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Lesen im HomeschoolingEhrenamtliche Lesementoren unterstützen Schüler auch digital

Lesezeit 4 Minuten

Der neunjährige Matthis übt Lesen mit einer Mentorin.

Köln/Hürth – Matthis darf heute wählen: Möchte er die Kinderzeitung lesen oder direkt mit der Geschichte anfangen? Der blonde Neunjährige, der vor dem Computer auf seinem Stuhl hin und her rutscht, entscheidet sich für die Zeitung. Petra Gall teilt ihren Bildschirm und vor Matthis erscheint ein Dokument mit kurzen Absätzen und großen, bunten Fotos. Im ersten Artikel geht es um den Marsrover Percy.

„Percy ist ein englischer Name“, erklärt Petra Gall ihm zwischen zwei Absätzen. Die Rentnerin ist seit ein paar Wochen Matthis’ Lesementorin. Das heißt, sie treffen sich einmal in der Woche eine Stunde lang im Videochat, um zusammen zu lesen. Schließlich hat die Pandemie vieles, das Menschen gemeinsam tun, in den virtuellen Raum verlagert.

Lesekompetenz ist gerade wichtiger denn je

In normalen Zeiten gehen Mentoren wie Petra Gall wöchentlich in die Grundschulen, um dort ihr Lesekind zu treffen, erklärt Margret Schaaf vom bundesweiten Verband „Mentor – die Leselernhelfer“, der seine Geschäftsstelle in Köln hat. Die Lehrer und Lehrerinnen schlagen Kinder mit Förderbedarf vor, der Verein vermittelt die Ehrenamtlichen. In den vergangenen Monaten wurde das Angebot digital ausgebaut, um die Kinder während der Schulschließungen zu erreichen. Denn Lesekompetenz ist gerade wichtiger denn je. „Lesen ist die Grundvoraussetzung für selbstständiges Lernen im Homeschooling“, sagt Schaaf. Es gehe nicht nur um flüssiges Vorlesen, sondern darum, das Gelesene auch zu verstehen. Dazu sind laut der internationalen Vergleichsstudie IGLU ein Fünftel der deutschen Grundschülerinnen und Grundschüler kaum in der Lage.

Petra Gall und Matthis in ihrer wöchentlichen Videokonferenz.

Nach Erkenntnissen der letzten Pisa-Studie ist der Anteil bei den 15-Jährigen ungefähr gleich hoch. Wer als Kind nicht richtig lesen lernt, holt das Defizit in der weiteren Bildungskarriere kaum noch auf, bestätigen Experten. Es geht nicht nur ums Lesen, sondern auch um das Verstehen. Für Matthis und Gall heißt das: Sie sprechen nach den Absätzen kurz über den Text. Was sucht der Rover überhaupt auf dem Mars? Was ist eine Sonde? „Ich sehe da nicht viel, nur Sand“, kommentiert der Neunjährige pragmatisch die ersten Bilder vom weit entfernten Planeten.

Viel Positives Feedback für das Angebot

„Mit Matthis macht es richtig Spaß, weil er so neugierig ist und ganz viel fragt“, sagt Gall am Telefon ein paar Tage vor dem virtuellen Treffen. Sie habe früher schon den Nachbarskindern vorgelesen und engagiert sich nun seit zwei Jahren bei den Lesementoren in Hürth. „Es macht mir Freude, den Kindern den Spaß am Lesen zu vermitteln.“ Auch Matthis wohnt in Hürth, gar nicht weit weg von ihr. Als während des Videochats ein Flugzeug kreist, hören es beide fast gleichzeitig.

Insgesamt gibt es am Standort Hürth 150 Mentorinnen und Mentoren, etwa 30 von ihnen treffen ihre Schützlinge gerade digital. Manchmal versagt die Technik, in den Kauf von E-Books musste sich auch Gall erst einarbeiten. Die Verbandsvorsitzende Schaaf erhält trotzdem viel positives Feedback für das Online-Angebot. „Die Kinder freuen sich, ihre Mentoren wiederzusehen“, sagt sie. Vielen Kindern, bei denen Zuhause eine andere Sprache gesprochen werde, mache es Spaß, wieder deutsch zu sprechen. Schaaf ist sich außerdem sicher, dass die Lesestunden das Selbstbewusstsein der Kinder stärken. „Die Kinder haben in unserer 1:1-Betreuung jemanden, der sich eine Stunde nur mit ihnen beschäftigt. Das genießen sie sehr.“

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Nach der Kinderzeitung beginnen Gall und Matthis einen Roman und lesen jeweils zwei Seiten des E-Books abwechselnd, Gall mit fester Stimme und rheinischer Melodie, Matthis langsam und hochkonzentriert. „Bist du jetzt k. o.?“, fragt Gall nach einer Dreiviertelstunde, Matthis nickt. Also unterhalten sich die beiden ein bisschen. Was Matthis heute noch macht, ob sein Freund Paul vorbeikommt und an welchen Tagen er diese Woche in die Schule geht. Real getroffen haben sich die Rentnerin und der Grundschüler bisher noch nicht. Das können sie hoffentlich nachholen.

Lesementor werden

Im Bundesverband „Mentor – Die Leselernhelfer“ engagieren sich etwa 13 000 Lesementoren an 96 Standorten. In Köln sind es rund 600. Der Verein sucht stetig Menschen, die einmal wöchentlich mit einem Kind lesen möchten.