„Schlechter Witz“Hartz-IV-Satz für Kinder und Jugendliche ist zu niedrig
Köln – Wer von Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe abhängig ist, bekommt seit Anfang des Jahres mehr Geld. Um drei Euro wurde der Regelsatz für erwachsene Hartz-IV-Empfänger angepasst, um zwei Euro für Kinder und Jugendliche. Kinder zwischen sechs und 13 Jahren bekamen 2021 beispielsweise monatlich 309 Euro vom Jobcenter, 311 Euro sind es jetzt. „Das ist immer noch viel zu niedrig“, sagt Martin Debener, Referent für Armut und Grundsicherung beim Paritätischen Wohlfahrtsverband NRW. „Die zwei Euro sind ein schlechter Witz.“
Die Erhöhung um lediglich zwei bis drei Euro gleiche die Inflationsrate nicht annähernd aus, sagen Armutsexperten. Besonders die extrem gestiegenen Strom- und Energiepreise auch schon im letzten Jahr seien bei der Anpassung nicht berücksichtigt worden. Die Berechnung der Regelsätze geht auf eine Stichprobe zurück, die nur alle fünf Jahre vorgenommen wird. Die letzte Ermittlung war 2018, seitdem wird die Pauschale jährlich nur minimal angepasst.
Auch im Regelsatz für Kinder und Jugendliche sind Energiekosten inkludiert, die in der Corona-Pandemie aber enorm gestiegen sind. Gleichzeitig wurde viel mehr verbraucht. „Wer den ganzen Tag Zuhause ist, muss auch die Heizung anmachen“, sagt Debener. Zwar könnten finanzschwache Familien nach der Jahresabrechnung ihres Stromanbieters einen Zuschuss beim Jobcenter beantragen. Dieser wird von den Kommunen aber nur über eine Pauschale abgegolten. Den Rest der Mehrkosten müssen die Familien zahlen, weiß er aus vielen Beratungsgesprächen mit seinen Klienten.
Generell kritisieren Kinderschützer, dass sämtliche Leistungen über das Jobcenter laufen. Kinder seien keine kleinen Arbeitslosen.
Kinder essen Zuhause
Das gleiche gelte auch für Lebensmittel, deren Preise stark gestiegen sind. Während der diversen Lockdowns mussten die Kinder, die sonst kostenlos oder stark vergünstigt in der Schule oder einer Jugendeinrichtung essen, außerdem Zuhause Essen bekommen. Etwa vier Euro am Tag sind dafür im Regelsatz vorgesehen. „Versuchen Sie mal, davon ein Kind zu ernähren“, sagt Debener. „Das kann nicht funktionieren.“
So können Sie helfen
wir helfen: damit in der Krise kein Kind vergessen wird
Mit unserer Aktion „wir helfen: damit in der Krise kein Kind vergessen wird“ bitten wir um Spenden für Projekte, die Kinder und Jugendliche wieder in eine Gemeinschaft aufnehmen, in der ihre Sorgen ernst genommen werden.
Bislang sind 1.328.993,90 Euro (Stand: 27.09.2022) eingegangen.Die Spendenkonten lauten:„wir helfen – Der Unterstützungsverein von M. DuMont Schauberg e. V.“Kreissparkasse Köln, IBAN: DE03 3705 0299 0000 1621 55Sparkasse Köln-Bonn, IBAN: DE21 3705 0198 0022 2522 25
Mehr Informationen und Möglichkeiten zum Spenden unter www.wirhelfen-koeln.de.
Grundsätzlich befürworten Sozialverbände die von der neuen Koalition eingeführte Kindergrundsicherung. Darin werden das bisherige Kindergeld, der Kinderzuschlag sowie eventuelle Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket anders gebündelt. Auch die Berechnung soll neu – teilweise unabhängig vom Einkommen der Eltern – erfolgen. Nur wann und in welcher Höhe die Kindergrundsicherung kommen wird, ist noch unklar.
Experten fordern Zuschuss in Höhe von 100 Euro
Bis zur Neuberechnung und Einführung möchte Familienministerin Anne Spiegel armen Familien einen monatlichen Zuschuss gewähren. Der Paritätische Wohlfahrtsverband fordert eine Soforthilfe von monatlich 100 Euro für Menschen in der Grundsicherung.
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In den Ministerien spricht man aktuell von zehn bis 25 Euro pro Kind. Etwa jedes fünfte Kind in Deutschland lebt in einer Bedarfsgemeinschaft, die auf Hartz-IV angewiesen ist. Diese Kinder gelten statistisch als arm.