Resilienz bei KindernIm Programm „Mut tut gut“ ist auch Wut erlaubt
Köln – Eines der wichtigsten Themen im „Mut tut gut“-Programm ist das Nein-Sagen. Nein zu Gerüchen, die ein Kind nicht mag. Nein zu unerwünschten Berührungen. „Viele Kinder wissen gar nicht, dass sie selbst entscheiden dürfen, was sie mögen und was nicht“, sagt Kindercoachin Nadine Ebensberger, die in Kitas und Schulen Gewaltpräventionskurse durchführt. Auch „wir helfen“ unterstützt das Programm an einigen Schulen. Die Kurse sollen Kindern helfen, ihre eigenen Stärken und Grenzen zu erkennen.
Darf ein Kind wütend sein?
Über das Ausloten der Sinne – Was rieche ich gerne? Was schmecke ich gerne? – kommen Ebensberger und ihre Kollegin Anke Frielinghaus dann mit den Kindern über ihre Gefühle ins Gespräch. „Wir fragen immer: Darf man wütend sein?“, erzählt Frielinghaus im Video-Chat. „Und es gibt immer ein Kind, das sagt: Nein, man darf nicht wütend sein.“ Da widersprechen die beiden Trainerinnen und erklären den jungen Zuhörerinnen und Zuhörern, dass auch sie ein Recht auf alle Gefühle, schöne und nicht schöne, haben.
Der dritte Themenblock im fünftägigen „Mut tut gut“-Programm, das wegen der Pandemie gerade nicht stattfinden kann, sind Geheimnisse. Dabei unterscheiden sie mit den Kindern zwischen guten und schlechten Geheimnissen. Gute Geheimnisse seien Überraschungen, erklärt Frielinghaus, schlechte Geheimnisse nennt sie „Bauchweh-Geheimnisse“. Sie ermutige Kinder, auch die schlechten Geheimnisse zu erzählen, sagt die Trainerin, zum Beispiel, wenn sie etwas kaputt gemacht haben. „Wir bitten die Eltern, nicht zu schimpfen, wenn die Kinder abends nach dem Kurs etwas gestehen“, sagt sie. „Sondern die Kinder für ihren Mut zu loben und dies als Zeichen einer vertrauensvollen Beziehung zu sehen.“ Das sei der Schlüssel zur Prävention. Nur wenn die Kinder erfahren, dass sie auch „Bauchweh“-Gespräche mit ihren Eltern führen können, vertrauen sie ihnen Unangenehmes an.
Anruf bei der Polizei üben
Denn all diese spielerischen Herangehensweisen sollen die Kinder befähigen, sich selbst zu helfen oder Hilfe zu holen, wenn Gewalt droht. Der Gefahr von körperlicher, psychischer und sexualisierter Gewalt sind Kinder statistisch am häufigsten im eigenen Zuhause ausgesetzt. Ebensberger erinnert sich an ein Kind, das explizit mehrmals nachfragte, ob es auch „Nein“ zu seinem Papa sage dürfe.
Deshalb geht es im Kurs auch darum, wo man sich als Kind Hilfe holen kann. Die Trainerinnen überlegen gemeinsam mit den Kindern, wem sie außerhalb der Familie ihr „Bauchweh-Geheimnis“ erzählen können, zum Beispiel einer Nachbarin, einem Lehrer oder der Oma. Außerdem üben sie mit Grundschulkindern auch einen Anruf bei der Polizei, um zu zeigen: Auch Kinder haben Handlungsoptionen.
Viele sorgen sich um die Trennung der Eltern
„Wir schüren keine Ängste“, sagt Ebensberger. „Aber wir nehmen die Kinder ernst, mit all ihren Sorgen.“ Diese drehen sich in den Kita- und Grundschulgruppen oft um die Trennung der Eltern. „Das beschäftigt die Kinder oft viel mehr, als die Eltern glauben.“
Außerdem bemerken sie, dass die Kinder unterschiedlich auf ihr Angebot reagieren, je nach Stadtteil. In einer Gegend mit vielen wohlhabenden Familien seien die Kinder tendenziell gestresst, weil sie neben der Schule noch jede Menge Hobbys pflegen. „Viele dieser Kind sind überfordert mit ihren vielen Terminen“, sagt Ebensberger. In einkommensschwachen Stadtteilen seien die Kinder meist dankbar, dass sich überhaupt einmal jemand so intensiv mit ihrer Gefühlswelt beschäftige.
Tipps für den Lockdown
„Wir alle brauchen Struktur“, sagt Nadine Ebensberger. „Man muss für die Kinder einen festen Tagesablauf etablieren.“ Außerdem wirbt sie dafür, sich als Familie Wochenziele zu setzen, an denen gemeinsam gearbeitet wird.
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Es sei darüber hinaus sehr wichtig, immer wieder anzuerkennen, wie toll die Kinder die schwierige Situation mit Homeschooling und Kontaktbeschränkungen meistern. Und es brauche immer auch Raum für negative Emotionen, sagen die Trainerinnen. Anke Frielinghaus empfiehlt das „Hoch-Tief-Spiel“, bei dem die Kinder jeden Tag ein besonderes Highlight und ein nicht so schönes Erlebnis benennen. „So kommt man mit den Kindern sehr gut ins Gespräch.“
Beide plädieren dafür, sich gemeinsam mit den Kindern altersangemessen über die aktuelle Situation zu informieren, aber auch bewusst Nachrichtenpausen einzulegen, um sie mit den negativen Schlagzeilen nicht zu überfordern.