Hilfe im NotfallKrisenchat hilft Jugendlichen per Whatsapp durch die Pandemie
Köln/Berlin – Manchmal ist die erste Nachricht ganz kurz. Ein „Hallo“ und nichts weiter. Dann fragt Sarah Brandner erst einmal behutsam nach: Wie heißt du? Wie alt bist du? „Der Name ist ganz wichtig für eine Vertrauensbasis“, erklärt die 27-jährige Psychologin-Studentin. „Und das Alter muss ich wissen, weil ich eine Elfjährige anders anspreche als eine 18-Jährige.“ Erst dann erfragt die Beraterin langsam, was der oder die Chatterin bedrückt. Denn wer sich via Whatsapp oder SMS an Krisenchat wendet, hat definitiv Redebedarf.
Ähnlich wie das bundesweite Kinder- und Jugendtelefon bietet Krisenchat schnelle und unbürokratische Beratung in Krisen. Gegründet wurde das gemeinnützige und spendenfinanzierte Berliner Unternehmen schon vor Ausbruch der Corona-Pandemie, richtig Fahrt nahm die Arbeit dann aber im ersten Lockdown auf. Seit das Angebot im Mai 2020 an den Start ging ist die Not bei vielen Kindern und Jugendlichen groß. Sie vermissten viel zu lange ihre Freunde, den Sportverein und die Schule; Fälle häuslicher Gewalt nahmen zu.
Das Kinder- und Jugendtelefon verzeichnete schon in den ersten Monaten der Pandemie ein Drittel mehr E-Mails. Krisenchat hat nach eigenen Angaben bereits über 60 000 Beratungen durchgeführt. Das Angebot ist rund um die Uhr erreichbar und nutzt das Kommunikationstool, das in der Zielgruppe allgegenwärtig ist. „Gerade in den späten Abendstunden oder in der Nacht bietet nur Krisenchat Hilfebedürftigen die Möglichkeit, zu chatten“, sagt der Mitbegründer Kai Lanz. Das unterscheide das Angebot von anderen Notfalldiensten.
Einsamkeit ist oft Thema
Anders als in den vergangenen zwei Jahren häufig von Politikerinnen und Politikern suggeriert wurde, werden die Sorgen eher mehr statt weniger. Eine Nach-Corona-Zeit, in der alle Auswirkungen der Isolation wieder „gut gemacht“ werden können, scheint für Kinder nicht in Sicht. „Corona ist immer noch ein großes Thema in den Nachrichten an uns“, sagt Brandner, die 2020 ein Praktikum bei Krisenchat machte und seitdem als Studentin von Köln aus weiter mitarbeitet. „Zum Beispiel wenn ein Kind seinen Geburtstag nicht feiern kann, weil alle Freunde infiziert oder in Quarantäne sind.“ Es sei immer noch die Einsamkeit und die Sehnsucht nach unbeschwerter Gemeinschaft, die viele junge Hilfesuchende umtreibt. Oder, dass jemand in der Familie an Corona gestorben ist.
So können Sie helfen
wir helfen: damit in der Krise kein Kind vergessen wird
Mit unserer Aktion „wir helfen: damit in der Krise kein Kind vergessen wird“ bitten wir um Spenden für Projekte, die Kinder und Jugendliche wieder in eine Gemeinschaft aufnehmen, in der ihre Sorgen ernst genommen werden.
Bislang sind 1.328.993,90 Euro (Stand: 27.09.2022) eingegangen.Die Spendenkonten lauten:„wir helfen – Der Unterstützungsverein von M. DuMont Schauberg e. V.“Kreissparkasse Köln, IBAN: DE03 3705 0299 0000 1621 55Sparkasse Köln-Bonn, IBAN: DE21 3705 0198 0022 2522 25
Mehr Informationen und Möglichkeiten zum Spenden unter www.wirhelfen-koeln.de.
Die Impfung gegen das Corona-Virus ist ein weiteres Thema das Brandner aktuell oft in ihren Hilfe-Chats beschäftigt. „Oft melden sich Kinder und Jugendliche, deren Eltern sie nicht impfen lassen wollen. Sie fühlen sich hilflos und verunsichert. Schließlich hören sie überall sonst, wie gut die Impfung schützt.“ Es sei ihr aber wichtig, sich im Gespräch generell nie zwischen Kind und Eltern zu stellen. „Wenn ich sage: Deine Eltern haben unrecht, bricht für ein Kind eine Welt zusammen.“ Lieber empfiehlt sie einen Termin beim Arzt oder bei einer Beratungsstelle. Oft suche sie parallel zum Gespräch schon entsprechende Stellen am Wohnort des Chatters oder der Chatterin raus, erzählt sie.
Vertrauensperson im Umfeld ausmachen
Generell ist die Weitervermittlung in andere Hilfsangebote das Hauptziel von Krisenchat. Die etwa 30 hauptamtlichen und 300 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hören erst einmal zu und helfen dann, die Probleme anzugehen. „Ich sage immer, wie mutig ich das finde, uns eine Nachricht zu schreiben“, sagt Brandner. Oft ermutige sie den Jungen oder da Mädchen auch, sich einer Person im Umfeld anzuvertrauen.
Sie erinnert sich an einen Fall, in dem ein Mädchen zuhause häusliche Gewalt erlebt hat und mit niemandem darüber sprechen konnte. Zur Lehrerin hatte sie Vertrauen, fing aber immer direkt an zu weinen, wenn sie das Gespräch suchte. Brandner ermutigte sie, ihr einfach den Verlauf des Gesprächs mit Krisenchat zu zeigen. „Die Lehrerin hat sofort verstanden, was los ist und hat reagiert.“
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In den vergangenen vier Wochen beschäftigt auch der Krieg in der Ukraine viele Kinder und Jugendliche. „Zusätzlich zu privaten Sorgen äußern die Jugendlichen Zukunftsängste, auch in Bezug auf den Klimawandel“, sagt Brandner. Außerdem hat das Krisenchat-Team ein Hilfsangebot für ukrainische Kinder und Jugendliche aufgebaut und bietet die Beratung auch auf ukrainisch und russisch an.