle seine Freunde die Gesamtschule besuchen werden. „Kaja hat uns beraten und meinen Sohn doch dazu überredet. Nach den Sommerferien geht er auf das Genoveva-Gymnasium. Das macht mich sehr stolz“, sagt Abdljafur Aldakhawi.

„Ob die Kinder aus Syrien, Afghanistan, Serbien oder der Ukraine stammen, sie alle haben eins gemein: Köln ist ihnen mitunter fremd und viele der Angebote, die die Stadt ihnen bietet, kennen sie nicht. Während ihre Eltern mit der Bürokratie kämpfen oder auf der Suche nach einem freien Platz im Deutschkurs sind, sitzen viele Kinder nach der Schule in der Wohnung herum und langweilen sich. Das Ankommen und Zurechtfinden in der neuen Umgebung ist trotz aller Stärken, die die Kinder mitbringen, häufig nicht einfach, deshalb ist unser Patenprojekt für sie genau das Richtige“, sagt Jashar Erfanian.

„Ich bin so froh, Kaja zu haben, sie ist unbezahlbar und soll niemals weggehen“, sagt Jusef und schenkt seiner Patin ein charmantes Lächeln. Kaja Niemann scheint alles richtig gemacht zu haben. „Ich komme sehr gerne zu Jusef und kümmere mich auch um seine kleineren Brüder. Beim Spielen mit den Jungs tauche ich in eine andere Welt ein und vergesse den Alltag. Mit meiner Begeisterung habe ich schon zwei Freundinnen vom Ehrenamt überzeugen können.“

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