Drei Kölner trans Jugendliche erzählen„Auf mich passt weder er noch sie“
Köln – Das prominenteste Beispiel der jüngsten Zeit ist Elliot Page. Der Schauspieler hat sich als trans geoutet, heißt: Er möchte von nun an nicht mehr als Frau, sondern als Mann angesprochen werden.
Unter deutschen Jugendlichen ist die Zahl derer, die sich ihrem angeborenen Geschlecht nicht zugehörig fühlen, in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Manche Psychologen fürchten einen „Trend“, andere Experten führen die steigenden Zahlen auf mehr Beratung und den leichteren Zugang zu Informationen zurück. Fest steht: Der Leidensdruck, den eigenen Körper nicht annehmen zu können, ist bei allen Jugendlichen enorm. Und nach dem Coming-Out als trans warten neue Hürden.
Wir haben mit drei jungen trans Menschen über ihre Entwicklung und ihren Alltag gesprochen. Aeyla, Jo und James erzählen von zu intimen Fragen, intoleranten Lehrern und dem Problem mit den Schulumkleiden.
Jo, 18, genderfluid (fühlt sich weder dem Geschlecht Mann noch Frau zugehörig)
„Ich bin an meinem Gymnasium in der Schülervertretung und wir arbeiten gerade daran, trans als Thema in den Lehrplan zu integrieren. Wir wollen, dass in Biologie besprochen wird, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt. Und dass in Geschichte die Verfolgung von Homosexuellen im Nationalsozialismus und die Geschichte der trans Menschen stärker in den Fokus rücken. In Pädagogik sollen verschiedene sexuelle Orientierungen und Beziehungsmodelle thematisiert werden, nicht nur das klassische Mann-Frau-Modell. Es gibt einfach sehr viel mehr Vielfalt, als das, was gerade abgebildet wird.
Leider sind meine Lehrer und Lehrerinnen oft noch intolerant. Zum Beispiel auch in Hinblick auf genderneutrale Sprache. Auf mich passt weder »er« noch »sie«. Das begreifen viele nicht. Aber ich sehe auch: Es verändert sich etwas. Jüngere Schüler haben das schon viel besser drauf. Für mich sind zum Beispiel öffentliche Toiletten ein großes Problem. Oder auch die Umkleide in der Schule. Ich bin in einem Sportkurs mit 19 Mädchen und einem Jungen. Für Menschen wie mich gibt es keinen Raum. Außerdem finde ich es schrecklich, dass man als Mädchen automatisch als schwach gilt. Was soll das?“
James, 23, trans Mann:
„Tatsächlich hat aus meiner Familie meine Oma am besten auf mein Coming-Out reagiert. Sie hatte schon einige Dokus über trans Personen im Fernsehen gesehen und hat meinem Opa alles erklärt. Er hat sich dann überall meinen neuen Namen aufgeschrieben, damit er ihn nicht vergisst. Das war sehr süß. Ich finde es auch nicht richtig, von anderen zu erwarten, dass sie in Bezug auf mein Trans-Sein keine Fehler machen. Außerdem merke ich, wer mich absichtlich mit dem falschen Geschlecht anspricht, um mich zu demütigen und wem es noch aus Versehen passiert.
Meine Mutter hat sich lange die Schuld daran gegeben, dass ich mich als Mädchen so schlecht gefühlt habe und zum Beispiel keine Kleider anziehen wollte. Sie dachte, das liegt an ihrer Erziehung. Da braucht es einfach noch sehr viel mehr Aufklärung, im Biologie-Unterricht, aber auch in der Gesellschaft. Ein bestimmtes Grundwissen für alle finde ich sehr wichtig. Auch ich hatte während meiner Transition immer Probleme, herauszufinden, was denn nun der nächste Schritt ist.
Ein Thema, das mich lange beschäftigt hat, war die Frage, ob ich Kinder will. Wenn man anfängt, männliche Hormone zu nehmen, wird man unfruchtbar. Es ist unfair, dass wir trans Menschen uns da so früh Gedanken machen müssen. Ich habe dann mit meinem Partner entschieden, dass wir irgendwann ein Kind adoptieren wollen.“
Aeyla, 19, studiert Soziale Arbeit und lebt seit drei Jahren als Frau:
„Ich habe schon als Kind lieber mit Barbies gespielt und bin Zuhause gerne in Kleidern rumgelaufen. Das ging auf der Straße natürlich nicht. Dann habe ich lange versucht, so jungenhaft wie möglich zu sein. Das fühlte sich für mich aber nie richtig an. Irgendwie fand ich trans Menschen lange selbst komisch und wollte nicht zu ihnen gehören. Nach einer Therapie habe ich den Schritt gewagt und meinem Umfeld gesagt, dass ich als Frau leben will. Meine Eltern hatten erst Angst, dass ich eine andere Person werde. So war es aber nicht. Ich wurde viel mehr ich selbst, glücklicher und zufriedener.
Bei meinen Freunden und Freundinnen war ich schon lange als schwul geoutet. Sie waren immer sehr tolerant und haben mich unterstützt. Aber ein neuer Name und ein neues Pronomen waren natürlich für alle noch einmal etwas ganz anderes. Am Anfang musste ich mich selbst erst daran gewöhnen und habe mich am Telefon ganz oft noch mit meinem abgelegten Namen gemeldet. Dieser alte Name heißt bei trans Menschen „Deadname“.
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Wenn ich heute einen schlechten Tag habe und jemand spricht mich mit meinem alten Namen an, fühle ich mich unwohl und hinterfrage mich plötzlich wieder. Ich musste auch erst lernen, meine Grenzen zu wahren. Wenn ein Fremder mich fragt, ob ich schon eine geschlechtsangleichende OP hatte, sage ich auch mal: Das ist mir zu intim. Insgesamt wünsche ich mir mehr Repräsentation von trans Menschen in der Gesellschaft und mehr sichere Orte wie das queere Jugendzentrum Anyway. Für Jugendliche, die unsicher in Bezug auf ihre Sexualität und ihr Geschlecht sind, ist das definitiv der beste Ort.“