Für ukrainische Kinder„wir helfen“ gibt 135.000 Euro an Geflüchteten-Projekte weiter
Köln – Ein Fußball braucht keine Erklärung. Sobald die Brüder Zoltan und Stefan sehen, wie sich Dustin und Judith auf dem Sportplatz neben den metallisch-glänzenden riesigen Wohncontainern den Ball hin und her kicken, laufen sie los. Stefan schnappt sich den Ball, hält ihn gekonnt ein paar Mal in der Luft, Dustin und Judith feuern ihn an. Auch beim Klatschen braucht man keinen Übersetzer.
Ansonsten ist nicht viel los, an einem Montagmorgen auf dem Gelände der städtischen Erstaufnahme-Einrichtung für Geflüchtete in Ostheim. Etwa 400 Familien aus der Ukraine sind hier untergekommen, seit in ihrer Heimat Krieg herrscht. Auf einer Bank sitzen zwei ältere Frauen, neben ihnen ein Rollator, und genießen die Sonnenstrahlen. Am Vortag fuhren Menschen in einem Autokorso von Chorweiler nach Gremberg. Sie unterstützten mit Fahnen und Parolen Präsident Wladimir Putins Angriffskrieg auf den ukrainischen Nachbarn. Die große Weltpolitik in Kölner Veedeln.
Das Netzwerk Ukrainehilfe organisiert Hilfe aus der Zivilgesellschaft
Dustin und Judith von der Rheinflanke sind nicht hier, um über Krieg, Panzer oder Putin zu sprechen. Sondern um mit den Kindern, die noch auf einen Schul- oder Kitaplatz warten, Fußball zu spielen. Tischtennisschläger haben sie auch aus dem Kofferraum geholt – oder sie malen mit Kreide ein Hüpfspiel auf den Boden und wer im Schnick-Schnack-Schnuck gewinnt, darf ein Kästchen weiter hüpfen. Die Sozialarbeiter und die Kinder verständigen sich mit ein paar Brocken Englisch. Judith und Dustin zeigen, wie die Spiele funktionieren und schieben die Kinder auch mal sanft von rechts nach links. „Spasiba“ sagen sie zu ihnen, danke auf russisch, die zweite Amtssprache in der Ukraine.
Das Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche gehört zum „Netzwerk Ukrainehilfe“, das der Jugendhilfe-Träger Rheinflanke Anfang April offiziell ins Leben rief und das „wir helfen“ mit Spenden unterstützt. Es sei Hilfe aus der Zivilgesellschaft nötig, sagte Rheinflanke-Geschäftsführer Christoph Bex bei der Gründung, um die ankommenden Familien, größtenteils Frauen und Kinder, in Köln willkommen zu heißen und zu integrieren.
Zulauf an Helfern geht zurück
Das „Willkommen“ ist wohl größtenteils abgeschlossen: Die chaotischen Wochen, in denen täglich tausende Menschen an deutschen Bahnhöfen müde aus Zügen stolpern, sind vorbei. Damals ging es um die Befriedigung der Grundbedürfnisse – also um Essen, ein Bett und Kleidung. Die Kölner waren auf den Beinen, entrümpelten mal wieder ihre Kleiderschränke und Keller, spendeten Geld und Winterjacken, standen mit Schildern am Hauptbahnhof.
So können Sie helfen
wir helfen: damit in der Krise kein Kind vergessen wird
Mit unserer Aktion „wir helfen: damit in der Krise kein Kind vergessen wird“ bitten wir um Spenden für Projekte, die Kinder und Jugendliche wieder in eine Gemeinschaft aufnehmen, in der ihre Sorgen ernst genommen werden.
Bislang sind 1.328.993,90 Euro (Stand: 27.09.2022) eingegangen.Die Spendenkonten lauten:„wir helfen – Der Unterstützungsverein von M. DuMont Schauberg e. V.“Kreissparkasse Köln, IBAN: DE03 3705 0299 0000 1621 55Sparkasse Köln-Bonn, IBAN: DE21 3705 0198 0022 2522 25
Mehr Informationen und Möglichkeiten zum Spenden unter www.wirhelfen-koeln.de.
Bei der Kölner Freiwilligen-Agentur, die sich ebenfalls im Netzwerk engagiert, merkt Anna-Lena Müller, wie der große Zulauf an Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtlern spürbar zurückgegangen ist. „Der Bedarf an helfenden Händen ist aber nach wie vor groß“, sagt Müller, die sich um die Vermittlung der Freiwilligen in Geflüchtetenprojekte kümmert. „Das Thema ist gerade nur nicht mehr so präsent in den Medien.“ Denn nun kommt der schwierige, der langwierige zweite Schritt: die Integration. Das Ankommen in einem neuen Land, in das man eigentlich gar nicht wollte.
Trauma der Flucht überwinden
Oleg Morozov ist Sozialarbeiter bei der Rheinflanke, ein Ukrainer, der seit über 25 Jahren in Deutschland lebt. Gerade ist er eine Ein-Mann-Telefonseelsorge mit 24-Stunden-Dienst. Ständig klingelt sein Handy, er erklärt, er übersetzt, er macht Arzttermine und verschickt Wegbeschreibungen. „Ich will, dass die Frauen sich nicht alleine gelassen fühlen“, erzählt er am Rande des Fußballplatzes. „Die meisten fragen zu erst nach einem Schulplatz für ihr Kind und dann nach einer Möglichkeit, deutsch zu lernen.“
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Auch der Kölner Kinderschutzbund wird sich im Netzwerk engagieren und die trauma-pädagogische Begleitung von Familien übernehmen. Denn Schritt drei, nach dem Ankommen und der langsamen Integration ist oft das Aufarbeiten der Vergangenheit und der Blick in die Zukunft. Die Meisten, die er kennt, wollen zurück, sobald der Krieg vorbei ist, sagt Morozov. Daraus ergibt sich ein Spannungsverhältnis. Denn die Arbeit des Netzwerks soll langfristig und nachhaltig sein. Aber erstmal beginnt alles mit einem Fußball.