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NRW-weites Projekt„Lobby für Mädchen“ klärt über weibliche Genitalbeschneidung auf

Lesezeit 3 Minuten

Drei Millionen Mädchen sind weltweit jedes Jahr von weiblicher Genitalverstümmelung bedroht, schätzt die Weltgesundheitsorganisation.

Köln – Stefanie Gilles erinnert sich noch, wie das Thema vor elf Jahren das erste Mal im Mädchentreff in Mülheim aufkam. Der Film „Wüstenblume“ über das somalische Supermodel Waris Dirie lief gerade in den deutschen Kinos und viele Medien berichteten über die Praxis der weiblichen Genitalverstümmelung und die grausamen Folge. In einer Gesprächsrunde im Mädchentreff sagte eine Besucherin dann: „Ich bin auch beschnitten, aber ich darf nicht darüber sprechen.“

Seit dem steht für Gilles fest: Opfer weiblicher Beschneidung gibt es auch bei uns in Köln. Experten schätzen, dass bundesweit etwa 68 000 Mädchen und Frauen betroffen sind. Schätzungsweise rund 2800 bis 14 900 Mädchen sind laut einer aktuellen Studie des Bundesfamilienministeriums in Deutschland zudem davon bedroht, obwohl die Praxis in Deutschland seit 2013 verboten ist. Täter können seitdem auch belangt werden, wenn die Tat im Ausland stattfand.

„Zwischenzeitlich haben circa zehn Prozent unserer Besucherinnen geäußert, dass sie beschnitten sind“, sagt Gilles. In die offenen Jugendzentren des Kölner Vereins „Lobby für Mädchen“ kommen viele junge Frauen aus Unterkünften für Geflüchtete oder mit Migrationsgeschichte. Vielen Betroffenen sei erst dort klar geworden, was ihnen von der Familie angetan wurde.

Supermodel Waris Dirie ist die bekannteste Aktivistin gegen Genitalverstümmelung.

Die „Lobby“ setzt sich deshalb schon seit vielen Jahren für die Aufklärung über weibliche Beschneidung auf. Man meide den von Menschenrechtlern genutzten Begriff Verstümmelung, erklärt Gilles, um die Mädchen nicht zu stigmatisieren. Trotzdem ist die gleiche grausame Praxis gemeint, bei der jungen Mädchen – oft ohne Narkose – die äußeren Genitalien vollständig oder teilweise entfernt werden. Der Eingriff gehe meist mit lebenslangen Schmerzen, so wie psychischen und sozialen Folgen einher, sagt Gilles Kollegin Darya Otto.

Kein afrikanisches Problem

Im neuen Projekt Yuna, das vom Land NRW gefördert wird, klären die beiden Sozialarbeiterinnen NRW-weit über das Phänomen auf und wollen es in den nächsten drei Jahren überall dort platzieren, wo betroffene Mädchen Hilfe suchen könnten. Otto hat zum Beispiel bereits einige Seminare mit Schulsozialarbeitern durchgeführt. „Manche Seminarteilnehmerinnen waren schon sehr vertraut mit der Thematik, andere waren überrascht und bestürzt“, erzählt sie. Besonders die weltweite Verbreitung der archaischen Praxis schockiert Uninformierte: In einigen Ländern wie Ägypten und Somalia sind nach Schätzungen mindestens 75 Prozent der Frauen beschnitten. In Teilen des Iraks, liegt der Wert bei 50 Prozent. „Man hielt die weibliche Beschneidung lange für ein afrikanisches Problem“, sagt Gilles. Das sei aber falsch, in vielen Regionen der Welt werden die Fälle nur noch nicht erforscht und erfasst.

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Das Projekt Yuna richtet sich nicht nur an betroffene Mädchen und pädagogische Fachkräfte, sondern an alle Interessierten. Otto und Gilles wollen auch junge Eltern erreichen, die bei Besuchen in ihrem Herkunftsland mit dem Thema konfrontiert werden. Diese müsse man „kultursensibel“ aufklären und für eine Begegnung mit den fest verankerten Traditionen stärken. Dass die Prozedur in Deutschland durchgeführt werde, habe Gilles noch nie gehört. Allerdings könne es passieren, dass Mädchen in einem vermeintlichen „Urlaub“ in ihrem Herkunftsland beschnitten werden sollen. „Für uns ist klar: Wenn Eltern das äußern, sehen wir darin eine Kindeswohlgefährdung, die wir dem Jugendamt melden“, sagt die Sozialpädagogin.

So können Sie helfen

Mit unserer Aktion „wir helfen: damit unsere Kinder vor Gewalt geschützt werden“ bitten wir um Spenden für Projekte, die sich für ein friedliches und unversehrtes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen in unserer Region einsetzen.

Die Spendenkonten lauten:„wir helfen – Der Unterstützungsverein von M. DuMont Schauberg e. V.“Kreissparkasse Köln, IBAN: DE03 370502990000 162155Sparkasse Köln-Bonn, IBAN: DE21 37050198 0022252225