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Online-Beratung Kidkit im Lockdown„Viele Nachrichten zu Gewalt und Missbrauch“

Lesezeit 4 Minuten

Jugendliche können sich Tag und Nacht mit einer Nachricht an Kidkit wenden.

Frau Buning, viele Anlaufstellen für Kinder und Jugendliche mussten im Zuge der Corona-Pandemie auf digitale Beratung umstellen. Kidkit ist schon 2003 als reines Online-Angebot gestartet. Was sind die Vorteile?

Anna Buning: Wir waren deutschlandweit eine der ersten Beratungen dieser Art. Anfangs haben wir uns Sorgen gemacht, dass man über E-Mails keine richtige Beziehung zu den Hilfesuchenden aufbauen kann. So ist es aber nicht. Die Vorteile sind, dass sich die Jugendlichen zu hundert Prozent anonym an uns wenden können und wir orts- und zeitungebunden täglich erreichbar sind. Außerdem ist eine E-Mail natürlich einfacher geschrieben, als wenn man irgendwo anrufen oder hingehen muss.

Ein Besuch in einer Beratungsstelle ist ja zurzeit sowieso nur sehr eingeschränkt möglich.

Genau, dabei ist der Hilfsbedarf wirklich enorm. Es ist gut, dass viele Beratungsstellen jetzt auch ein Online-Angebot haben. Kidkit ist speziell für Kinder mit „Problemeltern“, wie wir sie etwas provokant nennen. Das heißt, wir sind Ansprechpartner für Kinder und Jugendliche, deren Eltern suchtkrank, psychisch krank oder gewalttätig sind. Diese Kinder waren schon vor der Corona-Pandemie oft auf sich gestellt und mussten den Alltag alleine meistern. Im letzten Jahr fielen dann alle zusätzlichen Hilfen wie Schule, Sportverein und Freunde, denen man sich anvertraut, weg. Das ist eine enorme Belastung für diese Kinder, die gleichzeitig Veränderungen, wie Homeschooling, meistern müssen.

Anna Buning von Kidkit

Wie haben sich die Anfragen im letzten Jahr verändert?

Im Vergleich zum Vorjahr haben sich 80 Prozent mehr junge Menschen an uns gewandt. In den Lockdown-Monaten im Frühjahr hatte sich die Anzahl der Nachrichten verachtfacht. In vielen dysfunktionalen Familien, wo Probleme der Eltern den Alltag bestimmen, ist die Lage eskaliert. Zum Beispiel schreiben viele, dass ihre alkoholabhängigen Eltern, die eigentlich schon abstinent waren, wieder rückfällig werden. Außerdem kamen besonders viele Nachrichten zum Thema Gewalt und Missbrauch.

Was schreiben die Jugendlichen Ihnen?

Ein Mädchen beschreibt sehr detailliert, wie ihr cholerischer Vater grundlos ausrastet, weil sie morgens nichts frühstücken will. Er bedroht sie mit einem Messer und verprügelt sie anschließend. Ein anderes Mädchen hat mir im ersten Lockdown geschrieben, dass ihr Vater sie vergewaltigt hat. Sie war plötzlich jeden Tag alleine mit ihm Zuhause. Er war schon vorher übergriffig. In der Isolation konnte sie sich nicht mehr schützen. Insgesamt sind die Nachrichten über die letzten Monate zunehmend verzweifelter geworden. Manche schreiben von Suizidgedanken oder davon, dass sie sich selbst verletzen.

Wie können Sie in solchen Fällen helfen?

Das wichtigste ist erstmal: Zuhören und die Schilderungen ernst nehmen. Dann erkläre ich, dass die Person nicht die Einzige mit solchen Problemen ist. Das entlastet erst einmal, denn viele denken, sie seien irgendwie Schuld am Verhalten der Eltern. Danach überlegen wir gemeinsam, welche Hilfen eingeleitet werden können, und klären über rechtlichen Möglichkeiten auf. Nur wenn es nicht anders geht, informieren wir das Jugendamt.

Wieso ist das das letzte Mittel?

Die Jugendlichen müssen Hilfe wollen. Wenn wir quasi jemanden vorbeischicken, haben sie Angst, sie werden mitgenommen und leugnen vielleicht, dass ihre Eltern ihnen Gewalt antun. Im schlimmsten Fall lassen die Eltern danach erst recht ihre Wut am Kind aus.

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Was können Sie noch tun, um die Kinder mit „Problemeltern“ zu unterstützen?

Noch mehr aufklären. Wir schulen zum Beispiel gerade in einem Online-Seminar Pädagogen, wie sie Kinder suchtkranker Eltern erkennen können. Kinder, deren Eltern missbräuchlich Alkohol oder Drogen konsumieren, sind oft extrem verunsichert, haben Schwierigkeiten mit der Emotionsregulation und teilweise depressive Tendenzen. Nur wenn das Umfeld diese Kinder sieht, können wir ihnen helfen.

So können Sie helfen

Mit unserer Aktion „wir helfen: damit unsere Kinder vor Gewalt geschützt werden“ bitten wir um Spenden für Projekte, die sich für ein friedliches und unversehrtes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen in unserer Region einsetzen.

Die Spendenkonten lauten:„wir helfen – Der Unterstützungsverein von M. DuMont Schauberg e. V.“Kreissparkasse Köln, IBAN: DE03 370 502 990 000 162 155Sparkasse Köln-Bonn, IBAN: DE21 370 501 980 022 252 225