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Hate SpeechHass im Netz gefährdet Engagement der Jugend

Lesezeit 4 Minuten
Zwei Kinder schauen mit erschrecktem Gesicht auf ein Display.

Mehr als die Hälfte der Jugendlichen ist mit Hass im Netz konfrontiert.

Neue Studie zeigt: Beleidigungen und Bedrohungen in den Sozialen Medien gefährden die Demokratie.

Während „Meta“-Chef Mark Zuckerberg dieser Tage verkündet hat, dass künftig für seine Social-Media-Kanäle „Facebook“ und „Instagram“ – zunächst nur in den USA – keine bisher gültigen (Sicherheits-)Standards mehr gelten sollen, sprich: es keine externen Faktenchecks mehr geben wird und auch Beiträge, die bis dato als Hassrede galten, nicht mehr entfernt werden, offenbart eine aktuelle deutsche Studie wieder einmal, wie schädlich der sich rasant ausbreitender Hass im Netz („Hate Speech“) und wie dringend nötig die Kontrolle der Sozialen Medien ist.

Die Studie der Technischen Universität München und der Organisation „Hate Ate“ mit dem Titel „Angegriffen & alleingelassen“ zeigt: Digitale Gewalt schreckt Menschen ab, politische und soziale Verantwortung zu übernehmen, bedroht damit die Meinungsvielfalt, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Demokratie. Denn mit 57 Prozent bekennt sich mehr als die Hälfte der Befragten aus Angst seltener zur eigenen politischen Meinung im Netz, 55 Prozent beteiligen sich seltener an politischen Diskussionen.

„Lauter Hass - leiser Rückzug“

Dass Hass im Netz nicht nur, wie in der Studie untersucht, (junge) erwachsene politische Aktive, sondern auch Jugendliche daran hindert, ihre Meinung zu äußern und sich in der Folge sozial zurückzuziehen und das gesellschaftliche Engagement einzustellen, haben zuletzt die beiden Studien „Lauter Hass – leiser Rückzug“ des Netzwerks gegen Hass und eine Online-Befragung des Deutschen Jugendinstituts (DJI) ergeben.

Damit zeigt sich ein hoher Bedarf an demokratiefördernden Maßnahmen für Jugendliche
Aus der Studie des Deutschen Jugendinstituts

Sie verdeutlichen eindrücklich, wie sehr Hass im Netz für viele junge Menschen zum Alltag gehört: Mehr als die Hälfte der 16- bis 27-Jährigen nimmt mindestens einmal pro Woche beleidigende oder bedrohende Kommentare auf Websites, Blogs, in sozialen Netzwerken oder Messenger-Diensten wahr. Oder sie erleben andere Formen von Hass, die laut der Definition des Europarates mehr umfassen als „Hate Speech“, nämlich „jegliche Ausdrucksformen, die zum Beispiel auf Rassenhass, Fremdenfeindlichkeit oder Antisemitismus und auf Intoleranz gründen, sie propagieren, dazu anstiften, sie fördern oder rechtfertigen“.

Hass im Netz richtet sich gegen Minderheiten

Knapp ein Drittel der jungen Befragten war laut der Studie mindestens einmal selbst mit diskriminierenden Äußerungen gegenüber ihren politischen Ansichten, ihrem Körpergewicht oder ihrem Geschlecht konfrontiert. Fakt ist: Hassrede richtet sich meist gegen sozial benachteiligte oder ausgeschlossene Gruppen, mit dem Ziel, sie, ihre Interessen und Belange aus dem öffentlichen Diskurs zu drängen.

Hass im Netz führt der Befragung zufolge dazu, dass sich junge Menschen aus dem digitalen Raum – und dem gesellschaftlichen Engagement – zurückziehen: Mehr als 30 Prozent der befragten Jugendlichen gaben an, aufgrund von erfahrenen Beleidigungen oder Bedrohungen seltener ihre Meinung im Internet zu äußern, 82 Prozent befürchten, dass Hass die Vielfalt im Internet gefährdet und 78 Prozent sind der Meinung, dass durch Hass im Netz auch die Gewalt im Alltag zunimmt.

„Schule bereitet nicht ausreichend auf Herausforderungen vor“

„Damit zeigt sich ein hoher Bedarf an demokratiefördernden Maßnahmen für Jugendliche“, resümieren die Forschenden des DJI – mit dem Ziel, dass junge Menschen lernen, auf Hass im Internet zu reagieren und Falschnachrichten erkennen zu können. Nur sehr wenige der jungen Befragten fühlten sich durch die Schule gut darauf vorbereitet.

Die Forschenden empfehlen deshalb flächendeckende Informations-, Bildungs- und Beratungsangebote zum Thema Hass im Netz, die von einer Aufklärung über Hass im Netz, dessen rechtlicher Einordnung bis zur Vermittlung konkreter Handlungskompetenzen im Umgang damit reichen.

Weitreichende Folgen für Betroffene und die Gesellschaft

Parallel müssten Anbieter Sozialer Medien die Verantwortung für Hass im Netz tragen und Politikerinnen und Politiker Maßnahmen zur Regulierung, Bekämpfung und Prävention des Phänomens vorantreiben. Schließlich habe Hass im Netz zwar weitreichende Auswirkungen auf Betroffene im Besonderen – von Isolation bis hin zu psychischen Erkrankungen – aber auch auf die Gesellschaft insgesamt. Wenn die Meinungsfreiheit leidet, leiden auch die Stimmen derjenigen, die eh schon benachteiligt und ausgegrenzt sind.

Mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen ist das eine gefährliche Entwicklung. So lautet ein Fazit der Studie: „Wenn sich immer weniger junge Menschen trauen, in unserer Demokratie zu engagieren, verlieren wir alle. Deshalb müssen jetzt Politik, Justiz, Parteien und Plattformen endlich alles dafür tun, politisch Engagierte effektiv zu schützen.“